10,8 Millionen Neuwagen wurden im Corona-Jahr 2020 in Westeuropa abgesetzt.

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Was Konsumzurückhaltung im realen Leben bedeutet, dafür liefert der Neuwagenmarkt in Westeuropa eindrucksvolles Anschauungsmaterial. Mit 10,8 Millionen Fahrzeugen wurden im Corona-Jahr 2020 um 3,5 Millionen weniger Pkws verkauft – so wenige wie seit 20 Jahren nicht. Das zeigt eine vom Car-Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen am Dienstag publizierte Analyse.

Selbst am absoluten Tiefpunkt des vergangenen Jahrzehntes, dem Höhepunkt der Euroschuldenkrise in den Jahren 2012 bis 2014, wurden mehr Personenkraftwagen abgesetzt als im ersten Jahr der Pandemie: 2013 stellte mit 11,554 Millionen abgesetzten Neufahrzeugen den bisherigen Tiefpunkt dar. Das Spitzenjahr 2001 mit 14,926 Millionen verkauften Fahrzeugen wurde selbst in der Hochkonjunktur 2006 nie wieder erreicht, nach der Finanzkrise war 2017 mit 14,329 Millionen Stück das stärkste Jahr.

So schlecht wie nie

Untersucht wurde der Neuwagenmarkt in insgesamt 18 westeuropäischen Staaten, darunter 14 EU-Länder plus Großbritannien, Island, Norwegen und die Schweiz. Das Fazit der Studienautoren rund um Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer: So schlecht wie 2020 war der westeuropäische Automarkt seit 20 Jahren nicht mehr. Selbst während der Weltfinanz- und Euroschuldenkrise wurden mehr Neuwagen verkauft.

Die wenig verheißungsvolle Nachricht: 2021 läuft mit Lockdowns in zahlreichen europäischen Ländern und geschlossenen Fabriken der Zulieferer kaum besser an. Die Autohersteller sitzen in ihren Fabriken auf Überkapazitäten. Dabei sei das wahre Ausmaß der Krise noch gar nicht absehbar, denn durch Kurzarbeitergeld und Umsatzersatz würden Überkapazitäten in Ländern wie Deutschland zugedeckt und verfälscht, warnt Dudenhöffer, der die Überkapazitäten auf vier Millionen taxiert

Briten, Spanier und Italiener

Die größten Absatzeinbrüche gab es erwartungsgemäß in den von der Pandemie am stärksten betroffenen Ländern: Die Briten kauften im Jahresvergleich um 29 Prozent weniger Autos, und in Spanien brach der Absatz um fast ein Drittel von 1,26 Millionen auf 851.000 Pkws ein. Italien liegt mit einem Minus von 28 Prozent knapp dahinter.

Im schlechten Mittelfeld krebsten Belgien, Deutschland Luxemburg, die Niederlande, Österreich und die Schweiz herum. In diesen Ländern gingen die Absätze zwischen 19 Prozent (Deutschland) und 24 Prozent (Österreich) markant zurück. Zu den großen Verlierern gehört insbesondere der neben Deutschland, Großbritannien und Italien wichtigste Absatzmarkt in der Europäischen Union: Den von Präsident Emmanuel Macron abwärts erfolgten patriotischen Kaufaufrufen zum Trotz brachen in Frankreich die Neuwagenverkäufe um ein Viertel auf 1,65 Millionen Stück ein.

Im Dezember Erholung?

Der Dezember singulär betrachtet zeigt leichte Erholungstendenzen, das Monatsminus in Westeuropa beläuft sich laut Car-Center bei einem Rückgang von 1,134 auf 1,092 Millionen Pkws auf lediglich 3,7 Prozent. Der spanische Automarkt scheint sich auf 106.000 abgesetzte Kfz stabilisiert zu haben, verkauft wurden gleich viele Pkws wie im Vorjahresmonat. In Irland, Norwegen und Dänemark hingegen ging es deutlich aufwärts, im Autoland Deutschland wurden dank Nachhol- und Jahresendspurteffekten um zehn Prozent mehr Autos abgesetzt als im Dezember 2019. In Frankreich und Italien betrug das Minus hingegen zwölf bzw. 15 Prozent. (Luise Ungerboeck, 13.1.2021)