Stefan Korsatko ist Allgemeinmediziner im Primärversorgungszentrum Medius in Graz und Bundessprecher des österreichischen Forums für Primärversorgung.

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Wann wird man sich diesen Termin eintragen können? Stefan Korsatko hat als Hausarzt eine Schlüsselfunktion zwischen System und Patientinnen und Patienten.

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Viele Leute warten darauf, sich für eine Impfung anmelden zu können. Die österreichische Bundesregierung hat sich für eine dezentrale Impfung entschieden, die Hausärzte sollen eine Schlüsselrolle spielen. Der STANDARD hat beim steirischen Allgemeinmediziner Stefan Korsatko vom Primärversorgungszentrum Medius nachgefragt, wie die aktuelle Lage ist. Er hat bereits in Pflegeheimen geimpft.

STANDARD: Der Impfstart in den Pflegeheimen Anfang Jänner lief schleppend und mit Pannen an. Wie gut sind die Hausärzte vorbereitet?

Korsatko: Bei uns rufen täglich sehr viele Leute an und erkundigen sich, wann sie sich impfen lassen können. Ich arbeite in einem großen Primärversorgungszentrum in der Steiermark, also in einer Ordination, in der mehrere Allgemeinmediziner zusammenarbeiten. Von offizieller Seite gibt es bisher kaum Informationen über den konkreten Ablauf der Impfungen für Hausärzte. Wir können uns nur selbst ausrechnen, was auf uns zukommt.

STANDARD: Sie meinen, wie viele Menschen Sie in den nächsten Monaten impfen müssen?

Korsatko: Genau. Es gibt in Österreich circa 4.000 Kassen-Hausarztpraxen. Wir müssten, um die Pandemie zu beenden, grob gesagt, in den nächsten sechs Monaten 4,5 Millionen Menschen impfen. Weil man zwei Dosen des Impfstoffes braucht, bedeutet das neun Millionen Impfungen. Das wären 2.250 Impfungen pro Praxis. Bei einer Öffnungszeit von 20 Stunden pro Woche. Das erfordert eine enorme Planung, für die uns die Parameter fehlen. Nicht zu vergessen dabei sind all jene Patientinnen und Patienten, die wir auch ohne diese Impfungen im Normalbetrieb versorgen. Wir brauchen Informationen, um diese Aufgabe planen zu können.

STANDARD: Aber könnte man nicht damit beginnen, Listen von Patienten zu erstellen?

Korsatko: Das machen wir bei uns auch, aber es ist ausschließlich eine private Initiative, die wir schon im November begonnen haben. Wir wissen, dass wir die Leute in drei Phasen impfen werden. Zuerst sind die über 80-Jährigen an der Reihe, dann die Leute zwischen 50 und 80 Jahren mit Vorerkrankungen, und ganz zum Schluss kommen dann die Gesunden dran.

STANDARD: Reicht das für die Liste?

Korsatko: Es ist ein Anfang. Wichtig ist aber auch, den Patienten die Sicherheit zu geben, dass sie registriert sind und es einen konkreten Impftermin für sie geben wird. Die Impfbereitschaft ist wirklich groß.

STANDARD: Wie erstellen Sie diese Listen. Mit der Ordinationssoftware?

Korsatko: Wir haben bereits über 500 Personen auf der Liste und machen daher Excel-Sheets. Ich denke, das ist ein pragmatischer Weg. Die Leute müssen ja im Zeitabstand von einem Monat noch einmal geimpft werden. Mit Excel-Listen bewahrt man dabei am leichtesten den Überblick. Anders geht es nicht, haben wir festgestellt. Aber wie gesagt: Diese Listen sind eine Eigeninitiative, es gab keine Anweisungen von offizieller Seite, wie vorzugehen ist oder wie so eine Liste auszusehen hat.

STANDARD: Also riskant?

