"Lehrer" wurde noch nicht gegendert. Sucht man in der Onlineausgabe des Duden nach "Lehrerin", erklärt die Website sie als "weibliche Form zu Lehrer" und verweist zwecks Bedeutungsabklärung weiter auf ebenjenen, bei dem steht: "jemand, der an einer Schule unterrichtet". Anders ist es beim "Mieter". Aus der geschlechtsneutralen Erklärung "jemand, der etwas gemietet hat" wurde dort jüngst "männliche Person, die etwas gemietet hat". Die "Mieterin" ist analog eine "weibliche Person, die etwas gemietet hat".

Foto: Screenshot duden.de

Definierte der Duden bisher Lemmata wie "Arzt" als generisches Maskulinum, das eine Person unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht bezeichnet, ist damit nun Schluss. Wer "zum Arzt geht", besucht künftig laut Duden einen männlichen Doktor. 12.000 Berufs- und Personenbezeichnungen sollen bis Jahresende so adaptiert werden. Damit rüttelt nach feministischen und queeren Debatten nun der Duden als Hort der Rechtschreibung selbst am generischen Maskulinum. Denn diese Einträge heben die Trennung von grammatischem Genus und biologischem Geschlecht auf.

"Die männlichen Formen waren nie geschlechtsneutral", argumentiert der Duden sein Vorgehen in der deutschen Zeitung Die Welt. Linguisten sprechen dem Blatt gegenüber deshalb von einem "skandalösen" Schritt, "aktuellem Gender-Unsinn" und unken, der Duden versuche, "das generische Maskulinum zu dezimieren". Er habe sich ohne wissenschaftliche Grundlage den tobenden Debatten gebeugt.

Starker Druck

Auch für Christine Pabst hat der Duden einem Druck zu gendersensibler Sprache nachgegeben, der in Deutschland viel stärker sei als hierzulande. Nicht nur in den Communitys. Es gebe Landkreise, die für ihre Kommunikation Vorschriften hätten, die allen Sprachregeln zuwiderlaufen, so Pabst zum STANDARD. Pabst sitzt im Rat für deutsche Rechtschreibung und ist Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs. Wenn 2022 dessen nächste Auflage erscheint, wird in den Begriffserklärungen jedenfalls nicht "männliche Person, die" oder "weibliche Person, die" stehen. "Wir belassen es bei ‚Person‘, die deckt beides ab. Wie das Wort ‚jemand‘."

Für Pabst ist die Aktion übereilt. "Denn zuerst wird in der gesprochenen Sprache etwas verändert, und dann schlägt es sich in der geschriebenen nieder. In der Genderdebatte wollen viele den umgekehrten Weg gehen. Das widerspricht aber den Regeln, wie Sprachwandel passiert."

Vielen reicht "mitgemeint" nicht mehr

Seit einigen Jahrzehnten soll genau der aber beschleunigt werden. Dass "Frauen mitgemeint" sind, reicht den Kritikern des generischen Maskulinums nicht mehr. Wobei das insofern eine problematische Sicht ist, als das generische Maskulinum auch nicht zuerst Männer meint. "Räuber" etwa setzt sich zusammen aus dem Verbstamm "raub" und dem geschlechtsneutralen Substantivierungssuffix "-er" als Zeichen für den, der die Tätigkeit verrichtet. Es gibt zudem auch grammatisch feminine Formen erzeugende Suffixe (Rauf-erei).

Foto: Screenshot duden.de

Manche räumen ein, dass das generische Maskulinum klanglich trotzdem die Vorstellung von einem männlichen Akteur nahelegt. Könnte man also nicht die Grammatik zugunsten der Symbolik verschieben, wenn Sprache doch Wandel ist? Andererseits ist das generische Maskulinum von großem Wert hinsichtlich Sprachökonomie, Verständlichkeit und Allgemeingültigkeit von Aussagen. Weiß man etwa nicht, wer eine gefundene Sache verloren hat, kann man schlicht nach dem "Besitzer" suchen. Laut Duden müsste neuerdings "nach dem Besitzer oder der Besitzerin" gefragt werden. Das wäre eine Kommunikationserschwernis. Der Vorstoß ist auch heikel, weil Gesetze sich auf das generische Maskulinum stützen: Es gibt keine eigenen Paragrafen für "Täterinnen".

Pabst wundert sich trotz allem, dass der Schritt des Duden erst jetzt kam. Die Redaktion pflege schon lange besondere Gendersensibilität, etwa beim Genderstern. Wie Pabst es hält? Die Sprecher und deren Usus hätten solche Fragen zu entscheiden, sagt sie. Erst dann sei der Duden als deskriptives Instrument dran, es abzubilden. (Michael Wurmitzer, 14.1.2021)