Der alte Fuchs zählt die Stimmen. In Slowenien versucht der langjährige Politiker und Chef der Pensionistenpartei DeSUS Karl Erjavec ausreichend Unterstützung im Parlament sicherzustellen, um die Regierung unter dem Rechtspopulisten Janez Janša, der er bis vor kurzem selbst angehörte, per Misstrauensvotum zu stürzen.

Doch selbst in der eigenen Partei folgen ihm nicht alle. Erjavec, der den Kurs von Janša nicht mehr mittragen wollte und vor einem Monat aus der Regierung austrat, hat nur vier der fünf DeSUS-Abgeordneten hinter sich. Morgen, Freitag, wird er das Misstrauensvotum einbringen. Kommende Woche wird abgestimmt. Insgesamt braucht er 46 der 90 Parlamentarier.

Bislang haben erst 43 Abgeordnete von liberalen und linken Parteien ihre Stimme zugesagt. Entscheidend wird sein, ob Erjavec in den kommenden Tagen drei Abgeordnete der Mitte-rechts-Partei SMC überzeugen kann. Wichtig könnten auch die beiden Minderheitenvertreter im Parlament sein. Es bleibt also sehr spannend.

Karl Erjavec will die "Denormalisierung" Sloweniens stoppen.
Foto: EPA / Daniel Kasap

Erjavec will Regierungschef einer "Koalition des Verfassungsbogens", kurz KUL genannt, werden – eine Bezeichnung, die sich am Begriff "cool" anlehnt. Aber selbst er ist nicht sicher, dass ihm das gelingt.

Kein Geld für Journalisten

Sein Gegenspieler Janša ist hingegen überzeugt, dass er selbst bis zur nächsten regulären Wahl 2022 an der Macht bleibt, er spricht von "business as usual". Der Opposition sei nur daran gelegen, die Pandemie-Maßnahmen der Regierung zu unterlaufen. Janša ist ein Anhänger von Donald Trump, ein enger Verbündeter von Viktor Orbán, der aus Slowenien am liebsten ein kleines Ungarn machen würde, und er zieht gegen freie Medien zu Felde.

Seit Oktober letzten Jahres wurden etwa den Mitarbeitern der staatlichen Nachrichtenagentur STA keine Gehälter mehr ausgezahlt. Janša versucht so, die Journalisten an die Kandare zu nehmen. Der slowenische Journalistenverband (DNS) kritisierte, es handle sich um einen weiteren Versuch, die nationale Presseagentur zu zerstören, und zog Parallelen mit Ungarn. Janšas Partei SDS liegt in den Umfragen nach wie vor an der ersten Stelle, sie gewann auch die Wahlen im Jahr 2018. Doch Janša ist in Slowenien unbeliebt, er kommt nur auf Platz 16 im Politikerranking.

In dem Misstrauensvotum gegen ihn wird vor allem das schlechte Pandemiemanagement angeführt. Slowenien hat – ganz ähnlich wie Österreich – sehr viele Todesfälle zu verzeichnen. Erjavec wirft dem Premier auch vor, gegen grundlegende Prinzipien der Verfassungsordnung, wie die Gewaltenteilung, die Achtung unabhängiger Institutionen und die Medienfreiheit, verstoßen zu haben.

Der langjährige Außenminister, überzeugte Europäer und Vertreter westlicher Werte sieht durch Janša auch "die außenpolitische Position Sloweniens in der EU, in der Nato und in der internationalen Gemeinschaft grundlegend gefährdet". Erjavec meint, er wolle die Denormalisierung des Landes stoppen, Slowenien gehöre zu den Kernländern der EU. "Wir sehen Ungarn, Polen und dergleichen nicht als unsere Hauptpartner", fügte er hinzu.

Für Aufsehen sorgte jüngst, dass die Richterin Urška Klakočar Zupančič zurücktreten musste, weil sie in einer privaten Facebook-Gruppe Kritik an Janša geäußert hatte. So schrieb die Juristin aus Ljubljana, dass sie hoffe, dass die Ära Janša am Ende nur eine "bittere Erinnerung" sein werde. Den Premier bezeichnete sie als "großen Diktator" und "frustrierte Person mit krimineller Vergangenheit". (Adelheid Wölfl, 13.1.2021)