Bobi Wine (rechts) ist der Kandidat der Jungen. Wines Wähler werden an Leib und Leben bedroht.

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Zumindest kann man Yoweri Museveni nicht vorwerfen, den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben. Schon Monate vor der heutigen Wahl warf sich der 76-jährige Präsident Ugandas immer wieder auf den Boden, um seinem Volk mit Liegestützen vor laufender Kamera seine Jugendlichkeit vorzuexerzieren. Außerdem nahm er mehrere Rapper in seinen Beraterkreis auf und ließ schließlich noch ein Musikvideo aufzeichnen, in dem er den südafrikanischen Welthit Jerusalema tanzte. Um Peinlichkeiten zu vermeiden, wurde der Staatschef darin allerdings von einer Zeichentrickfigur gedoubelt.

Das Ziel der Image-Verjüngungskampagne: seinen gefährlichsten Herausforderer zum Schweigen zu bringen. Die ugandische Bevölkerung ist durchschnittlich nicht einmal 16 Jahre alt – und von dieser will sich Museveni heute zum sechsten Mal ins höchste Amt des ostafrikanischen Staats wählen lassen.

Hoher Bekanntheitsgrad

Wenigstens in dieser Hinsicht hat es sein Gegenspieler leichter. Mit 38 Jahren ist Robert Kyagulanyi Ssentamu halb so alt wie der Dauerherrscher und muss zur Stärkung seiner Popularität im jugendlichen Volk keine Liegestützen machen. Unter dem Künstlernamen "Bobi Wine" ist der Popsänger schon seit Jahren selbst über die Landesgrenzen hinaus bekannt: Der in einem Slum der Hauptstadt Kampala aufgewachsene Oppositionskandidat gilt unter seinen Fans längst als der "Ghetto-Präsident". "Die junge Generation sehnt sich nach einem Wandel", weiß ihr meist mit einem roten Barett bedecktes Idol: "Und ich werde diesen Wandel in die Wege leiten."

Das mächtige Hindernis, das es dazu aus dem Weg zu räumen gilt, traut seiner Image-Verjüngung nicht ganz. Um sicherzugehen, dass ihm der Popstar nicht doch den Platz streitig macht, warf Museveni seinem Herausforderer jeden Knüppel in den Weg, den er in seinem Arsenal als Präsident und Chef der Streitkräfte ausfindig machen konnte. Als sich Bobi Wine Anfang November als Kandidat registrieren ließ, zogen Musevenis Ordnungshüter den Konkurrenten anschließend aus seinem Auto und warfen ihn in ein Polizeifahrzeug, wo sie ihn nach Kyagulanyis eigenen Worten auch folterten. Einen Monat später schoss ein Polizist in die Windschutzscheibe des Wahlkämpfers, kurz später wurde einer seiner Leibwächter von einem Polizeiauto überfahren. Schließlich endete der Popstar erneut hinter Gittern, dieses Mal warf ihm die Polizei Verstöße gegen die Corona-Regeln vor. Zigtausende seiner Fans gingen daraufhin auf die Straße: Die Polizei setzte außer Tränengas und Schlagstöcke auch scharfe Munition ein und tötete innerhalb von zwei Tagen mehr als 50 Menschen.

Museveni will seinen Widersacher vermutlich nicht für immer ausschalten, doch zumindest soll ihm eine unvergessliche Lektion beigebracht werden: dass man den seit 36 Jahren regierenden Ex-Rebellenchef nicht ungestraft herausfordert und dass Museveni mit dem zierlich gebauten Popstar nach Belieben umspringen kann. Kurz vor der Abstimmung drohte Ugandas Polizeichef den jungen Fans des Popstars: Sollten sie sich zu Protesten zusammenrotten, würden sie "den Tag ihrer Geburt bereuen". Die Polizei habe "das Recht, jeden zu erschießen, der sich unterhalb eines gewissen Anstandsniveaus" bewege, setzte der Sicherheitsminister noch drauf. Bobi Wine rief die Außenwelt auf, auf Uganda zu schauen: "Wir wollen nicht im Dunkeln niedergemetzelt werden."

Korruption der Elite

Der Barde der arbeitslosen Ghetto-Jugend singt schon seit zwei Jahrzehnten gegen das sich zunehmend verhärtende Regime an: gegen die Korruption der Elite, den sozialen Stillstand, die Brutalität der Sicherheitskräfte, die Aussichtslosigkeit. 2017 wandte sich der Sänger auch förmlich der Politik zu: Er kandidierte für einen Sitz im Parlament, den er auf Anhieb und mit haushoher Mehrheit eroberte. Kyagulanyi wurde verhaftet und im Gefängnis misshandelt.

Uganda ist heute ein typischer Patronage-Staat, der von den Funktionären der sich noch immer "Nationale Widerstandsbewegung" nennenden Regierungspartei wie ein Fürstentum beherrscht wird. Kaum ein Kenner der politischen Landschaft Ugandas geht davon aus, dass Bobi Wine den Urnengang für sich entscheiden kann. Die Opposition war zum Stimmenfang fast ausschließlich auf die sozialen Netzwerke angewiesen: Und die wurden kurz vor dem Urnengang auch noch gekappt. (Johannes Dieterich, 14.1.2021)