Wer Shakespeares "Hamlet" zitiert, sollte die Quelle klar ausweisen.

Die jüngsten Diskussionen rund um Plagiatsvorwürfe gegen die frühere Arbeitsministerin Christine Aschbacher werfen unter anderem auch viele Fragen zum Zitatrecht auf. Was ist ein Zitat eigentlich? Was darf man zitieren, und welche Vorgaben sind dabei einzuhalten? Und wo liegen die Grenzen des Zitatrechts?

Ein Zitat ist im Wesentlichen die Nutzung eines fremden urheberrechtlich geschützten Werks, ohne dabei dessen Urheber oder Rechteinhaber um Erlaubnis fragen zu müssen. Am häufigsten kommen Zitate bei der Verwendung fremder Texte zum Einsatz, doch auch Fotos, Musikstücke, Filme und sonstige Werke lassen sich zitieren. Allerdings sind dabei stets die vom Gesetz und der Rechtsprechung herausgearbeiteten Zitationsregeln zu beachten. Wer aber glaubt, dass es dabei nur auf das Setzen von An- und Ausführungszeichen ankommt, der irrt. Was auf den ersten Blick so klar und einfach erscheint, ist im Detail komplex und hat die Gerichte bereits in vielen Fällen beschäftigt.

Was einfach erscheint, ist im Detail komplex

Die erste Voraussetzung, um ein fremdes Werk zitieren zu dürfen, ist relativ klar: Das zitierte Werk muss bereits veröffentlicht worden sein, denn schließlich entscheidet nur der Urheber, ob und wann sein Werk der Allgemeinheit zugänglich sein soll.

Die zweite Voraussetzung für ein einwandfreies Zitat ist dessen Erkennbarkeit. Man muss das Zitat also etwa durch An- und Ausführungszeichen oder entsprechende Angabe kenntlich machen und eine Quelle, also Name oder Künstlerbezeichnung und – sofern vorhanden – Werktitel angeben.

Schon hier verstecken sich die Tücken im Detail. Wie zitiert man zum Beispiel, wenn man etwa Romanzitate in einer Literatursendung verliest? Die Antwort: Jedenfalls im Rahmen der Sendung durch entsprechende akustische Klarstellung. Was, wenn die Quelle trotz angemessener Recherche nicht bekannt ist? Dann geht es auch ohne Nennung der Quelle, solange das Zitat als solches ersichtlich bleibt – etwa durch die Kennzeichnung "Urheber unbekannt". Und genügt es, in einem Fotosammelband die Quellen gesammelt am Ende aufzulisten, oder muss die Quelle direkt bei jedem Foto angeführt werden? Antwort: Eine Auflistung am Buchende genügt, sofern eine zweifelsfreie Zuordnung zu den einzelnen Fotos gewährleistet ist.

Es darf kein Selbstzweck sein

Die dritte Voraussetzung betrifft den Zitatzweck. Ein Zitat darf sich nicht auf den bloßen Selbstzweck beschränken. Vielmehr muss man sich mit dem zitierten Werk inhaltlich auseinandersetzen. An einer solchen Auseinandersetzung mangelt es, wenn man beispielsweise einen gesamten Roman kopiert und mit Anführungszeichen und Quellenangabe ohne Zustimmung des Autors oder des Verlags veröffentlicht.

Doch bedeutet dies, dass man in keinem Fall ganze Werke zitieren darf? Mitnichten. Geht es etwa um die textliche Beschreibung der Maltechnik eines Künstlers, ist dazu natürlich auch die beispielhafte Wiedergabe ganzer Gemälde erlaubt. Auch Parodie und Kritik stellen zulässige Zitatzwecke dar. Der Umfang des Zitats orientiert sich dabei stets am konkreten Zitatzweck. Wo es für die Erreichung des Zitatzwecks ausreicht, lediglich Werkteile zu zitieren, dürfen keine ganzen Werke zitiert werden. Umgekehrt dürfen auch ganze Werke wiedergegeben werden, wenn dies für die Zweckerreichung notwendig ist.

Auch Grundrechte spielen eine Rolle

Die vierte Voraussetzung betrifft eine Abwägung von Grundrechten und ist eng mit dem Zitatzweck verwoben. Ein fremdes Werk nicht wie gewünscht zitieren zu dürfen, stellt – vor allem im Rahmen des öffentlichen Diskurses – stets auch eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit dar. Die bloße Befriedigung von Neugier oder Sensationslust ist dabei allerdings nicht schützenswert. In diesem Sinn ist etwa bei der Nutzung ganzer Fotos im Rahmen redaktioneller Berichterstattung von Zeitungen stets zu fragen, ob damit ein Artikel lediglich zwecks Erhöhung der Aufmerksamkeit illustriert werden soll.

Ein schönes Beispiel aus der Praxis brachte die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Magazin "Spiegel" und "Heute". Die Tageszeitung kritisierte in einem Artikel in reißerischer Art den Umgang der Polizei mit einer Radfahrerin und die Höhe der verhängten Geldstrafe, weil diese zwei Sekunden zu Früh bei Rot eine Straße überquert hatte. Diesen Artikel garnierte die Redaktion mit einem Foto jener Radfahrerin. Unter Wiedergabe jenes Fotos kritisierte der "Spiegel" die mangelnde Transparenz des Artikels, da es sich bei der abgebildeten Radfahrerin um die eigene Chefredakteurin von "Heute" handelte und dieser Umstand im Artikel nicht offengelegt wurde.

Natürlich hätte der "Spiegel" das Foto im kritisierenden Artikel lediglich verbal beschreiben können, doch gerade das von "Heute" selbst veröffentlichte Foto der Radfahrerin belegte den Kritikpunkt. Eine bloße Beschreibung in Worten hätte dieses Ziel nicht im gleichen Ausmaß erreichen können. Der "Spiegel" erhielt vor Gericht recht.

ÖVP retuschierte Foto

Die fünfte und letzte Voraussetzung setzt der Zitierfreiheit dort Grenzen, wo sie zur maßgeblichen Aushöhlung des wirtschaftlichen Werts des zitierten Werks führen würde. Auch dazu gibt es ein einen Gerichtsfall. Ein Foto, das zwei ÖVP-Politiker vor einem an der Wand hängenden Foto einer Raucherin zeigt, retuschierte die ÖVP im Rahmen ihres Social-Media-Auftritts so, dass im Hintergrund statt der Raucherin das Foto einer Naturkulisse zu sehen war. Darüber berichtete der Parlamentsklub der Liste Pilz unter Wiedergabe beider Hintergrundbilder.

Der Rechteinhaber des Fotos der Naturkulisse klagte auf Unterlassung, weil es seiner Meinung nach genügt hätte, diesen Umstand ohne Fotowiedergabe zu beschreiben. Die Liste Pilz berief sich jedoch zu Recht auf das Zitatrecht. Auch der Oberste Gerichtshof konnte nicht erkennen, wie mit der beanstandeten Veröffentlichung der wirtschaftliche Wert des zitierten Fotos in einer für den Rechteinhaber ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt werden könnte.

Wer fremde Werke zitiert, ist somit gut beraten, dabei die umfassenden Regeln zum Zitatrecht einzuhalten. Andernfalls kann es rasch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. (Sascha Jung, 14.1.2021)