Innerfamiliäre Spannungen mit ostdeutschem Charme: Kammeroper "Die Verwechslung" – u.a. mit Bärbel Strehlau.

Foto: Kristine Tornquist

Eine Wohnung in der DDR der frühen 1980er-Jahre; karge, klamme Spießigkeit in Beige und Altrosa. Im Zentrum der ostdeutsche Mittagstisch als Schlachtfeld innerfamiliärer Spannungen. Mittig malträtiert Familienvater Dauter (Günther Strahlegger) angespannt ein Exemplar des Neuen Deutschland, an seiner Seite die sorgenvolle Großmutter (Ingrid Haselberger). Linker Hand ihr Enkel Gustav, mit bleichem Charakterkopf, revolutionärem Haar und angesäuertem Mienenspiel (Johannes Czernin). Zur Rechten thront die Tante Ilse (Katrin Targo), die sich mit einer verächtlichen Entschlossenheit Tortenstücke zuführt.

sirene

Der erste Gedanke, wenn man die Eröffnung von Kristine Tornquists Film Die Verwechslung anschaut: wow. Das hat Intensität und Atmosphäre, da stimmt jedes Detail. Tante Ilse ist zwar eine fiese Kuh, die für die Stasi ihre eigene Familie ausspioniert, aber: dieser zartrosa Morgenmantel! Die farblich dazu passenden Pantöffelchen mit Bommel! Das fleischfarbene Kleid! Ein Monster des Verrats, souverän blondiert und kostümiert. Und Johannes Czernin bringt in die Szene als Konterrevolutionär mit prägnant geschnittenen Gesichtszügen eine konzentrierte Wut mit ein, der man zutrauen würde, die Geschicke des maroden Staats ganz allein umzustürzen. Was ihm aber leider nicht gelingt.

Augenschmaus

Die Verwechslung, muss man wissen, ist eigentlich eine Kammeroper von Helga Utz (Libretto) und Thomas Cornelius Desi (Musik). Im ersten Herbst der Pandemie hat das wundervolle Sirene Operntheater im F23 in Wien-Atzgersdorf sieben Uraufführungen in Szene gesetzt; deren letzte konnte lockdownbedingt nicht mehr vor Ort gezeigt werden. Wie gut, dass das einstündige Werk filmisch festgehalten werden konnte, stellt doch Tornquists Inszenierung (Bühne und Requisite: Markus Liszt, Michael Liszt; Kostüme: Katharina Kappert) einen Augenschmaus dar.

Auf musikalischem Gebiet zeigt Die Verwechslung Stärken und Schwächen. Thomas Cornelius Desi, in den letzten Jahrzehnten erfolgreich als Regisseur (Zoon Musiktheater) und Festivalleiter (Musiktheatertage Wien) aktiv, hat das Werk als Melodram konzipiert; Gesprochenes und Gesungenes wechseln sich ab bzw. überlappen einander. Das zeigt gleich zu Beginn Wirkung, als sich Czernin als Gustav in die familiäre Unterhaltung einklinkt und seinem Leiden mit einem lang gesungenen "Oma!" (mit Fritz-Wunderlich-Timbre) Ausdruck verleiht.

Altmodische Klänge

Den elegischen langen Kantilenen, die von einem Kammerorchester (Österreichisches Ensemble für Neue Musik unter der Leitung von François-Pierre Descamps) mit altmodischen Klängen unterfüttert werden, bleibt Desi in weiterer Folge leider allzu treu. In Kombination mit den künstlich zerdehnten Sprechpassagen wird die Angelegenheit hinten raus leider etwas monoton und zäh. (Stefan Ender, 12.1.2021)