Ein Bub wird in die Eiserne Lunge geschoben, um künstlich beatmet zu werden: Nina Kunzendorf (rechts) spielt in der dritten Staffel der ARD-Serie "Charité" die berühmte Kinderärztin Ingeborg Rapoport.

Foto: ARD/Stanislav Honzik

Berlin, 1961, ein Bub landet im Berliner Krankenhaus Charité. Die Diagnose: Kinderlähmung (Polio). Er wird in die Eiserne Lunge gelegt und maschinell beatmet. Das Gerät wurde im Jahr 1920 entwickelt – ein einziger Albtraum für Klaustrophobiker, aber es rettet dem Buben das Leben. Wie so vielen anderen auch.

Die dritte Staffel der Serie Charité, der Geschichte rund um Deutschlands berühmtestes Krankenhaus, findet in der Zeit des Kalten Krieges statt – und mitten im Kampf gegen Polio und eine hohe Säuglingssterblichkeit. Während in der DDR bereits mit einem russischen Impfstoff geimpft wird, heißt es in Westdeutschland noch abwarten. Rund ein Viertel der Frühgeborenen stirbt Ende der 1950er-Jahre mangels adäquater Behandlungschancen.

Im Fokus der Serie – zu sehen sind die sechs Folgen ab heute, Dienstag, wöchentlich ab 20.15 Uhr in der ARD – steht aber nicht nur die Medizin selbst, sondern die Politik, die ihre Bedingungen diktiert.

Denn am 13. August 1961 wird über Nacht die Berliner Mauer aufgezogen, und die Charité befindet sich plötzlich im Grenzgebiet zum Westen. Und mit ihr die Ärztinnen und Ärzte, die aufgrund der Mangelwirtschaft oft zum Improvisieren gezwungen sind, während im Hintergrund der Staatssicherheitsdienst alles überwacht.

Ihre stärkste Kraft entfaltet die Historienserie immer dann, wenn der reale Hintergrund der Figuren in den Vordergrund tritt.

Vor den Nazis geflohen

So beeindruckt etwa das Wirken der Kinderärztin Ingeborg Rapoport, die von Ex-Tatort-Kommissarin Nina Kunzendorf gespielt wird. Die Medizinerin (1912–2017) musste 1938 aufgrund ihrer jüdischen Mutter in die USA emigrieren, wo sie sich der Kommunistischen Partei anschloss. 1950 kehrte sie mit ihrem Mann, dem österreichischen Biochemiker und Kinderarzt Samuel Mitja Rapoport, nach Deutschland zurück, um schließlich an der Charité anzuheuern. Ab 1958 war sie an der dortigen Kinderklinik tätig und leitete die Säuglings- und Frühgeborenenstation. 1969 erhielt sie den Lehrstuhl für Neonatologie, den ersten in Europa.

Ein anderes Beispiel ist der Österreicher Otto Prokop (1921–2009), der in der Serie von Philipp Hochmair verkörpert wird und anfangs gleich eine ambitionierte Ärztin desillusioniert: "Hören Sie auf, einen Privatkrieg gegen den Krebs zu führen. Er ist stärker als Sie." An der Charité kracht es nämlich an allen Ecken und Enden. Geld und Personal fehlen. Während immer mehr Ärzte in den Westen abhauen, landen die Mauertoten auf dem Seziertisch des Gerichtsmediziners Prokop – einer Koryphäe, die auch noch einem Massenmörder auf der Spur ist.

Philipp Hochmair als Gerichtsmediziner Otto Prokop.
Foto: ARD/Stanislav Honzik

Wer mehr über die Charité inmitten politischer Brisanz, das Leben Prokops oder der Rapoports erfahren möchte, dem sei im Anschluss um 21.50 Uhr in der ARD die Doku Die Charité – Ein Krankenhaus im Kalten Krieg ans Herz gelegt. (Oliver Mark, 12.1.2021)