Der Charme von Kochers Amt liegt darin, dass er viele verschiedene Ansätze kombinieren kann.

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Ein Experte zur Linderung der massiven Arbeitsmarktschmerzen kann nicht schaden. Mit Martin Kocher übernimmt ein in Makro- und Verhaltensökonomie bestens geschulter Fachmann das geschrumpfte Ministerium. Wirtschaftliche Zusammenhänge zu kennen und mit Themen wie Anreize oder Motivation zu verknüpfen kann in der aktuellen Lage nur helfen. Tatsächlich sollte die Regierung angesichts von einer Million Personen in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit vor allem eines tun: aus allen Rohren schießen.

Menschen ohne Beschäftigung finanziell unter die Arme zu greifen hilft nicht nur den betroffenen Individuen, sondern auch dem Konsum (wenn er wieder möglich ist), der wiederum Millionen Jobs sichert. Womit schon der erste Punkt angesprochen wäre, bei dem Kocher seine ablehnende Haltung überdenken sollte. Unter Türkis-Grün kam es zwar zu zwei Sonderzahlungen an Arbeitslose, doch diese Politik erweist sich nicht als nachhaltig. Die Bezieher müssen sich schon auf dauerhafte Erhöhungen einstellen können, will man eine Stabilisierung des privaten Verbrauchs erreichen.

Der Vorteil einer fixen Anhebung des Arbeitslosengeldes liegt zudem in seiner fixen Absenkung: Wer länger keinen Job findet, soll mit der Zeit stufenweise weniger Geld erhalten. Beschäftigung Suchende hätten somit am Anfang mehr Spielraum, qualitative oder einkommensmäßige Verschlechterungen abzulehnen. Stellt sich aber zunehmend heraus, dass es für das Arbeitsangebot keine Nachfrage gibt, wächst der Druck, andere Jobs anzunehmen. Kocher sollte am besten wissen, dass diese Anreizwirkung positiv wirkt.

Die Regierung wäre zudem gut beraten, weitere Rezepte auszuprobieren, auch wenn sie von der Opposition stammen. Die Aktion 20.000 beispielsweise, durch die ältere Langzeitarbeitslose einen geförderten Job erhielten, hat sich weitgehend bewährt. Ein Drittel blieb nach Auslaufen der Unterstützung in Beschäftigung. Wenn man die sonstigen Erfolgsquoten bei der Reaktivierung von Langzeitarbeitslosen bedenkt, ist diese Bilanz keine schlechte.

Doch die Arbeitsmarktpolitik sollte nicht isoliert – nach dem Motto: Der Staat schafft Jobs – betrachtet werden. Vielmehr gibt es gute Vorschläge aus nahezu allen politischen Richtungen. Kocher, der sich der Empirie verschrieben hat, kann somit einen ganzen Strauß an Maßnahmen zusammenstellen. Zu empfehlen wären dabei auch Änderungen bei der Zumutbarkeit der Jobannahme. Das würde die schon lange geforderte Mobilität am Arbeitsmarkt erhöhen und dazu führen, dass nicht in einem Bundesland jene Qualifikationen gesucht werden, die anderswo brachliegen. Bei Personen ohne Betreuungsverpflichtungen ist es schwer einzusehen, dass Versicherungsleistungen bezogen werden, obwohl ein aktives Einkommen möglich wäre.

Der Charme von Kochers Amt liegt darin, dass er viele verschiedene Ansätze kombinieren kann. Oder anders formuliert: das Beste aus allen Welten herauspicken kann. (Andreas Schnauder, 12.1.2021)