Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) kann sich eine Großbestellung von Selbsttests auch für die Unis vorstellen. Aktuelle Bitten der Hochschulen gebe es dazu aber nicht.

Foto: Matthias Cremer

Erst Schließung, dann Öffnung, dann doch nicht. Womöglich Teilöffnung oder gar Ferienverlängerung? Über neue Modelle für die Schulen wird fast täglich diskutiert, die meisten werden zum Ärger der Betroffenen bald nach ihrer Verkündung wieder über den Haufen geworfen. Zu den Unis wird dagegen nicht einmal mehr viel verkündet – dabei haben die meisten Studierenden seit fast einem Jahr keinen Hörsaal mehr von innen gesehen, der Präsenzbetrieb ist stark abgespeckt. Auch der für seine fragilen Schulpläne vielkritisierte Heinz Faßmann (ÖVP) wird öffentlich selten in seiner Funktion als Wissenschaftsminister wahrgenommen, in dieser Rolle immerhin verantwortlich für mehr als 50 Hochschulen und rund 400.000 Studierende.

Eintrittstests an Unis?

Längst scheint angesichts der Pandemie klar, dass auch im Sommersemester keine großen Veranstaltungen vor Ort stattfinden werden. Doch wären vielleicht Eintrittstests für kleinere Seminargruppen eine Option, um wenigstens ein bisschen Uni-Feeling zurückzubekommen? Faßmann ist der Idee nicht grundsätzlich abgeneigt, das liege aber letztlich an den Hochschulen und ihrer Hausordnung, sagt er zum STANDARD. Die Nasenbohrer-Selbsttests, von denen die Schulen nun fünf Millionen Stück bekommen sollen, seien jedenfalls sinnvoll. "Wenn die Unis Interesse haben und an das Ministerium herantreten, kann ich mir auch eine konzertierte Beschaffungsaktion vorstellen." Konkrete Gespräche gebe es momentan aber nicht.

Sehr konkret sind hingegen die türkis-grünen Pläne zur Uni-Reform, am Freitag endet die Begutachtungsfrist der Novelle. Jüngst gab es in mehreren Städten Demonstrationen gegen das neue Gesetz, auch vor dem Ministerium am Wiener Minoritenplatz.

Am Dienstag organisierte die Initiative "Bildung brennt" Protestaktionen gegen die UG-Novelle in mehreren Uni-Städten.
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ÖH-Chefin Sabine Hanger von der Aktionsgemeinschaft qualifizierte die vornehmlich linken Aktivisten sogleich als "unverantwortlich" ab und begründete ihre Attacke mit einer Infektionsgefahr durch die Versammlungen. Faßmann will seine Quasi-Parteikollegin zwar nicht kritisieren, betont aber: "Das Recht auf Demonstrationen ist ein hohes Gut und Ausdruck der Meinungsfreiheit. Solange die Hygienevorschriften eingehalten werden, ist das auch jetzt in Ordnung."

Furcht vor Karriereende

Mit auf den Demos waren junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Sie fürchten Nachteile durch die Neuregelung des berüchtigten Paragrafen 109, der sich um Kettenverträge dreht. Ein Großteil des wissenschaftlichen Personals und der Lektorenschaft hantelt sich mit aufeinanderfolgenden befristeten Verträgen – teils bloß semesterweise – an der jeweiligen Uni durch. Künftig soll eine maximale Gesamtdauer einer solchen Kette acht Jahre betragen. Wer danach nicht fix angestellt wird, dürfte nicht mehr weitermachen, denn neuerliche befristete Verträge an derselben Uni wären unzulässig. Im Endeffekt führe das zu einem Berufsverbot für viele Wissenschafter, glauben Kritiker. Der Minister gibt sich hingegen mit dem neuen Ansatz durchaus zufrieden:

Faßmann: Bei der Kettenvertragsregelung geht es um eine Balance zwischen zwei Polen: Wäre gar keine befristete Verlängerung möglich, hätten Nachwuchsforscher kaum Chancen, sich überhaupt an ihrer Institution zu profilieren. Wenn es hingegen zu viele Verlängerungsoptionen gibt, hält man die Menschen zu lange in Unsicherheit. Ich halte es für einen Akt der biografischen Verantwortung, dass sich die Unis nach einer gewissen Zeit gegenüber ihren Mitarbeitern deklarieren.

STANDARD: Die Unis könnten diese Verantwortung ja auch jetzt schon wahrnehmen und mehr Stellen entfristen. Welche Anreize haben sie künftig, die sie nicht jetzt schon haben?

Faßmann: Die Neuregelung sagt den Unis, dass sie sich nach acht Jahren – das Doktorat zählt nicht dazu – festlegen müssen, ob sie einen dauerhaften Vertrag hergeben oder nicht.

STANDARD: Viele Betroffene befürchten, dass die Unis nur wenige Menschen fix einstellen werden. Wie hoch schätzen Sie den Anteil derer ein, die nach der Maximaldauer entfristet werden?

Faßmann: Das ist schwer vorherzusagen und hängt natürlich auch von den Ressourcen und Stellenplänen der jeweiligen Hochschulen ab. Es wird Aufgabe der Rektorate sein, eine Balance zwischen Flexibilität und Dauerhaftigkeit zu finden. Das Ziel, dass jeder einen unbefristeten Vertrag hat, ist nicht sinnvoll, das wissen wir aus der Vergangenheit. Denn wenn alle Stellen fix besetzt werden, hat die nachfolgende Generation überhaupt keine Chancen mehr auf einen Einstieg in das System.

