Zahlreiche User verwechseln derzeit "Parlor" mit dem stillgelegten Rechtsaußenportal "Parler".

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Monatelang wurde Parler von Rechtsaußen als "freie" Alternative zu Facebook und Twitter gehypt. Auch so mancher Politiker der republikanischen Partei warb öffentlich für die Plattform, die mit fleißiger monetärer Unterstützung der Milliardärin Rebekah Mercer ins Leben gerufen wurde.

Doch der Sturm auf das Kapitol durch radikalisierte Anhänger von US-Präsident Donald Trump dürfte Parler ein jähes Ende beschert haben. Absprachen für den Angriff sollen über das Portal gelaufen sein, und mit der Begründung mangelnder Moderation warfen Apple und Google die App aus dem Katalog von iTunes und dem Play Store. Kurz darauf folgte auch Amazon und kündigte an, dem Dienst seine Serverinfrastruktur nicht mehr bereit zu stellen.

Schlechte Aussichten für Parler

Der Rauswurf wurde mittlerweile vollzogen, die Homepage des Portals ist aktuell nicht mehr erreichbar. Nun setzt sich Parler gegen den Ausschluss bei Amazon zur Wehr und verklagt den Internetgiganten. Mit der Sperrung des Parler-Accounts bei den Amazon-Diensten verstoße der US-Konzern gegen Wettbewerbsrecht. In der beim US-Bezirksgericht in Seattle eingereichten Klage betonte Parler, dass Amazons Entscheidung "offensichtlich durch politische Animosität motiviert" sei und darauf abziele, den Wettbewerb auf dem Markt für Microblogging-Dienste zu reduzieren. Neben der Freischaltung seiner Dienste fordert Parler auch Schadenersatz.

Parler-Chef John Matze hatte zuvor noch verlautet, binnen einer Woche einen neuen Hosting-Anbieter finden zu wollen. Ob dies wirklich geschieht, darf aber bezweifelt werden. Dass ein US-Anbieter seine Dienste zur Verfügung stellt, wäre überraschend. Einschlägige Hoster, die bereits Neonazi-Seiten eine Heimat bieten, kommen zwar infrage, betreiben ihre Server aber oft teilweise oder ganz außerhalb der USA, was für Parler weitere Probleme aufwirft. Auch ist unklar, ob die Geldgeberin weiter bereit ist, die Plattform zu finanzieren. Zuletzt meldete Matze außerdem, dass auch seine Anwälte die Zusammenarbeit mit ihm eingestellt hätten.

Nutzer stürmen kaum bekannte Videochat-App

Die Diskussion um Parler und die Sanktionen dagegen haben das Projekt aber jedenfalls um einiges bekannter gemacht. Mangels Server profitiert es davon aktuell zwar nicht, aber dafür eine andere App, die offenbar dank verwirrter Fans momentan in den US-Stores von Apple und Google boomt: Parlor.

Laut der Plattform Applyzer stieß sie zwischenzeitlich in die Top 10 aller Apps des Play Stores und sogar auf Platz 1 unter den "Social"-Apps vor. Auf iTunes reichte es bereits für die Top 20 insgesamt sowie die Top 10 in der "Social"-Kategorie. Bis dahin war Parlor, das nach eigenen Angaben sechs Millionen Nutzer hat, der breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt.

Die Software vernetzt nach eigenen Angaben User miteinander, damit diese in Einzelgesprächen per Videochat über verschiedene Themen plaudern können. Konzeptuell ähnelt sie damit der berühmt-berüchtigten Website Chatroulette.

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Nur ein kurzfristiger Vorteil

Der plötzliche Run dürfte sich kaum anders erklären lassen als durch eine Verwechslung, wie auch aus so manchen Nutzerrezensionen hervorgeht. Denn schließlich trennt beide Plattformen, die nichts miteinander zu tun haben, nur ein einzelner Buchstabe. Manche empörten User werfen den Betreibern fälschlicherweise vor, vom Aus für Parler profitieren zu wollen. Tatsächlich ist die App aber bereits seit rund zehn Jahren gelistet und somit wesentlich älter als das stillgelegte Rechtsaußenportal.

Dass der Nutzeransturm von Dauer sein wird, ist nicht zu erwarten. Denn nur wenige der irrtümlich dort gelandeten User dürften dem Portal erhalten bleiben. Zudem wird auch das mediale Interesse an Parler wohl bald nachlassen – und damit auch die Verwechslungen seltener werden. (gpi, 11.1.2021)