Die Situation am Arbeitsmarkt ist angespannt. Knapp 533.000 Menschen sind aktuell arbeitssuchend, 26 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Monatelange Jobsuche, weniger Stellenausschreibungen und Absagen sind für viele Betroffene besonders demotivierend.

Eine Alternative zur klassischen Bewerbung bietet Design Thinking. Das Konzept kommt ursprünglich aus der Produkt- und Innovationsentwicklung und wird zur Generierung neuer Ideen oder Lösung von Problemen angewandt. Forschende der Universität Berkeley haben den Ansatz für die Karriereplanung weiterentwickelt.

Das Konzept soll vor allem dann helfen, wenn die Motivation durch Jobsuche und Absagen sinkt. Statt nach Stellenanzeigen zu suchen, massenhaft Bewerbungen auszuschicken und auf Rückmeldungen zu warten, empfiehlt Christine Mark, Coach und Gründerin des Future Lab, durch Design Thinking selbst aktiv zu werden. Weitere Vorteile sieht sie darin, sich gezielt mit den eigenen Wünschen auseinanderzusetzen und dadurch den richtigen Job zu finden.

Gezielt bewerben statt Massenaussendung

"Immer wieder kommen Menschen in meinen Workshop, die sich für sehr viele Stellen beworben haben und damit nicht erfolgreich waren", erklärt Mark. Als Beispiel nennt sie einen Teilnehmer, der sich nach seinem Jobverlust vor lauter Verzweiflung wahllos für Stellen beworben hatte, für die er deutlich überqualifiziert war. "Dann auch noch eine Absage zu bekommen ist fatal für das eigene Selbstwertgefühl. Obwohl es, rational gesehen, eigentlich sehr nachvollziehbar ist", sagt sie.

Gezieltes Bewerben sei immer sinnvoller als das Aussenden von Massenbewerbungen. Denn Personalverantwortliche würden schnell merken, ob es sich bei einer Bewerbung um ein individuelles Anschreiben handle oder nicht. Hinzu kommt, dass auf eine Flut an Aussendungen oft auch eine Flut an Absagen folgt – oder gar keine Rückmeldung. Dies habe zusätzlich negative Auswirkung auf Motivation und Selbstwertgefühl.

Auch Initiativbewerbungen sieht Mark als ein mögliches Gegenkonzept zum Warten auf die passende Stellenanzeige. Ein weiterer Ansatz, um an den richtigen Job zu kommen, ist, das eigene Netzwerk zu nutzen oder direkt mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten.

Das Jobprofil selbst gestalten

Design Thinking sei aber auch eine Möglichkeit für all jene, die zwar aktuell einen Job haben, mit diesem aber nicht zufrieden sind. Der Ansatz soll Arbeitenden ermöglichen, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu verstehen und diese mit denen ihres Arbeitgebers zu vereinen. Entscheidend für die Umsetzung ist dabei die Unternehmenskultur. "Gerade in offenen und innovativen Unternehmen ist das meist sehr leicht möglich", sagt Mark.

Dabei hätte mehr Freiheit bei der Gestaltung des Jobprofils nicht nur Vorteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. "Beide Seiten können davon profitieren. Arbeitende sind wieder glücklicher in ihrem Job, Arbeitgeber können dadurch loyale und motivierte Mitarbeitende halten", sagt sie.

Bei Design Thinking geht es nicht darum, ein To-Do nach dem anderen abzuarbeiten. Im Vordergrund stehen Ideen, die schnell umgesetzt und getestet werden können.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Design Thinking in der Karriereplanung

Ähnlich wie beim Design Thinking in der Produktentwicklung sind auch in der Karriereplanung vier Phasen vorgesehen. Der wichtigste Unterschied zu anderen Ansätzen ist laut Mark, dass es keine festen Abläufe gibt, die unbedingt eingehalten werden müssen. Vielmehr gehe es darum, Schritte zu fassen, die schnell umgesetzt werden können, und Neues auszuprobieren. Dadurch sei es außerdem möglich, bei der Umsetzung nachzuschärfen, wenn etwas nicht klappt wie geplant.

  1. Reflexion über bisherige Erfahrung. In der Produktentwicklung erfolgt die erste Phase des Design Thinking mit der Zielgruppe, um deren Bedürfnisse zu eruieren. In der Karriereplanung wird diese auf die eigene Situation angewandt. Dafür sollten folgende Fragen beantworten und reflektieren werden: Was war bisher gut? Was hat für mich nicht funktioniert? Welche Werte sind mir wichtig? Was will ich wirklich? Diesen Schritt beschreibt Mark als den wichtigsten und zeitintensivsten, dieser bildet schließlich die Grundlage für das weitere Vorgehen.
  2. Ein Ziel für die Zukunft definieren. Übergeordnet soll in dieser Phase folgende Frage beantwortet werden: Wie sieht meine Vision für meine berufliche Zukunft aus? Dies soll losgelöst von der derzeitigen Situation passieren. Der Fokus soll nicht auf der aktuellen Tätigkeit oder der Jobsuche liegen, sondern auf den eigenen Wünschen für die Zukunft. Dies sind Beispiele für Reflexionsfragen: Unter welchen Umständen kann ich gut arbeiten? Welche Tätigkeiten bringen mir Freude? Was ist mir bei der Zusammenarbeit im Team wichtig? Was will ich erreichen?
  3. Möglichkeiten entdecken. In Phase drei sollen Optionen gefunden werden, die bislang noch nicht genutzt wurden. Was habe ich bisher noch nicht gesehen? Wie machen es andere? Was gibt es noch? Neben dem Beantworten der Reflexionsfragen hilft oftmals eine Perspektive von außen und der Austausch mit anderen. Freunde, Bekannte oder (ehemalige) Kolleginnen und Kollegen können mögliche Ansprechpersonen sein.
  4. Berufsszenarien kreieren. In der letzten Phase werden drei Prototypen erstellt. Dafür wird ein grober Zeitplan für die nächsten fünf Jahre aufgestellt und festgehalten, was in welchem Jahr umgesetzt werden muss, um das jeweilige Ziel zu erreichen. Plan A ist dabei das naheliegendste Konzept, das auf der bisherigen Laufbahn aufbaut. Plan B ist der Ersatz, wenn das ursprüngliche Konzept nicht umgesetzt werden kann. Plan C hingegen soll unabhängig von jeglichen Einschränkungen festgelegt werden. Was würde ich machen, wenn externe Faktoren keine Rolle spielen? Anschließend soll die Wahl auf einen der drei Pläne fallen und dieser weiterverfolgt werden. (dang, 14.1.2021)