Die Bahn im altehrwürdigen Dusika-Stadion hat bald ausgedient. Es wird abgerissen. In den neuen Plänen kommt der Radsport nicht vor.

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Das hätte die Geschichte eines großen Jammers werden sollen. Die Geschichte vom Ende eines Traditionssports, in dem Österreich viele Erfolge gefeiert hat. Und die Geschichte der Stadt Wien, die dieses Ende zulässt und geradezu herausfordert, den Titel, den sie sich selbst verliehen hat, einfach umzudrehen. "Wien statt Sport" anstelle von "Sportstadt Wien". Das passt immer wieder im Spitzensport, nicht nur im Schwimmen und in der Leichtathletik, den olympischen Grunddisziplinen.

Sehr bald könnte es auch im Bahnradsport passen. Kürzlich gab der Wiener Sportstadtrat Peter Hacker bekannt, dass noch heuer mit dem Abriss des altehrwürdigen, 1977 eröffneten und Ende der 90er-Jahre sanierten Ferry-Dusika-Stadions am Rande des Praters begonnen wird. 2023 soll am selben Ort eine neue Halle stehen, eine Halle für Ballsportarten mit Trainingsmöglichkeiten aber auch für Turnen und die Leichtathletik. Eine Halle ohne Radrennbahn. Der ehemalige Bahnradspezialist Roland Königshofer, der dreimal Steher-Weltmeister war, regte sich auf: "Mit meiner Karriere wäre es ohne die Bahn schon zwei bis drei Jahre vor der ersten meiner zehn WM-Medaillen vorbei gewesen."

Zuletzt allerdings sei die radsportliche Auslastung des Dusika-Stadions sehr gering gewesen, wird seitens der Stadt betont. In den Verbänden kann man die Zahlen nicht nachvollziehen. Klarerweise verhindert Corona derzeit das Nachwuchstraining. Rudolf Massak, Generalsekretär des Radsportverbands (ÖRV), verweist darauf, dass sich im Jugendbereich einiges tut und dass sich aktuell sogar bemerkenswert viele Talente im Juniorenalter tummeln. In diesem Bereich gab es auch schon etliche Erfolge bei internationalen Großevents.

Quasi überfahren

So oder so war der – im buchstäblichen Sinn – bahnbrechende Beschluss der Stadt Wien absehbar gewesen, er kam aber sehr plötzlich. Die Verantwortlichen im österreichischen und im Wiener Radsportverband waren immer wieder vertröstet und letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Damit, dass sie quasi überfahren wurden, wollen sie sich aber nicht lange aufhalten. "Wir sind nicht zum Jammern da", sagt Massak, "sondern zum Problemelösen." Also doch keine Jammergeschichte?

Wien? Graz? St. Pölten?

Abwarten. Das Problem, mit dem es Massak und der rührige Wiener Verbandsvize Gernot Kokas zu tun haben, ist jedenfalls kein kleines. Wo sollen Österreichs Radsportler künftig trainieren, speziell im Winter? Die Frage betrifft nicht nur die Elitefahrer, die auch schon früher zur kalten Jahreszeit für etliche Wochen etwa nach Australien oder Neuseeland auswichen, sondern speziell den Nachwuchs. An frostigen, stürmischen und kurzen Tagen wie diesen ist an ein Training im Freien kaum zu denken.

Massak und Kokas wälzen einen – im eigentlichen Wortsinn – bahnbrechenden Plan. Ihnen schwebt eine neue Radrennbahn vor, sei es in Wien oder in Graz oder in St. Pölten, wo Franz Stocher, der 2003 Weltmeister im Punktefahren war, die Geschäfte des Sportzentrums führt. Zum Training auf die Bahn in Brünn auszuweichen ist kein Thema. Sie steht im Freien, ist im Winter ungeeignet. Kokas: "Es war eher so, dass tschechische Sprintspezialisten im Winter im Dusika-Stadion trainiert haben." In Novo Mesto in Slowenien gibt es eine Bahn in einer Traglufthalle, doch Novo Mesto liegt zu weit von Wien entfernt, kommt auch nicht für einen regelmäßigen Trainingsbetrieb infrage.

Allein das Novo-Mesto-Konzept könnte für Österreich vorbildlich sein. Eine Bahn ließe sich anmieten, sagt Massak. Kostenpunkt circa 40.000 Euro im Jahr. Dazu kommen einmalige Aufbaukosten (80.000), auch der Belag, am ehesten Holz, hat seinen Preis (30.000). So oder so wären die Kosten des Massak-Kokas-Plans überschaubar. Vor allem aber müsste ein geeigneter Platz gefunden und eine Halle aufgestellt werden. Ob sich die Stadt Wien, die Sportstadt Wien, für den Plan erwärmen kann, bleibt abzuwarten. Kann sie es nicht, wäre es vielleicht keine große Überraschung. Aber ein Jammer wäre es schon. (Fritz Neumann, 15.1.2021)