Korsatko: Um weitere Schäden durch die Pandemie zu verhindern, ist es wichtig, dass diese Impfungen nun so rasch wie möglich über die Bühne gehen. Dafür müssen alle flexibel und eigeninitiativ sein. Wir Hausärzte haben uns auch untereinander vernetzt.

STANDARD: Warum?

Korsatko: Weil wir in einer Blitzumfrage gesehen habe, dass bereits Kolleginnen und Kollegen in ganz Österreich mit einer Impfstraße beginnen könnten. Hier bei uns in Graz könnten wir circa 1.000 Menschen pro Woche impfen, wenn uns jemand die Impfstoffe gibt.

STANDARD: Wie ist die Unterstützung durch die Ärztekammer?

Korsatko: Die Ärztekammer ist sehr gefordert und hat eine schwierige Rolle. Österreich ist ein föderalistisches Land, und jedes Bundesland geht nun beim Impfen eigene Wege. Wir wissen seit Monaten, dass die Impfung kommt. Wir bei uns in der Steiermark haben nicht auf Impfkonzepte gewartet, sondern sind selbst initiativ geworden. Wir alle haben ein großes Interesse, dass geimpft wird, brauchen aber die Unterstützung aller Stakeholder im Gesundheitssystem.

STANDARD: Als Allgemeinmediziner haben Sie schon den neuen mRNA-Impfstoff in einem Pflegeheim verabreicht. Was sind Ihre Erfahrungen?

Korsatko: Auch das war eine Eigeninitiative, die zusammen mit der Direktion des Pflegeheims entstanden ist. Wir haben mit dem Betriebsrat gearbeitet, der das Personal auch schon lange im Vorfeld informiert hat. Auch die Bewohner und Bewohnerinnen wurden bereits im Dezember aufgeklärt. Nur deshalb war es möglich, die Leute schon am 7. Jänner zu impfen.

STANDARD: Wie wichtig ist diese Aufklärung?

Korsatko: Sie ist wichtig, das steht außer Frage. Doch im Grunde geht es um ein Ja oder ein Nein zur Impfung. Es sind wirklich gut untersuchte Impfstoffe, die jetzt auf den Markt kommen, die Studien umfassen 40.000 Teilnehmende. Mittlerweile sind ja auch Millionen Menschen geimpft, und es kommt kaum zu nennenswerten Reaktionen. Wenn man es mit der Erkrankung selbst vergleicht, ist es jedenfalls ganz klar, dass die Krankheit wesentlich schlimmere Folgen als die Impfung hat. Von den Schäden an unserer Gesellschaft ganz zu schweigen. Es geht darum, den Leuten zu vermitteln, dass sie sich auf solche Studienergebnisse auch verlassen können. Und auf die Expertise von Fachleuten wie uns Ärzten.

STANDARD: Welche Information kam vom Ministerium?

Korsatko: Ein zweiseitiger Aufklärungsbogen und eine vierseitige Gebrauchsinformation. Diese mit jedem durchzugehen, der zum Impfen kommt, werden wir nicht schaffen, wenn wir Millionen Impfdosen verteilen. Wenn ich diese Dokumente mit Leuten über 80 Jahre ohne medizinische Vorkenntnisse besprechen soll, brauche ich mindestens 20 Minuten pro Person. Allein die Frage "Haben Sie Allergien?" wird gerne sehr ausführlich besprochen. In einer Pandemie und der aktuellen Notsituation ist das unmachbar. Vor allem auch deshalb, weil nur sehr wenige allergische Reaktionen passieren, wie die Erfahrung zeigt.

STANDARD: Könnten die fehlenden Rahmenbedingungen zum e-Impfpass ein Grund dafür sein, dass die offiziellen Stellen die Hausärzte noch nicht informieren?

Korsatko: Vielleicht, auch das ist noch nicht fertig geregelt. Doch darauf zu warten, ist der falsche Ansatz. Wir müssen ins Tun kommen. Mir würde helfen, wenn ich meinen Patienten einen Zettel mir wichtigen, leicht verständlichen Basisinformationen austeilen könnte. Also keine vierseitige Fachinformation, sondern ein barrierefreies, kurzes Informationsblatt in mehreren Sprachen.

