Immer mehr Bäume verschwinden, wie hier im Senegal, weil sie fürs Heizen, die Landwirtschaft oder die Industrie benötigt werden. Zurück bleibt meist ein karger und trockener Boden.

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Große Ideen brauchen Zeit zum Reifen: Schon 1977 rief die Kenianerin und spätere Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai dazu auf, in den kommenden drei Jahrzehnten 30 Millionen Bäume entlang der Sahelzone zu pflanzen. Später wurde die Idee von Präsidenten unterschiedlicher afrikanischer Länder aufgegriffen und 2005 schließlich von der Afrikanischen Union beschlossen: eine mindestens 15 Kilometer breite und beinahe 8.000 Kilometer lange Mauer aus Bäumen, die sich vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten erstrecken soll. Sie soll die Ausbreitung der Wüste verhindern, dem Klimawandel entgegenwirken, zehn Millionen Jobs in der Umgebung schaffen und kleinen Dörfern wieder Aufschwung bescheren.

Es sind Dörfer, die wie im Senegal oder Burkina Faso an der Front der Wüstenausbreitung liegen. Seit 1900 hat sich die Sahara rund 250 Kilometer nach Süden hin ausgedehnt – eine Entwicklung, die laut Experten dem Klimawandel, Bevölkerungswachstum und der Abholzung geschuldet ist. Wo vor vielen Jahren noch Akazienwälder oder Affenbrotbäume die Dörfer säumten, musste diese zusehends Agrarflächen weichen oder wurden für Brennmaterial abgeholzt. Zurück blieben meist verwaiste Dörfer, ausgezehrte Böden und kahle Flächen.

Armut und Konflikte

Heute gehört die Region südlich der Sahara zu den ärmsten der Welt. Weite Gebiete werden direkt oder indirekt von terroristischen Gruppen wie Boko Haram oder Ablegern des sogenannten "Islamischen Staats" kontrolliert, allein in den letzten drei Jahren wurden laut Vereinten Nationen 1,5 Millionen Menschen durch Dürre oder Konflikte vertrieben.

Das Pflanzen von Bäumen soll dabei helfen, den Grundwasserspiegel wieder anzuheben und ein Mikroklima schaffen, bei dem es wieder zu mehr Niederschlägen kommt. Damit soll die Landwirtschaft wiederbelebt werden und vor allem jungen Menschen eine Perspektive geboten werden, heißt es auf der offiziellen Website des Projekts.

16 Jahre nach dem öffentlichen Start des Projekts ist die Bilanz für viele Experten ernüchternd: In den 21 Ländern, die an dem Projekt beteiligt sind, wurden erst 15 Prozent der bis 2030 geplanten Bäume gepflanzt. Laut Angaben der Organisation fehlt es vor allem an Geld für die Aufforstung. Erst vor kurzem haben Staaten wie Frankreich und Entwicklungsbanken angekündigt, das Projekt in den nächsten vier Jahren mit mehr als 14 Milliarden Dollar zu unterstützen.

Im vergangenen Jahr kam die Dokumentation "The Great Green Wall" in die Kinos.
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Keine transparenten Zahlen

Regierungen wie jene des Senegal rühmen sich schon jetzt, einen großen Beitrag zu dem Projekt geleistet zu haben. Laut offiziellen Angaben wurden in dem Land auf einer Länge von 150 Kilometern und einer Fläche von 40.000 Hektar zwölf Millionen Bäume gepflanzt. Einige Experten bezweifeln allerdings die Zahlen und beschwichtigen den Erfolg: Zur gleichen Zeit sei in dem Land eine mindestens so große Waldfläche aufgrund von Abholzung, Landwirtschaft und Bautätigkeit verloren gegangen.

Zudem stellt sich für einige Experten die Frage, wie viele der Bäume tatsächlich überleben, da es in vielen Ländern an transparenten Daten und Kontrolle mangle. In besonders trockenen Gebieten sei die Überlebenschance für die meisten Baumarten nur äußerst gering, heißt es in einer Studie.

Grasland vielleicht sinnvoller

Auch ob das Pflanzen von Bäumen immer die richtige Herangehensweise ist, wird angezweifelt. Laut einigen Wissenschaftern könne es in einigen Regionen sinnvoller sein, Graslandschaften zu fördern. Diese werden von den Viehhirten als Futter für die Tiere benötigt. Fehlt es an Gras, könnten den Weidetieren stattdessen junge Setzlinge verfüttert werden, womit der Fortschritt der Aufforstung aufgehalten werde, so die Befürchtung. Zudem können Graslandschaften so gut CO2 speichern wie Wälder.

Statt zu versuchen, Bäume in abgelegenen und wenig bevölkerten Gegenden zu pflanzen, sprechen sich einige Regierungen und Bewohner mittlerweile dafür aus, die Erde vor allem in dicht bevölkerten und stark genutzten Regionen wieder fruchtbarer zu machen. Somit könnte es für die Initiative schwierig werden, die gesamte "Mauer" an Bäumen quer über den Kontinent aufzubauen. Laut Uno müsste das Projekt in den nächsten Jahren viermal so schnell vorangehen, damit die "Große Grüne Mauer" bis 2030 Wirklichkeit wird.

Auch China baut Mauer

Nicht zuletzt gibt es auch in anderen Ländern bereits Initiativen für die Aufforstung. Im Norden und Nordwesten Chinas soll eine ähnliche "Große Grüne Mauer" die Ausbreitung der Wüste Gobi verhindern und Sandstürme reduzieren. In den letzten vier Jahrzehnten pflanzte das Land Hecken und Wälder, die den Wind brechen und Erosion verhindern sollen. 4.500 Kilometer soll die "Mauer", die offiziell unter dem Namen "Drei-Norden-Schutzwald" bekannt ist, bis 2050 lang sein, sowie mehrere hundert Kilometer breit.

Der "Drei-Norden-Schutzwald" erstreckt sich entlang der Chinesischen Mauer. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu großflächigen Bränden.
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Offiziell heißt es, die Aufforstung habe bereits erheblich dazu beigetragen, Sandstürme im Land praktisch ganz verschwinden zu lassen. Auch die jährlichen Niederschläge sollen in einigen Regionen angestiegen sein. Allerdings kritisieren einige Umweltorganisationen und Lokalregierungen, dass hauptsächlich Monokulturen von Pappeln und Tannen bepflanzt werden, die anfällig für Krankheiten wie den Asiatischen Laubholzbockkäfer seien. Jährlich würden hunderttausende Hektar der "Großen Grünen Mauer" von dem Schädling befallen werden. (Jakob Pallinger, 14.1.2021)