Im Gastkommentar geht Hellmut Butterweck, früherer Wissenschaftsredakteur und Theaterkritiker, auf jenen Punkt ein, der Donald Trump den Erfolg brachte.

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Mit der Botschaft, dass Arbeitsplätze nicht abwandern dürfen, schaffte er es 2016 zum Wahlerfolg: Trump im August des Vorjahres in einer Waschmaschinenfabrik in Ohio.
Foto: Reuters / Joshua Roberts

Der Ausspruch der Oscar-Preisträgerin und studierten Sinologin Mira Sorvino, Donald Trump sei nun völlig der wahnsinnige König geworden, trifft ins Schwarze. Sie kennt ihren Shakespeare, und was die Vereinigten Staaten von Amerika in diesen Tagen erleben, ist eine Tragödie von Shakespeare’schen Ausmaßen.

Es passt ins Bild des wahnsinnigen Königs, dass der scheidende US-Präsident nicht nur Unsinn geredet, sondern auch einmal eine Einsicht von sich gegeben hat. Sogar eine, mit der er vier Jahre später noch immer seiner Zeit voraus ist. Erinnern wir uns daran, wo er 2016 die Stimmen gewann, die ihm zur hauchdünnen Mehrheit verhalfen. Es war in den abgehängten, einst florierenden Städten des Rust Belt, des Rostgürtels. In Detroit und wie sie alle heißen, kam er mit seiner Botschaft, es könne nicht sein, dass die Arbeitsplätze nach China abwandern und in den USA fehlen, so gut an, dass es zur Präsidentschaft reichte.

Mit dem Instinkt des Volkstribuns

Ohne diesen Wahlkampf-Trumpf Trumps wäre im November 2020 Hillary Clinton zur Wiederwahl gestanden und den USA und der Welt wäre viel erspart geblieben. Es kam, wie es nicht kommen durfte – er gewann. Und Donald Trump wäre nicht Donald Trump, wenn er auch nur einen Augenblick daran gedacht hätte, aus seinem Wahlkampfslogan etwas Positives zu machen. Er hatte mit dem Instinkt des Volkstribuns eine Stimmung erfasst und benützt. Er reizte China ein bisschen, damit man ihm nicht nachsagen konnte, er halte seine Versprechen nicht, und das war es dann auch schon. China kam ihm auch als neues Feindbild gelegen, denn Wladimir Putin, der ihm mit seinen Hackern im Wahlkampf geholfen hatte, reizte er doch lieber nicht zu sehr.

Das alles ändert aber nichts daran, dass Trump einen mächtigen Bann brach, als er die Globalisierungskritik faktisch ins Zentrum seines Wahlkampfes rückte und damit auch noch Erfolg hatte. Die Wähler in den einst blühenden, entindustrialisierten Landschaften entschieden sich ihren vitalen Interessen entsprechend einfach für den Mann, der ihnen versprach, die Arbeit ins Land zurückzuholen und Amerika wieder groß zu machen. Dass so viele noch immer an ihn glauben, spricht nicht für Trump, sondern für die Unwissenheit vieler Millionen von US-Amerikanern infolge eines elitären Bildungssystems. Und es spricht gegen eine Wirtschaftsordnung, die Arbeit dort schafft, wo sie am billigsten ist, und nicht dort, wo sie gebraucht wird, um Kaufkraft für alle und nicht nur für die "Besserverdienenden" zu schaffen.

Ein Unglück für die USA

Darum ist es schade, dass so wenig nach den tieferen Gründen für Trumps Wahlerfolg gefragt wurde. Dies ist wohl nicht zuletzt seiner ungeschlachten Art und der Tatsache zuzuschreiben, dass er zwar mit einer seiner Aussagen richtig lag, sein Sieg aber trotzdem ein Unglück für die USA und für die ganze Welt war. Der Frust und der Zorn, die Trump zu seinen Gunsten ausnützte, breiten sich nicht nur in Amerika aus.

Die Abwanderung der Arbeit aus den alten Industriestaaten in die Niedriglohnländer ist nur eine Folge der Überglobalisierung, aber die für breite Schichten fühlbarste. Die Überglobalisierung lebt nicht zuletzt von den niedrigen Transportkosten. Die aber sind ökologisch gigantische, in die Zukunft verschobene Kosten, weil uns die Unmengen des von den Containerfrachtern verfeuerten Schweröls dem Point of no Return des Klimawandels näherbringen.

Globale Fehlentwicklung

Die Überglobalisierung beschleunigt durch die Zunahme des Luftverkehrs die Ausbreitung von Infektionen und begünstigt damit die Entstehung von Pandemien. Sie führt zur Konzentration von immer mehr Produktion an immer weniger Standorten und zur Entstehung ökonomischer Erosionszonen. Menschen, die in solchen Ländern keine Zukunft mehr sehen, suchen ihr Glück in Europa und den USA und heizen dort die Fremdenfeindlichkeit und den Rechtspopulismus an. Nur wenn Produktion und damit Arbeit in diese Länder zurückkehren, werden auch die Menschen in ihre Heimat zurückkehren.

Billige Patentrezepte gegen die globale Fehlentwicklung gibt es nicht. Trotzdem ist es höchste Zeit, sie auf die politische Agenda zu bringen. Dass es sich sehr wohl auch politisch lohnen kann, dies zu tun, hat Trumps schrecklicher Wahlsieg gezeigt. Dass damit eine Eigendynamik in Gang gesetzt würde, die auch zu Lösungsansätzen führt, ist zwar "nur" eine Hoffnung, aber keine ganz unrealistische. (Hellmut Butterweck, 15.1.2021)