In Nordirland hat Hersteller Nukeproof vorerst alle Lieferungen in die EU wegen des Brexits ausgesetzt.

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Die Corona-Pandemie hat Mountainbike-Herstellern einerseits Rekordumsätze beschert – doch mit zunehmender Dauer wirkt sich das globale Seuchengeschehen negativ auf die Produktionskette der Räder aus. Mit dem Jahreswechsel kam zu allem Überfluss auch noch der Abschied Großbritanniens aus dem gemeinsamen Markt unter dem Dach der Europäischen Union (EU) dazu. Die Krise scheint den Bike-Markt insgesamt aufzumischen.

Die wirtschaftlich vielleicht aufsehenerregendste Nachricht der Mountainbike-Szene kam kurz vor dem Jahreswechsel aus Koblenz. Der dort beheimatete Direktversender Canyon, der kurz nach der Jahrtausendwende aus der 1985 von den Arnold-Brüdern gegründeten Rad-Sport-Arnold GmbH hervorging, wechselte den Mehrheitseigner. Und so ist Canyon, der Rahmensponsor des Osttiroler Bike-Superstars Fabio Wibmer, fortan belgisch.

Hoffnungsmarkt auf zwei Rädern

Die Beteiligungsgesellschaft Groupe Bruxelles Lambert, auch Großaktionär von Adidas, hat sich zusammen mit Apple-Manager Tony Fadell, der an der Entwicklung des iPods beteiligt war, die Mehrheit an der Koblenzer Radlschmiede gesichert. Die vielversprechenden Wachstumsraten am Fahrradmarkt – Canyon wurden zuletzt bis zu 30 Prozent jährlich zugetraut – machen solche Deals erst möglich.

Doch es herrscht nicht nur Goldgräberstimmung. Die andauernde Pandemie sorgt immer öfter für Lieferengpässe. In den Onlineforen großer Bike-Medien berichten User von teils monatelangen Wartezeiten. Brancheninsider wissen von geradezu absurden Bieterduellen. So kauften Platzhirsche dem Vernehmen nach ganze Produktkollektionen ihrer Komponentenhersteller vorab, um sich ihre Lieferungen zu sichern. Aktuell seien sogar Schiffscontainer begehrte Mangelware, die teils gehamstert werde.

Brexit lässt Preise steigen

In Europa kam zudem mit dem Jahreswechsel der Brexit erschwerend hinzu. Wie die kanadische Bike-Plattform "Pinkbike" berichtete, haben einzelne Hersteller ihre Lieferungen aus oder nach Großbritannien aufgrund von Unsicherheiten in Zusammenhang mit dem EU-Austritt vorerst auf Eis gelegt. Sie begründen das mit eigenen Wartezeiten auf Teile, den strikten Hygienevorschriften in der Produktion und der enorm gestiegenen Nachfrage nach Rädern.

Für Aufregung sorgte in der Bike-Branche vor allem, dass im Zuge des Brexits die Definitionen für Räder, die als europäische oder eben nichteuropäische Produkte gelten, neu formuliert wurden. Mindestens 55 Prozent des Gesamtwertes des Produkts müssen in der EU oder Großbritannien hergestellt worden sein, um ohne Aufschläge zwischen den beiden Handelsräumen verkauft werden zu können. Das bedeutet für jene, die in Asien fertigen und in Europa zusammenbauen lassen – also die große Mehrheit –, Aufschläge.

Harte Zeiten für Radlkäufer

User, die Rechenbeispiele durchgeführt oder bereits Bestellungen getätigt haben, berichten von rund 18 Prozent Mehrkosten für den Endverbraucher. Gepaart mit Lieferengpässen und steigender Nachfrage heißt das für Bike-Fans, tiefer in die Tasche zu greifen oder vorerst auf Neuanschaffungen zu verzichten. (Steffen Arora, 13.1.2021)