STANDARD: Wie wollen Sie über mögliche Nebenwirkungen aufklären?

Korsatko: Eben mit diesem Infoblatt. Dabei geht es um jene aus medizinischer Sicht harmlosen, aber tatsächlichen Nebenwirkungen, die wir beobachten. Also: Schmerz und Rötung bei der Einstichstelle, Gliederschmerzen, manchmal leichte Temperatur. Sie alle sind vorübergehend und nicht besorgniserregend. Aber es ist wichtig, das den Leuten zu kommunizieren.

STANDARD: Was wünschen Sie sich noch?

Korsatko: Den sofortigen Zugang zu einem System, in dem wir Hausärzte den Impfstoffbedarf anmelden und Impfstoffe bestellen können. Jeder Hausarzt, der mit seinem Team bereit ist zu impfen, soll anhand seiner Listen Impfstoffe vorbestellen können und exakte Informationen erhalten, auch wenn es erst in zwei bis vier Wochen der Fall ist.

STANDARD: Können Hausärzte auch den mRNA-Impfstoff verimpfen?

Korsatko: Problemlos. Wir haben gesehen, dass aus einem Fläschchen nicht nur sechs, sondern sogar sieben Leute geimpft werden können. Der große logistische Aufwand ist es, dass der Impfstoff, wenn er einmal offen ist, innerhalb von sechs Stunden verbraucht wird. Die Ordinationen müssen also sehr genau planen, dass eben sieben Patienten innerhalb der Sechs-Stunden-Frist zur Impfung kommen. Es darf auf keinen Fall passieren, dass Impfstoff weggeschmissen wird, daher wird man auch Stand-by-Patienten einplanen müssen, falls jemand ausfällt.

STANDARD: Wie lange müssen Patienten in der Ordination sein?

Korsatko: Die Patienten müssen nach der Impfung noch 15 Minuten überwacht werden. Für all das brauchen wir Personal und müssen in manchen Fällen sicher auch neue Räumlichkeiten erschließen. Für unsere Impfstraße hier planen wir eine Kooperation mit der Pfarre, die ihren Saal dafür zur Verfügung stellt. Die Leute sollen nicht in der Kälte warten müssen

STANDARD: Wäre ein zentralistischer Ansatz so wie in Deutschland nicht klüger gewesen?

Korsatko: Keinesfalls. Österreich ist ein sehr föderalistisches Land. Die Impfungen werden von den Bundesländern organisiert, und die kennen lokale Strukturen am besten.

STANDARD: Im schlimmsten Fall bleiben Impfdosen übrig?

Korsatko: Und genau das darf eben nicht passieren. Es muss immer eine Liste mit Reservepatienten geben. Und deshalb muss die Organisation auch sofort beginnen.

STANDARD: Mit dem Impfstoff von Astra Zeneca soll es einfacher sein?

Korsatko: Diese Aussage ist vielleicht die größte Bremse bisher gewesen. Wir brauchen für 50.000 tägliche Impfungen in den nächsten sechs Monaten alle zur Verfügung stehenden Impfstoffe. Hausärzte können sicher alles verimpfen. Kein Problem.

STANDARD: Sind Sie zuversichtlich, dass diese Riesenimpfaktion über die Hausärzte klappen wird?

Korsatko: Ehrlich gesagt schon. Sobald der Impfstoff endlich zu den Hausärzten gelangt, wird eine Dynamik entstehen, die die Nachfrage decken wird. Jeder Hausarzt und jede Hausärztin werden dabei wohl eigene Strategien entwickeln.

STANDARD: Werden Hausärzte tatsächlich proaktiv auf ihre Patienten zugehen?

Korsatko: Wenn die Rahmenbedingungen klar sind, ganz sicher. Klarheit kann aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein. In der Corona-Pandemie ist Flexibilität einer der wichtigsten Parameter in der Planung. (Karin Pollack, 13.1.2021)