Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereitet neue Maßnahmen vor, der Lockdown wird nur schrittweise zurückgefahren.

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Geschlossene Geschäfte auch nach dem 24. Jänner? Noch finden diesbezüglich Gespräche statt.

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Wien – Die Regierung wird am Freitag mit den Landeshauptleuten und den Sozialpartnern beraten und am Wochenende verkünden, wie es weitergeht. Dass der Lockdown, wie ursprünglich angekündigt, am 24. Jänner ohne weitere Maßnahmen beendet wird, kann ausgeschlossen werden. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verwies am Donnerstag auch auf die Gefährlichkeit der Corona-Mutation B.1.1.7, die in Österreich offenbar schon weiter verbreitet ist als bisher angenommen. Der Handel könnte in kleinen Schritten wieder hochgefahren werden, FFP2-Masken dürften in vielen Bereichen verpflichtend werden, die Abstandsregeln werden noch einmal verschärft werden. Wie es mit den Schulen weitergeht, steht noch nicht fest. Der 25. Jänner für die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts sei nur ein Zieldatum, aber angesichts der aktuellen Entwicklung nicht fix. Gastronomie und Hotels dürften erst schrittweise aufgemacht werden. Um welche Lockerungen heute gerungen wird, lesen Sie im Überblick.

Neuinfektionszahlen weiter hoch

Trotz eines bereits seit Wochen anhaltenden Lockdowns mit Ausgangsbeschränkungen, geschlossenem Handel und Gastronomie sowie Distance-Learning für Schüler ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Österreich jedenfalls weiter hoch: Gleich 3.510 positive Fälle kamen am Donnerstag neu in die Statistik hinzu – wobei fast genau die Hälfte auf Nachmeldungen aus Kärnten und Oberösterreich zurückzuführen ist. Die maßgebliche Sieben-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner stieg durch die Nachmeldungen von 152 auf 163 an. Vor einem Monat betrug diese Kennzahl rund 225. Das von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Ende Dezember genannte Zwischenziel eines Wertes unter 100 ist weit entfernt.

Dazu kommt, dass die britische Corona-Mutation B.1.1.7 in Österreich weiter verbreitet sein dürfte als bisher angenommen. Davon geht man zumindest in Regierungskreisen aus. Offenbar lässt sich die Mutation bereits im Abwasser nachweisen, das ließe Rückschlüsse auf eine Verbreitung von etwa fünf Prozent zu, hieß es. Die Verbreitung der britischen Corona-Variante wird jedenfalls einen direkten Einfluss auf Maßnahmen haben, die noch gesetzt werden. Dass der Lockdown, wie ursprünglich angekündigt, am 24. Jänner ohne weitere Maßnahmen ausläuft, kann ausgeschlossen werden.

PCR-Vortest hat bei Abwasserprobe angeschlagen

Norbert Kreuzinger vom Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement der Technischen Universität (TU) Wien bestätigte jedenfalls dem STANDARD am Donnerstagabend, dass auch bei einer im Wiener Abwasser genommenen Probe ein spezieller PCR-Vortest auf die britische Mutation angeschlagen hat. Die Probe gilt damit wie die bereits bekannten positiven Tests in einem Wiener Pflegeheim oder bei Skifahrern in Jochberg in Tirol als "Verdachtsfall".

Ob es sich tatsächlich um die britische Virusmutation handelt, muss aber noch abgewartet werden. "Die Ergebnisse der Sequenzierung werden aller Voraussicht nach am Dienstag vorliegen", sagte Kreuzinger. In Wien gibt es mit der Hauptkläranlage, der TU sowie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) ein gemeinsames Screening-Projekt zum Abwasser. Laut Kreuzinger werden seit Beginn der Corona-Pandemie in Österreich Proben auf das Coronavirus im Abwasser gezogen – mittlerweile ist das dreimal pro Woche in Wien der Fall.

Sollte die Sequenzierung das Ergebnis des Vortests bestätigen, können laut Kreuzinger auch Rückschlüsse auf die Verbreitung der Mutante gezogen werden. Noch sei es dazu aber zu früh. Im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) wurde man vom Verdachtsfall vorab nicht informiert. Man könne dazu nichts sagen, hieß es auf Anfrage.

Seit Beginn der Pandemie wird das Abwasser in Österreich analysiert und auf das Coronavirus untersucht. Andreas Bergthaler vom CeMM-Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW, der die österreichweite Initiative zur Sars-CoV-2-Sequenzierung koordiniert, meinte zum STANDARD: "Unsere neuesten Ergebnisse von Abwässern aus ganz Österreich per Ganzgenomsequenzierungen erwarten wir Anfang/Mitte kommender Woche."

Gegensteuerungsmaßnahmen

Wenn es stimmt, dass die sehr ansteckende britische Mutation so weit verbreitet ist, dass es nicht nur einzelne Personengruppen wie britische Skifahrer in Tirol oder ein Pflegeheim in Wien betrifft, dann wird die Regierung hier massiv gegensteuern müssen. Neben den bereits bekannten 70 Verdachtsfällen in Wien, Tirol und dem Burgenland kamen am Donnerstag weitere insgesamt neun Fälle mit Verdacht auf die britische Virusmutation in Vorarlberg, Oberösterreich und Niederösterreich dazu. Bestätigt sind all diese noch nicht. Die Ergebnisse der Sequenzierungen sollen Anfang kommender Woche vorliegen.

Klar scheint mittlerweile, dass der Schritt zu FFP2-Masken zwingend ist. Auch die Abstandsregeln sollen verschärft werden. Eine 15-Kilometer-Regel, wie sie in Deutschland gilt, ist für Österreich vorerst nicht angedacht. In Deutschland darf man sich in Corona-Hotspots nicht mehr als 15 Kilometer von seinem Wohnsitz entfernen. Im Kanzleramt hält man diese Regelung für theoretisch sinnvoll, in der Praxis aber nicht durchsetzbar.

Noch lange keine Rückkehr zur Normalität

Nach dem 24. Jänner soll es Lockerungsschritte geben, aber noch lange keine Rückkehr zur Normalität. Es werde Kleinstschritte geben. Am wahrscheinlichsten ist, dass unter strengen Regeln erst der Handel wieder vorsichtig hochgefahren wird. Die Bevölkerung braucht mehr als nur Lebensmittel, so die Erkenntnis. Außerdem sei die Schließung des Handels wirtschaftlich eine außerordentlich teure Maßnahme. Auch Friseure wird man nicht ewig geschlossen halten können.

Offen scheint noch, was mit den Schulen passiert. Bildungsminister Heinz Faßmann hatte angekündigt, dass ab 25. Jänner in einem Schichtbetrieb der Präsenzunterricht an den Schulen hochgefahren wird. Das ist aber noch nicht sicher, sondern nur ein Zielwert, heißt es. Bekannt ist, dass Kanzler Kurz sehr skeptisch ist, was die Öffnung der Schulen betrifft. Kinder infizieren sich laut jüngsten Erkenntnissen wie alle anderen Altersgruppen.

Kurz selbst verwies darauf, dass Österreich derzeit bei etwa 2.000 Neuinfektionen pro Tag halte, damit liege man im besten Drittel Europas. Der Lockdown habe gewirkt, die Zahlen seien aber nach wie vor zu hoch. Insbesondere die britische Mutation stelle eine besondere Gefahr dar. "Wir wissen daher, dass wir weiterhin extrem behutsam vorgehen müssen, um das, was wir uns bisher mühevoll erarbeitet haben, nicht zu zerstören." (Michael Völker, David Krutzler, 14.1.2021)