Der Arno in Pisa.

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Der Sonnenbarsch ist in dem Fluss heute häufig anzutreffen – er stammt aus Nordamerika.

Foto: Senckenberg/Haubrock

Über 241 Kilometer fließt der Arno durch die Toskana, bei Marina di Pisa mündet der zweitlängste (und nach dem Tiber der bedeutendste) Fluss Mittelitaliens in das Tyrrhenische Meer. Der Arno ist eng mit der Geschichte der Region Florenz verbunden – und das hat Spuren hinterlassen. Ein deutsch-italienisches Forscherteam hat nun untersucht, wie sich die Zusammensetzung der im Fluss lebenden Arten und die Artenvielfalt im Lauf der Jahrhunderte verändert hat. Das Ergebnis fällt extrem aus: Der Großteil der ursprünglich beheimateten Arten ist verschwunden. Ihren Platz haben neu eingewanderte Spezies eingenommen.

Für ihre Studie im Fachblatt "Global Change Biology" rekonstruierten die Biologen um Phillip Haubrock vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt die Entwicklung des Ökosystems im Arno über einen Zeitraum von 215 Jahren. Dafür werteten sie neben eigenen Erhebungen zahlreiche historische Dokumente und Sammlungen aus und sprachen mit lokalen Historikern und Ökologen. Wie sie berichten, war im Jahr 1800 der Fischbestand noch zu 92 Prozent heimisch. Gut 200 Jahre später waren es nur noch sechs Prozent.

Ein letzter heimischer Fisch

Auch bei der Gruppe der Makroinvertebraten wie Muscheln, Schnecken oder Krebsen, ist ein deutlicher Wandel von ursprünglich im Arno beheimateten Arten hin zu invasiven Tieren zu sehen: Nur noch 30 Prozent dieser Organismen können aktuell als heimisch bezeichnet werden. "Man kann festhalten, dass im Arno ein beinahe vollständiger Austausch der heimischen Arten durch eingewanderte Flussbewohner stattgefunden hat – bei den Fischen ist hier nur noch die Schleie Tinca tinca als ursprünglich in Italien vorkommende Art zu finden", sagte Haubrock.

Auf die Artenvielfalt hat der Faunenwechsel in den untersuchten Tiergruppen unterschiedliche Auswirkungen. Haubrock: "Betrachtet man den gesamten Zeitraum, steigt die Artenvielfalt innerhalb der Fische durch die eingewanderten Arten an, bei den Makroinvertebraten verzeichnen wir dagegen eine generelle Abnahme der Artenanzahl – hier konnten die invasiven Arten den Verlust der heimischen Lebewesen nicht ausgleichen.

Wirtschaftswachstum, Fischerei, Flussbau

Doch wie kam es zu einem Faunenaustausch in dieser Dimension? Laut der Studie ist der Eintrag fremder Fischarten vor allem auf das Wachstum der Region rund um Florenz zwischen 1900 und 1950 zurückzuführen. In dieser Zeit stieg sowohl die Nachfrage nach Nahrungsquellen als auch der Wunsch nach Freizeitaktivitäten. "Wir konnten zeigen, dass in diesem Zeitraum zahlreiche Fischereiverbände gegründet wurden und die Florentiner ihre Angelaktivitäten intensivierten – hierzu wurden auch nicht-heimische Arten gezielt in den Fluss eingebracht", so der Forscher.

Das Wachstum der Stadt habe sich zudem auch auf die Hydromorphologie des Flusses ausgewirkt: Der Arno wurde kanalisiert und vertieft, was zu einem Anstieg der Strömung und des Sedimenttransports führte – Umweltveränderungen, denen die nicht-heimischen Tiere besser gewachsen waren.

Die enormen Veränderungen in diesem Fluss seien also auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen – und der Arno sei kein Einzelfall, resümieren die Wissenschafter. Auch in vielen anderen europäischen Flüssen habe sich die Artenzusammensetzung in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Um nachhaltiges Umweltmanagement zu ermöglichen, brauche es daher dringend Langzeitstudien mit einem einheitlichen Erfassungssystem. (red, 11.1.2021)