In einem Gastkommentar antwortet Christoph Schönborn auf Thaddäus Podgorski. Der frühere ORF-Generalintendant wunderte sich über die Corona-Impfung des Kardinals.

Lieber Teddy Podgorski! Dank meiner Zeitungslektüre habe ich mit freudiger Überraschung gemerkt, dass Sie mir einen Brief geschrieben haben, offenbar nicht per Post, aber per STANDARD (siehe "Es gibt ka Impfung net"). Gerne antworte ich Ihnen auf demselben Weg.

"Das gibt mir Mut, auch ich möchte mich impfen lassen." Podgorski, in einer Aufnahme aus dem Jahr 2015, im Gastkommentar.
Foto: Robert Newald

Tatsächlich erinnere ich mich immer noch dankbar an den Crashkurs in fernsehtauglichem Verhalten, den Sie vor fast 50 Jahren für junge Priester gehalten haben. Ich wählte damals als Präsentationsthema die meiner Ansicht nach unwürdige Menschenjagd bei Aktenzeichen XY ungelöst, ohne zu bedenken, dass Sie damals Studioleiter dieser Sendung waren. Sie haben mir trotzdem viel beigebracht. Und ich fand es nobel von Ihnen, dass Sie mir meine forsche Art nicht übelgenommen haben. Viel Zeit ist seither vergangen. Gelegentlich haben wir uns getroffen und auch gut miteinander sprechen können. So hätte es mich nicht überrascht, wenn Sie mich einfach angerufen hätten, um zu erfragen, wo ich denn geimpft worden bin. Sie haben den Gang in die Öffentlichkeit gewählt, wie ich es mit meiner Impfung getan habe. Und so bin ich eigentlich dankbar dafür, dass wir uns öffentlich über das Thema Impfung austauschen können, in der Hoffnung, doch einige Impfgegner überzeugen zu können, dass sie sich umstimmen lassen.

Warten und hoffen

Die Geschichte meiner Impfung ist rasch geklärt. Eine Geriatrieeinrichtung in kirchlicher Trägerschaft gehörte zu den Ersten, die den Impfstoff vor Jahresende erhielten. Rund 300 Bewohner sowie das Pflegepersonal inklusive Verwaltung und Vorstand wurden geimpft. Als Schirmherr dieser Einrichtung wurde auch mir die Möglichkeit angeboten, geimpft zu werden, falls Impfdosen übrig bleiben, was auch passiert ist. Nach einer Krebsoperation und einem schweren Lungeninfarkt bin ich dankbar, beides gut überstanden zu haben, lebe aber mit der Sorge vor einer möglichen Infektion. Daher habe ich dieses Angebot dankbar angenommen. Übrigens wurden bei dieser Impfaktion auch viele Mitglieder von Blaulichtorganisationen geimpft.

Lieber Teddy Podgorski, ich bin mir bewusst, dass sehr viele in unserem Land sehr auf die Impfung warten und hoffen. Was ich an diesem Tag im Geriatriezentrum erlebt habe, war alles andere als ein "die sogenannten Eliten in Sicherheit bringen". Da wurden vor allem vulnerable Menschen und solche, die ihnen in verschiedenster Weise beistehen, mit der Impfung bedacht. Und so ist es auch richtig und von der Regierung geplant.

"Ist es zulässig, ein Zeichen zu setzen, das einem auch selber etwas bringt? Oder ist das Heuchelei?"

Hätte ich auf diese Möglichkeit verzichten sollen? Das wäre vielleicht edler gewesen. Und dass es noch viele Menschen in unserem Land und weltweit gibt, die dringender den Impfschutz brauchen, ist sicher richtig. Ich glaube aber nicht, dass meine Impfung jemanden benachteiligt hat. Ich nehme Ihre Kritik ernst. Unsere Auseinandersetzung zeigt mir aber auch etwas Positives: Der "Impfneid" wächst! Neid ist zwar keine Tugend, aber er zeigt, dass Impfen ein begehrtes Gut ist. Das wissen Sie so gut wie ich. Und beide wissen wir, dass es keinen Weg aus der Pandemie gibt als die möglichst breite Impfung der ganzen Bevölkerung.

Ich habe in meiner Silvesteransprache die Impfung als "Silberstreif am Horizont" des neuen Jahres bezeichnet. Und angekündigt, dass ich mich auf jeden Fall impfen lassen will. Und andere dazu ermutigt. Hätte ich warten sollen? Das Dilemma ist altbekannt: Ist es zulässig, ein Zeichen zu setzen, das einem auch selber etwas bringt? Oder ist das Heuchelei? Dadurch, dass ich öffentlich meine Impfung bekannt gemacht habe, bin ich bewusst das Risiko eingegangen, dafür kritisiert zu werden. Andere Menschen von der Notwendigkeit des Impfens durch mein Vorbild zu überzeugen ist mir das allemal wert. (Christoph Schönborn, 13.1.2021)