Aufschub der ECTS-Hürde möglich

Zentrales Thema unter Studierenden ist die geplante Mindeststudienleistung. 24 ECTS-Punkte müssen künftig binnen der ersten vier Semester eines Studiums erlangt werden, sonst droht die Exmatrikulation samt zehnjähriger Sperre. Besonders hoch ist die Hürde nicht, für einen Abschluss in der Mindestzeit braucht man 30 ECTS in jedem Semester. Für Studierende, die hauptsächlich arbeiten oder ein Studium aus anderen Gründen einfach mal schleifen lassen wollen, stellt die Maßnahme dennoch eine Verschärfung dar. Laut Regierung soll die ECTS-Pflicht verhindern, dass man sich für Studien einschreibt, danach aber jahrelang wenig bis gar nicht teilnimmt. "Ein Viertel der Studienanfänger ist bereits in der STEOP 'No-Shows'", wie Faßmann unter Berufung auf eine neue IHS-Erhebung anführt.

Gegner der Mindestleistung argumentieren etwa, dass inaktive Studierende die Unis kaum etwas kosten, das Problem also ökonomisch vernachlässigbar sei. Konkrete Berechnungen zu den Kosten von Karteileichen sind auch aus dem Ministerium nicht zu erhalten. Manche Unileitungen argumentieren allerdings, dass die Unsicherheit über die Zahl aktiver Studierender die Planungen der Lehrveranstaltungen erschwert und somit zusätzliche Arbeitszeit mit sich bringt.

Laut Gesetzesentwurf soll die 24-ECTS-Hürde ab dem Wintersemester 2021 gelten, doch fix ist das offenbar nicht:

STANDARD: Die Verschärfung würde gleich jenen Jahrgang treffen, der durch mehr als ein Jahr Corona-Schule ohnedies genug Probleme hatte. Ist das klug?

Faßmann: Der Termin für Veränderungen ist oftmals unpassend, wenn man betroffen ist. Diesen Kritikpunkt werden wir uns daher noch genau ansehen. Es gibt aber nicht nur eine "Verschärfung", sondern auch Vorteile für jene Studierende, die bereits mehr als 100 ECTS-Punkte gesammelt haben. Diese werden etwa bei der Aufnahme in Seminare bevorzugt, wenn sie ein Learning-Agreement mit der Uni abschließen.

STANDARD: Viele Studierende haben mehr als 100 ECTS-Punkte: Bekommen sie alle die Vorzüge, oder braucht man einen bestimmten Notenschnitt?

Faßmann: Nein. Alle, die das möchten, können diese Vereinbarung abschließen. Da geht es einfach um ein beiderseitiges Commitment. Wenn jemand schon weit fortgeschritten ist, soll ihm die Uni auch helfen, zügig abschließen zu können.

Machtverlust der Senate rechtlich geprüft

Mit der UG-Novelle soll auch eine – für Faßmann "geringfügige" – Kompetenzverschiebung an den Unis Einzug halten. Besonders heiß wird die Entmachtung der Senate bei Verlängerung eines Rektors auf eine zweite vierjährige Amtszeit diskutiert. Künftig soll eine Zustimmung der (zur Hälfte von der Regierung, zur Hälfte vom Senat ausgesuchten) Universitätsräte für die erste Wiederbestellung eines Rektors reichen. Doch in den Senaten sind Professoren, der Mittelbau und Studierende vertreten, ihre demokratische Mitbestimmung bei der Rektorswahl ist durch die Verfassung garantiert, monieren namhafte Fachleute. Faßmann sagt dazu, die Juristen seines Hauses hätten den Vorschlag zunächst goutiert: "Wir würden auch nichts hineinschreiben, das wir bewusst für verfassungswidrig halten." Man werde die Bedenken aber sicherlich in den kommenden Wochen prüfen. An der grundsätzlichen Machtbalance zwischen den universitären Leitungsgremien werde sich nichts ändern, meint der Minister.

Doch wessen Idee war es eigentlich, dass Rektoren bequemer verlängert werden können? Selbst die Universitätenkonferenz (Uniko) als Vertretung der Rektorenschaft spricht sich gegen den neuen Wahlmodus aus.

Faßmann: Es gab Anregungen aus der Praxis, wo gesagt wurde, dass man Rektoren die Chance geben soll, einen längerfristigen Reformprozess anzustoßen. Das kann schwieriger sein, wenn man viele Stimmen gegen sich hat. Die erleichterte Verlängerung soll dem Rechnung tragen.

Doch stärkere Barriere für Politiker

An welchen Schrauben bis zum Beschluss der Reform im Parlament noch gedreht wird, lässt der Wissenschaftsminister großteils offen. Nur eine Politisierung der Universitätsräte will er sich nicht nachsagen lassen und verspricht eine Änderung. Der aktuelle Text sieht nämlich vor, dass die Unvereinbarkeitsregeln für Gemeindepolitiker gelockert werden. So könnte etwa der Grazer Bürgermeister theoretisch Mitglied eines Grazer Universitätsrates werden: Faßmann erklärt dazu nun: "Das kommt so nicht. Meine Absicht ist, die Politik aus den Uniräten herauszuhalten." (Theo Anders, 15.1.2021)