Wirecard-Chef Markus Braun hat mit seinem Konzern bereits im Vorfeld des Bilanzskandals das Vertrauen mancher Kreditgeber verloren.

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Aschheim – Mehr als ein Jahr vor der spektakulären Wirecard-Pleite sind mehrere Banken bereits auf Distanz zu dem damaligen Dax-Konzern gegangen – während sich die deutsche Bundesregierung noch für das aufstrebende Fintech mit Österreichern an der Spitzen einsetzte. Die Risiken seien als zu hoch eingeschätzt worden, sagten Risikovorstände der Bayerischen Landesbank und der Commerzbank am Donnerstag im Wirecard- Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Der Landesbank-Manager betonte aber zugleich: Zu keinem Zeitpunkt sei man von irgendwelchen kriminellen Handlungen oder von Betrug ausgegangen. Die Bayerische Landesbank entschied demnach 2018 aus einem gemeinsamen Kredit mehrerer Banken auszusteigen – rund zwei Jahre bevor der gewaltige Bilanzskandal im Sommer 2020 aufflog.

Zu diesem Zeitpunkt sollte der Kredit gerade aufgestockt werden – da ging man nicht mit. "Im Zentrum dieser Überlegungen stand: Wenn wir 150 Millionen Euro oder mehr aus der Hand geben, dann nur, wenn wir wirklich den Kunden sehr, sehr gut verstehen", sagte der Risikovorstand. Man habe Wirecard zu diesem Zeitpunkt aber schlicht zu kurz, nämlich erst zwei Jahre gekannt. Zugleich seien wichtige Fragen zum Geschäftsmodell und der komplexen Bilanzstruktur des aufstrebenden Fintechs offen geblieben.

Geldwäscheverdacht

Der Commerzbank-Manager berichtete, bei ihnen sei im Frühjahr 2019 die Entscheidung zu einem "soft exit", also einem schrittweisen Ausstieg aus der Kreditbeziehung, gefallen. Gründe seien ein Geldwäscheverdacht und Zweifel an Wirecard-Geschäften in Südostasien gewesen. Wirecard habe zugesagt, dass die Commerzbank binnen eines Jahres abgelöst werden sollte. Dadurch sei zumindest ein Teil des Schadens noch verhindert worden. "Kreditausfälle gehören einfach zum Geschäft einer Bank", sagte der Risikovorstand. Die Commerzbank habe "extrem sorgfältig gearbeitet".

Ex-Commerzbank-Chef Martin Zielke versicherte indes, dass der Ausstieg seines Instituts nicht mit Zweifeln an der Deckung des Kredits durch Wirecard zu tun gehabt habe. "Die Werthaltigkeit des Kredits war zu diesem Zeitpunkt nicht infrage gestellt", sagte Zielke am Donnerstagabend im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Wirecard-Bilanzskandal.

Hintergrund seien im wesentlichen Zweifel an der Compliance gewesen. Zielke stellte auch politischen Druck in Abrede. "Es hat keinen Einfluss der Bundesregierung auf das Verhalten der Commerzbank bezüglich Wirecard gegeben", sagte er den Abgeordneten.

Probleme absehbar

Der Grünen-Abgeordnte Danyal Bayaz erklärte, besonders das Beispiel der Bayerischen Landesbank zeige, "dass sich die Risiken eines unverständlichen Geschäftsmodells und Bilanzungereimtheiten mit gründlichem Blick sehr wohl erkennen ließen". Andere, auch renommierte deutsche Banken seien Wirecard dagegen fahrlässig auf den Leim gegangen, da sie nicht tief genug geprüft hätten.

Ein Bankenkonsortium hatte Wirecard Kredite in Gesamthöhe von bis zu 1,75 Milliarden Euro eingeräumt. Die Commerzbank war daran mit bis zu 200 Millionen beteiligt. Die Bayerische Landesbank war bereits ausgestiegen, als der Kredit im Jahr 2018 aufgestockt wurde. Bis dahin hielt sie eine kleinere Tranche von 60 Millionen Euro.

Es habe Vorwürfe und Zeitungsberichte gegen Wirecard gegeben, die Anlass für eine genaue Prüfung des Unternehmens gegeben hätten, sagte der Commerzbank-Vorstand. Im Frühjahr 2019 sei eine Geldwäsche-Verdachtsmeldung eingereicht worden, auf die die zuständige Behörde ihm gegenüber nicht reagiert habe. Die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin bewertete Wirecard im Jahr 2019 noch als aufstrebendes Unternehmen. Kanzlerin Angela Merkel setzte sich im selben Jahr während einer Chinareise noch für die Expansionspläne von Wirecard ein.

Folgen für Wirtschaftsprüfer

Im Sommer 2020 räumte der inzwischen insolvente frühere Dax-Konzern Wirecard dann Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro ein. Über Jahre soll das Unternehmen Scheingewinne ausgewiesen haben. Laut Staatsanwaltschaft könnte es insgesamt um rund drei Milliarden Euro gehen. Die Firma saß als Dienstleister für bargeldlose Zahlungen an der Schnittstelle zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen.

Die wegen des Skandals in der Kritik stehende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) hat indes die Deutsche Telekom wohl als Kunden verloren. Die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Telekom hätten darauf gedrungen, das Prüfunternehmen zu wechseln, berichtete das "Handelsblatt" am Donnerstag unter Berufung auf Regierungskreise. EY hätte ursprünglich das Bilanztestat für das laufende Geschäftsjahr 2021 übernehmen sollen.

Die Telekom wies darauf hin, dass für 2020 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC mandatiert sei. Für 2021 müsse noch ein Vorschlag erfolgen, über den die Aktionäre auf der wohl Anfang April stattfindenden Hauptversammlung abstimmen sollen. Der deutsche Bund hält direkt und über die staatliche Förderbank KfW knapp ein Drittel der Telekom-Anteile. Von EY war zunächst kein Kommentar zu erhalten.

EY hatte jahrelang die Bilanzen des im Juni kollabierten Zahlungsabwicklers Wirecard geprüft und dabei nicht bemerkt, dass die Vorstände – nach Ansicht der Staatsanwaltschaft München – Bilanzbetrug begangen haben. Die Commerzbank, die zur Deutschen Bank gehörende Fondsgesellschaft DWS und die KfW hatten sich bereits vor Monaten von EY getrennt. (APA, dpa, Reuters, 14.1.2021)