Viel zu spät und zu halbherzig habe sich der Präsident von den rechtsextremen Randalierern distanziert, sagen Kritiker.

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Auch wenn es die jüngste Episode dafür wohl gar nicht mehr gebraucht hätte: Spätestens seit jenem historischen Mittwochnachmittag im US-Repräsentantenhaus zu Washington ist Donald Trump ein Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Als ersten US-Präsidenten der Geschichte haben die Abgeordneten ihn ein zweites Mal "impeacht". Immerhin zehn Abgeordnete seiner eigenen Partei haben dem 45. Präsidenten, der eine Woche zuvor einen fanatischen Mob zum Sturm auf das Kapitol aufgehetzt hatte, die Gefolgschaft versagt und für das historische Impeachment gestimmt. Nun, wenige Tage vor dem Amtsantritt seines gewählten Nachfolgers Joe Biden, liegt Trumps Schicksal in den Händen des Senats.

Frage: Warum wurde das Impeachment beschlossen?

Antwort: Trump wird "Anstiftung zum Aufruhr" vorgeworfen. Der Präsident, heißt es in der Impeachment-Klage des Repräsentantenhauses, habe zum Sturm auf das Kapitol aufgewiegelt. Zitiert werden Passagen aus einer Rede, die er am 6. Jänner hielt, kurz bevor beide Kammern des Parlaments tagten, um die Ergebnisse des Präsidentschaftsvotums zu beglaubigen. "Wir haben diese Wahl gewonnen, und wir haben sie erdrutschartig gewonnen", wiederholte er seine Lüge vom massiven Wahlbetrug. "Wenn ihr nicht wie irre kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben", rief er seinen Anhängern zu. Mit seinem Verhalten habe Trump die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Institutionen höchster Gefahr ausgesetzt, heißt es im Text der Resolution. Er habe die Integrität der Demokratie bedroht und die friedliche Machtübergabe zu stören versucht. Er stelle eine Gefahr für die nationale Sicherheit und die Demokratie dar, falls man ihm erlaube, im Amt zu bleiben.

Frage: Trump wird das Weiße Haus ohnehin am 20. Jänner verlassen. Warum dann noch eine Amtsenthebung?

Antwort: Die Demokraten wollen erreichen, dass er künftig nicht mehr für ein Wahlamt kandidieren kann, zumindest nicht mehr auf Bundesebene. Laut Anklagetext müsse er "disqualifiziert" werden, um in den USA nie wieder "ein Amt der Ehre, des Vertrauens oder des Gewinns" ausüben zu können.

Frage: Neben 222 Demokraten haben auch zehn Republikaner für das Impeachment gestimmt. Wie ist das einzuordnen?

Antwort: Dass es nur zehn Republikaner waren, zeigt, welchen Einfluss der scheidende Präsident in seiner Partei noch immer hat. Es zeigt wohl auch, wie tief die Angst vor der Rache gewaltbereiter Anhänger Trumps sitzt. Folgt man Jason Crow, einem Demokraten, der als Fallschirmjäger sowohl im Irak als auch in Afghanistan kämpfte, fürchteten republikanische Abgeordnete für den Fall eines offenen Bruchs mit Trump um ihr Leben. Einige, so Crow, hätten ihm das am Abend vor der Abstimmung unter Tränen anvertraut.

Frage: Wie denkt die Basis der Republikanischen Partei?

Antwort: Laut einer Umfrage des Senders PBS sehen 47 Prozent der republikanischen Parteimitglieder in den Ausschreitungen am 6. Jänner keine Revolte, sondern einen legitimen Protest gegen eine manipulierte Wahl. Dass die Basis ihrem Idol Trump die Treue aufkündigt, ist vorerst nicht abzusehen. Andererseits symbolisieren jene zehn couragierten Republikaner, angeführt von Liz Cheney, den Beginn einer Abnabelung von dem Mann, der aus der "Grand Old Party" de facto eine Trump-Partei machte. Als das Abgeordnetenhaus im Dezember 2019 zum ersten Mal über ein Impeachment zu entscheiden hatte, gab es keinen einzigen Konservativen, der sich gegen den Präsidenten stellte.

Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Antwort: Nur der Senat kann Trump für schuldig befinden. Dort steht es nach den Stichwahlen in Georgia 50:50. In der zweiten Phase des Verfahrens spielen die 100 Senatorinnen und Senatoren die Rolle von Geschworenen, die wie bei einer Gerichtsverhandlung ein Urteil zu fällen haben. Kläger sind demokratische Abgeordnete, die sogenannten Impeachment-Manager. Wer Trump verteidigt, ist offen. Manche tippen auf Rudy Giuliani, den Ex-Bürgermeister New Yorks. Auch der Zeitplan ist noch unklar.

Frage: Ist zumindest absehbar, wann die Verhandlung beginnt?

Antwort: Definitiv nicht vor dem 19. Jänner, wenn die Senatoren aus einer Urlaubspause nach Washington zurückkehren. Das hat Mitch McConnell, noch für wenige Tage Mehrheitsführer der Kammer, bereits klargestellt. Sein Nachfolger, der Demokrat Chuck Schumer, drängte auf ein früheres Datum, McConnell lehnte ab. Das bedeutet, dass der Impeachment-Prozess die ersten Wochen der Präsidentschaft Joe Bidens jedenfalls überschattet.

Frage: Wie begründet McConnell sein Zögern?

Antwort: Nach seinen Worten ist es unmöglich, noch vor der Amtseinführung Bidens am 20. Jänner eine "faire und seriöse" Verhandlung zu führen, geschweige denn abzuschließen. Bei den drei Impeachment-Verfahren, die bisher gegen US-Präsidenten angestrengt wurden, habe das Prozedere im schnellsten Fall drei Wochen und im langsamsten drei Monate in Anspruch genommen, betont er. Immerhin hat McConnell angedeutet, dass er Trump für schuldig befinden könnte: Er wolle sich zunächst alle rechtlichen Argumente anhören, schrieb er in einem Brief an seine Fraktion. Stimmt der Veteran aus Kentucky für eine Amtsenthebung, dürften sich andere Parteigranden anschließen. Dann wäre durchaus denkbar, dass mindestens 17 Republikaner mit den 50 Demokraten des Senats die nötige Zweidrittelmehrheit bilden.

Frage: Und wie steht Biden dazu?

Antwort: Der bald schon neue Präsident steckt in der Zwickmühle. Auch er hält eine formelle Amtsenthebung Trumps für erforderlich, muss aber damit rechnen, dass der Senat so intensiv damit befasst ist, dass die Zeit für andere Entscheidungen fehlt. Bidens Minister etwa müssen bestätigt werden, was sich nun länger hinziehen dürfte, als es dem künftigen Staatschef lieb sein kann. Auch wichtige Gesetzesvorhaben zur Bekämpfung der Pandemie und zum Ankurbeln der Wirtschaft werden vielleicht nicht so schnell beschlossen, wie es aus Bidens Sicht geboten wäre. (Frank Herrmann aus Washington, 14.1.2021)