Es gibt Akademiker, und es gibt die vielen anderen. Die Gattin des Arztes wird mit "Frau Doktor" und Kotau beim Greißler begrüßt. Gezeichnet und unterschrieben wird mit dem Titel. Der akademische Grad steht noch immer für ein vermeintlich besseres Milieu, für Status. Solches mag auch Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher zu ihrer Dissertation motiviert haben. Das ist sicher kein besonders schönes Gesicht einer Gesellschaft, aber eigentlich ist es doch eher schrullig und verschwindet nach und nach. Dort, wo es sich hartnäckig diskriminierend hält – etwa am Wohnungsmarkt ("wir sind ein Akademikerhaus") –, ist es klar zu ahnden.

Junge Menschen stehen unter Druck, so schnell wie möglich an so viele Titel wie möglich zu kommen.
Foto: APA/HANS PUNZ

Die neuen Facetten der Titelsucht sind allerdings ein wachsendes Problem. Sie sind im Arbeitsleben für Junge durch die europäische Studienordnung nach dem sogenannten Bologna-Prozess entstanden, der eigentlich Durchlässigkeit und Anrechenbarkeit akademischer Leistungen bringen wollte. Nach dem Bachelor sollte real gearbeitet, dann erst ein Master angehängt werden. Tatsächlich haben der Arbeitsmarkt und seine Recruiter in den Firmen allerdings den Bachelor zur neuen Matura degradiert; die Pforte in den Bewerbungsprozess öffnet meistens erst ein Masterabschluss. Das führt dazu, dass Jüngere Abschlüsse sammeln, so schnell es geht. Sie setzen im Studium alles daran, zum Mastertitel zu kommen und des besseren Milieus des Arbeitsmarktes "würdig" zu sein. Eine schädliche Praxis, auch für die Hochschulen. (Karin Bauer, 12.1.2021)