Das gesamte Wirtschaftsleben in ganz Europa auf null runterfahren: Dafür sammelt die Initiative #ZeroCovid Unterschriften.

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Weltweit sind knapp zwei Millionen Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Obwohl in Österreich weite Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt sind, stiegt die Zahl der Neuinfektionen am Donnerstag auf 3.510.

#ZeroCovid heißt vor dem Hintergrund eine aktuelle Initiative. Ab 14. Jänner können Menschen eine Online-Petition unterschreiben, in der die Regierungen aufgefordert werden, die Infektionsübertragung durch viel radikalere Maßnahmen als die bisherigen Strategien partieller Lockdowns verschiedenen Grades zu beenden. "Nicht 200, 50 oder 20 Neuinfektionen pro Tag, sondern null" lautet das Ziel der Online-Petition, mit der Druck auf die Regierungen ausgeübt werden soll. Die Unterschriften werden auf Facebook, Instagram und Twitter gesammelt.

Aus allen Bereichen

Die Bewegung ist ein breiter gesellschaftlicher Zusammenschluss von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, Personen aus dem Gesundheitsbereich, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen sowie Kulturschaffenden aus Deutschland, der Schweiz und Österreich und orientiert sich an zwei britischen Initiativen.

"Die Strategien der Regierungen zur Eindämmung der Pandemie sind gescheitert. Es braucht einen radikalen Kurswechsel. Wir treten für einen solidarischen Shutdown von unten ein, der auch alle gesellschaftlich nicht notwendigen Bereiche der Wirtschaft umfasst", sagt Verena Kreilinger, Mitinitiatorin von #ZeroCovid in Österreich. Es reiche nicht, die Infektionskurve abzuflachen, sagt sie.

Kreilinger selbst ist Medienwissenschafterin und Mitautorin von "Corona, Krise, Kapital", einem kritischen Buch über den verantwortungslosen Umgang der Regierungen mit der Corona-Krise. Gerade die Gefahr von Mutationen, so Kreilinger, müsse ein Anlass für eine Verschärfung der Maßnahmen sein. Nur so könne hierzulande eine vergleichbare Situation wie in Großbritannien, wo das Gesundheitssystem aktuell kurz vorm Zusammenbruch steht, vermieden werden.

Alles zu

Was Shutdown für #ZeroCovid konkret bedeutet: Einschränkungen der Kontakte auf ein Minimum, vor allem am Arbeitsplatz. Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen und Schulen müssen geschlossen bleiben. "Die notwendigen Maßnahmen kosten viel Geld. Die Gesellschaften in Europa haben aber enormen Reichtum angehäuft, den sich allerdings einige wenige Vermögende angeeignet haben. Mit diesem Reichtum sind die umfassenden Arbeitspausen und alle Maßnahmen problemlos finanzierbar," steht in der Petition.

Kreilinger betont, dass sämtliche Einkommensverluste, die den Menschen durch den strengen Shutdown entstehen, unbedingt solidarisch abgefedert werden müssen. Jeder, der finanziell betroffen ist, soll eine Kompensation erhalten. Das Geld dafür könne durch die Einführung einer europaweiten Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen kommen, auch Unternehmensgewinne und hohe Einkommen sollen stark besteuert werden, so der Vorschlag.

Darüber hinaus sollen jene Gruppen, die am meisten durch einen kompletten Shutdown betroffen sind, die sogenannte vulnerable Bevölkerung, besonders geschützt werden. Benachteiligte Jugendliche müssten etwa durch Lernbuddys unterstützt, Obdachlose in leeren Hotels untergebracht werden.

Sozial absichern

Auch der Ausbau der sozialen Infrastruktur im Gesundheits- und Pflegebereich ist der Initiative wichtig. Die Rücknahme der Privatisierung ist eine Hauptforderung. Zudem will die Initiative, dass sämtliche Impfstoffe als Gemeingut betrachtet und an alle abgegeben werden. "Wir wissen, dass alle diese Forderungen nur europaweit umzusetzen sind. Es geht nur mit einem gesamteuropäischen Shutdown", so Kreilinger. Wenn alle europäischen Länder mitmachen, könnten Reisen auch wieder möglich werden und etwa Reisekorridore durch virenfreie Gebiete entstehen. Auch der Tourismus ließe sich wieder aufnehmen, wenn die Infektionszahlen auf null sind, heißt es weiter.

Dass der Ansatz funktioniert, sieht die #ZeroCovid-Bewegung in Australien, Neuseeland und in Ländern Ostasiens verwirklicht. Dort waren die Lockdown-Maßnahmen besonders streng, die Infektionszahlen sind daher unter Kontrolle. Allerdings: Das umfassende soziale Absicherungsprogramm, das #ZeroCovid fordert, war nicht Teil der Strategie dieser Länder. Und dennoch ist Kreilinger überzeugt: "Wenn wir nicht handeln, werden die derzeitigen Maßnahmen, die alle Menschen verunsichern, nur in die Länge gezogen." (Karin Pollack, 15.1.2021)