Die Einbindung des Nah- und Regionalverkehrs der Bundesländer in das bundesweite 1-2-3-Ticket ist aufwändiger als von vielen Fahrgästen erwartet.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Die Einführung der österreich-weiten Stufe des 1-2-3-Tickets wird Stückwerk: Nicht beim Preis der Fahrkarte, der ist mit 1095 Euro für alle gleich. Aber bei der Finanzierung dahinter. Denn die neue Fahrkarte sprengt das Tarifgefüge, rührt an den Grundfesten des Öffi-Verkehrs, der im Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrsgesetz (ÖPNRVG) geregelt ist – samt Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern.

Zum wichtigsten Stolperstein entwickelte sich der Umstand, dass der Bund für städtische oder regionale Bahn- und Busverkehre in den Ländern nicht zuständig ist und daher den Verkehrsverbünden auch keine Tarife vorschreiben kann. Dieses Problem wurde mit der Salzburger Umsetzungsvereinbarung knapp vor Jahreswechsel entschärft: Der Salzburger Verkehrsverbund (SVV) erkennt das neue Ö-Ticket an und bekommt als Ersatz für die erwartete Abwanderung von rund 6000 Fahrgästen aus den SVV-Tickets hin zum Ö-Ticket vom Bund einen Erlösersatz in Höhe von rund sieben Millionen Euro. Dieser Betrag ist nicht zu verwechseln mit dem zeitgleich fixierten Infrastrukturpaket mit der Verlängerung der Salzburger Lokalbahn in den Süden.

Millionen als Ausgleich

Auf den ersten Blick mögen diese sieben Millionen hoch erscheinen. Aber das bisherige salzburgweit gültige Ticket um 595 Euro pro Jahr dürfte bei Vielfahrern und Pendlern wohl Federn lassen. Auf den Kosten für den lokalen Verkehr, den die Ö-Ticket-Fahrer auch nutzen, bliebe das Land Salzburg sitzen. Der Bund habe sich verpflichtet, sämtliche Einnahmenausfälle abzugelten, heißt es im Büro von Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP). Das gelte auch für Freizeittickets und im Überlappungsbereich mit dem Innviertel

Ohne den erwarteten Erlösentfall in Salzburg auf Flächenbundesländer wie Steiermark, Ober- und Niederösterreich hochzurechnen, ist damit klar: Die neue Fahrkarte, die Verkehrsministerin Leonore Gewessler als Revolution im Öffi-Verkehr preist, wird den Bund teuer kommen – und das Jahr für Jahr. Denn zugleich soll ja das Öffi-Angebot massiv ausgebaut werden, um den motorisierten, klimaschädlichen Individualverkehr mit dem Pkw zu reduzieren.

Föderale Leistungsstruktur

So erfreulich die Salzburger Einigung für das Klimaschutzministerium sein mag, an der föderalen Leistungs- und Finanzstruktur im öffentlichen Verkehr ändert die Kostenübernahme durch den Bund nichts. Sie dürfte sich bei den weiteren Stufen des 1-2-3-Tickets (pro Bundesland 365 Euro pro Jahr) zum veritablen Problem auswachsen. Denn dadurch wird die Abwanderung von Fahrgästen von städtischen Verkehrsbetrieben und Verkehrsverbünden geradezu befeuert – obwohl diese weiterhin zur Bereitstellung der Verkehrsverbindungen verpflichtet sind.

Wer trägt das Einnahmenrisiko?

Hinzu kommt, dass die bis 2029 abgeschlossenen Verkehrsdienstverträge des Bundes mit der ÖBB für das Grundangebot an Zügen in ganz Österreich überwiegend als Bruttoverträge abgeschlossen wurden. Dabei liegt das Erlösrisiko beim Besteller, beispielsweise dem Verkehrsverbund. Corona-bedingt wurde zwar auf Nettoverträge umgestellt – da ist es quasi egal, wie viele Fahrgäste in einem Zug sitzen, der Bund zahlt die Fixkosten –, aber das dürfte nicht ewig so bleiben. Nach Corona wird man umstellen und zur Kostenaufteilung von 70 Prozent Bund und 30 Prozent Land zurückkehren müssen. Das werde bei Einführung den regionalen Stufen des 1-2-3-Tickets sicher ein Riesenproblem, heißt es in Salzburg. Da brauche man sicher zusätzliche Gelder.

Reform des Nahverkehrs

So ertönt der Ruf nach einer Reform des ÖPNRV-Gesetzes mit einer klaren Einnahmen- und Erlösaufteilung. Das wäre vor dem 1-2-3-Ticket nötig gewesen, kritisieren mit der Materie vertraute Personen, das hätte viele Verhandlungen und noch mehr Verstimmungen erspart,

Die Einheitsvertriebsstelle OneMobility von ÖBB und Verkehrsministerium kommt in Salzburg übrigens nicht in der konzipierten Form zum Tragen. Zu viele Fragen seien noch offen, heißt es im Büro Schnöll. Das 1-2-3-Bundesticket werde wohl vom Verkehrsverbund verkauft, aber über eigens abgestellte Mitarbeiter abgerechnet. Den Aufwand trägt der Bund, die Salzburger erhalten eine Provision. Anders sei es nicht möglich, heißt es. Denn der neuen Plattform fehle es noch an Neutralität und den notwendigen Schnittstellen zum Verkehrsverbund SVV. (Luise Ungerboeck, 15.1.2021)