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Matteo Renzi im Parlament.

Foto: REUTERS/ALBERTO LINGRIA

Mitten in der Covid-Pandemie, mitten im schlimmsten Gesundheitsnotstand seit dem Bestehen der italienischen Republik eine Regierungskrise anzuzetteln: Was am Mittwoch in Rom passierte, wirkt nur noch absurd und surreal. Die meisten Italiener haben derzeit andere Probleme: Millionen von ihnen droht der Abstieg in die Armut, zehntausende von Betrieben stehen vor dem Aus. Und etliche EU-Partner dürften sich allmählich fragen, ob es denn tatsächlich sinnvoll sei, Italien Wiederaufbauhilfen im Umfang von sagenhaften 209 Milliarden Euro zu gewähren.

Die politische "Elite" Italiens hat in diesen Tagen wieder einmal ihre bekannten Mängel und Grenzen offenbart: chronische Realitätsferne, Selbstbezogenheit, weitgehend fehlender Sinn für das Gemeinwohl, in Kombination mit einem offenbar unbezwingbaren Hang zur Personalisierung und zum Melodrama. Beim Showdown zwischen dem früheren und dem aktuellen Premier, zwischen Matteo Renzi und Giuseppe Conte, ging es zwar vordergründig auch um Inhalte – aber letztlich hat es sich von Beginn weg um einen Hahnenkampf zwischen zwei eitlen Leadern gehandelt, die sich selber für unersetzlich halten.

Allerdings: Es wäre verkürzt, den Bruch allein auf die persönlichen Eitelkeiten und Animositäten zwischen Renzi und Conte zurückzuführen. Die politische Krise in Rom ist letztlich auch die Folge der Zerstrittenheit und der ideologischen Gegensätze innerhalb der Koalition aus Fünf-Sterne-Protestbewegung und ihren drei linken Juniorpartnern PD, IV und Leu. Die Regierung war im September 2019 nur aus der Taufe gehoben worden, um die von Lega-Chef Matteo Salvini angestrebten Neuwahlen und dessen Marsch an die Spitze der Regierung zu verhindern. Ein gemeinsames Projekt, eine gemeinsame Vision für Italien haben die Koalitionspartner nie entwickelt.

So gesehen könnte die irrwitzig anmutende politische Krise – sofern sich Renzis gestriger Austritt aus der Regierung am Ende nicht als Sturm im Wasserglas herausstellen wird – sogar noch zur Chance für Italien werden: Dann nämlich, wenn sich unter der Regie von Staatspräsident Sergio Mattarella die Parteien ihrer Verantwortung für das Land bewusst würden und Hand böten zu einer Regierung der nationalen Einheit, möglicherweise unter der Führung eines anerkannten Experten wie Ex-EZB-Chef Mario Draghi. Die Herausforderungen, die in den kommenden Wochen und Monaten auf das Land warten, wären groß genug. (Dominik Straub, 13.1.2020)