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Hemden oder Kleider von der Stange gibt es aktuell nur im Internet zu kaufen. Wer auf das Erlebnis im Geschäft nicht verzichten möchte, kann sich jedoch eines schneidern lassen.

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Sieben auf einen Streich – so mancher Schneidereibetrieb in Österreich würde sich dieser Tage über eine Auftragszahl in dieser Höhe freuen, selbst wenn sie nicht auf einmal eintrudeln. In der Realität bleibt jedoch eher Zeit zum Fliegen erschlagen. Die Situation im Bekleidungsgewerbe ist eine schwierige. Betriebe dürfen offen haben und "ganz normal" arbeiten, die Kunden bleiben allerdings aus.

Gleich ums Eck vom Stephansdom, in der Spiegelgasse, hadert Nicolas Venturini mit dem Status quo. Er ist Geschäftsführer und Eigentümer der prominenten Hemdenschneiderei Gino Venturini. Am Montag sperrte er nach langem Stillstand sein Geschäft wieder auf. "Die 28 Mitarbeiter in der Werkstatt haben nichts zu tun, wir warten auf Kunden", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Kompletter Ausfall

Die Zeit nach Weihnachten bis zu den Heiligen Drei Königen sei üblicherweise eine sehr umsatzstarke, heuer sei man darum umgefallen. Das Résumé des ersten Geschäftstages fiel den Umständen entsprechend aus. "Ein Kunde hat Sachen zur Reparatur gebracht, zwei andere haben sich abmessen lassen", sagt Venturini. Das sei zumindest besser als ein geschlossenes Geschäft. Er hätte sein Geschäft bereits am 27. Dezember aufsperren dürfen, wegen der hohen Fallzahlen habe er jedoch verzichtet.

Im Geschäftslokal liegen lediglich Hemdkragenmodelle auf, die Handelsware ist verräumt oder abgedeckt. Wer mit einem durchschnittlichen Mundschutz eintritt, bekommt eine FFP2-Maske überreicht. Stoffmasken hat das Unternehmen seit dem Frühjahr jedoch auch im Sortiment.

Keine Veranstaltungen

"Es gibt keine Hochzeiten, keine Feste und keine Veranstaltungen, die Leute brauchen die entsprechende Kleidung nicht", sagt Innungsmeisterin Christine Schnöll von der Bundesinnung Mode- und Bekleidungstechnik.

Was heißt das in der Praxis? Wer in einem herkömmlichen Modegeschäft ein Hemd kaufen möchte, der muss das online machen, denn der Handel ist im Lockdown geschlossen. Ein Maßhemd vom Schneider kann man sich jedoch anfertigen lassen. Inklusive Anmessen, Anprobieren und Abstecken.

Alle Branchen des Bekleidungsgewerbes – wie etwa Kürschner, Hutmacher oder Änderungsschneider – sind als nicht körpernahe Dienstleister einzustufen und daher zulässig/offen, heißt es in der Verordnung des Gesundheitsministeriums. Weiters gilt es, einen Mindestabstand von einem Meter einzuhalten, es besteht Mund-Nasen-Schutz-Pflicht, und pro zehn Quadratmeter darf sich nur ein Kunde aufhalten.

Ähnliche Konzepte

Schaut man sich die Öffnungszeiten unterschiedlicher Schneidereien an, erkennt man Ähnlichkeiten zu Venturini. Viele machten Betriebsurlaub und sperrten erst diese Woche wieder auf, andere sind nur telefonisch erreichbar, wenige lassen ganz zu. Eine Näherin, die nicht namentlich genannt werden möchte, meint, sie habe – anders als sonst – nicht einmal im Pfusch viel zu tun.

Corona-Hilfsmaßnahmen fallen in der Branche eher gering aus. Das erklärt sich damit, dass die rund 2700 heimischen Schneidereibetriebe nicht schließen müssen. "Umsatzersatz gibt es für uns keinen, Fixkostenzuschuss schon", sagt Innungsmeisterin Schnöll. Für ein paar wenige Schneidereien, die eng mit dem Handel zusammenarbeiten greife überdies der Härtefallfonds. Schnöll zufolge geraten immer mehr Betriebe an ihre Grenzen. Wie dem restlichen Land bleibt ihnen aber nichts anderes übrig, als tapfer auf das Ende der Pandemie zu warten. (Andreas Danzer, 13.1.2020)