Eine Covid-Station in Lissabon. Einige Spitäler haben ihre Belastungsgrenze erreicht

Foto: AFP / Patricia De Melo Moreira

Portugal greift einmal mehr zu harten Maßnahmen, um der Covid-19-Pandemie Herr zu werden. Am Donnerstag wird ein erneuter Lockdown in Kraft treten. Nach einer Sitzung des Spezialistengremiums Infarmed über die aktuelle Lage will die Regierung unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten António Costa am Mittwoch zusammentreten, um die genauen Maßnahmen abzustimmen. Eines ist klar: Der erneute Lockdown wird wie bereits der im Frühjahr die Bewegungsfreiheit der Bürger weitgehend einschränken. Nur Geschäfte zur Grundversorgung bleiben offen. Wer kann, muss zu Hause im Homeoffice arbeiten. Industrie und Großbaustellen werden allerdings ebenso wenig geschlossen wie die Schulen. Nur auf Madeira hat die Regionalregierung festgelegt, dass die Schüler ab Mittwoch zu Hause bleiben müssen. Der Lockdown wird erst einmal für zwei Wochen gültig sein.

Bis Ende Dezember ging die Zahl der Infektionsfälle in Portugal zurück. Dann kamen Weihnachten und damit die dritte Welle. "Wir befinden uns derzeit mitten im Anstieg der Fälle und erreichen ein historisches Maximum", beschreibt André Peralta Santos, Leiter der Abteilung für Information und Analyse im Gesundheitsministerium, die Lage. In mehreren Gemeinden habe sich die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner pro sieben Tage seit Weihnachten mehr als verdoppelt. Mancherorts sind es weit über tausend. Im Landesschnitt sind es mittlerweile 560.

Kritische Lage in Spitälern

Seit Tagen übertrifft die Zahl der festgestellten Neuinfektionen alles Dagewesene. Täglich vermeldet das Gesundheitsministerium über 10.000 Fälle. Die Kliniken füllen sich. Auf den Intensivstationen lagen am Dienstag 567 Patienten. Bisher galt, dass das Gesundheitssystem bis zu 500 Covid-Intensivpatienten problemlos verkraften kann, alles darüber ist auf Dauer nicht zu bewältigen. Die Situation in manchen Kliniken ist bereits jetzt so ernst, dass Patienten in andere Regionen verlegt werden müssen. In mehreren Altersheimen musste die Impfkampagne ausgesetzt werden, da Bewohner am Coronavirus erkrankt sind.

Waren bisher der Großraum Lissabon und der Norden des Landes am stärksten von der Pandemie betroffen, breitet sich die dritte Welle jetzt auch in Landesteilen rasend schnell aus, die lange als sicher galten.

Doch selbst mit den neuen Maßnahmen droht der Kollaps des Gesundheitssystems. Denn die Zahl der Einlieferungen von Covid-Patienten wird mindestens weitere zwei Wochen ansteigen. Manuel Carmo Gomes, Epidemiologe an der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität von Lissabon, prognostizierte auf der Infarmed-Sitzung, dass das Land in den nächsten zwei Wochen 14.000 tägliche Neuinfektionen erreichen wird. "Wir stehen vor den schwierigsten Wochen der Pandemie", warnte der Experte. Trotz des Lockdowns werde die Zahl der Todesfälle durch Covid-19 auf über 150 pro Tag steigen. Derzeit sind es zwischen 100 und 120 Todesfälle alle 24 Stunden. Insgesamt verstarben seit Beginn der Pandemie 7.925 Covid-Patienten. (Reiner Wandler, 12.1.2020)