Erfolglos, aber brutal: Statue von Hernando de Soto in der spanischen Gemeinde Barcarrota.

Foto: Franzobel

Vermutlich kennen Sie Francisco Pizarro und Hernán Cortés, die Eroberer von Peru und Mexiko, vielleicht auch den herzöglich verewigten Zorn Gottes: Lope de Aguirre. Aber Hernando de Soto? Kaum jemand hat von diesem erfolglosesten aller Konquistadoren, den ich der Einfachheit halber Ferdinand Desoto schreibe, je gehört.

Bis 1961 gab es eine amerikanische Automarke dieses Namens, die Frauensilhouette im Logo von Havana-Club-Rum soll Desotos Gemahlin darstellen, und auf dem Hauptplatz der spanischen Gemeinde Barcarrota, die beansprucht, sein Geburtsort zu sein, steht ein steinernes Denkmal, das ihn in voller Montur mit Schwert, Ritterhelm und obligatem Ducktail-Bart zeigt.

Mit zehn Schiffen, achthundert Männern und zahlreichen Sklaven ist dieser Ferdinand Desoto 1538 aufgebrochen, um Florida zu erobern. Die Unternehmung endete in einem Desaster. Man fand kein großes Reich, konnte nichts erobern und hinterließ eine Spur der Verwüstung.

Vor allem die als lebende Vorratskammern mitgebrachten, in Amerika nicht heimischen Schweine waren für die indigene Bevölkerung verheerend, verbreiteten diese Tiere doch Krankheiten, die ganze Landstriche entvölkerten – Pocken und Grippe.

Eitelkeit und Gier

Nur einem Drittel der Expeditionsteilnehmer gelang nach jahrelangem Marsch und einer Schiffsfahrt auf selbstgebauten Schinakeln die Rückkehr. Desoto selbst starb am Ufer des Mississippi, als dessen Entdecker er gilt. Unermessliche Schätze? Goldenes Geschirr wie in Mexiko und Peru? Hochkulturen? Nein, man war bloß auf primitive, rurale Völker gestoßen. Im heutigen South-Carolina konnte man Unmengen an Perlen erbeuten, doch durch Eitelkeit und Gier gingen auch die wieder verloren.

Impressionen aus Havanna, Kuba und Kolumbien. Fotos: Franzobel
Foto: Franzobel

Was mich angetrieben hat, diese Expedition zum Thema eines Romans zu machen? Zuerst einmal die Faszination an Indianern, die damals wenig vom Edelmut Karl May’scher Prägung besaßen, keine Pferde kannten, keine Schrift. Heute wollen sie nicht mehr so genannt werden. Für viele Europäer ist "Indianer" positiv besetzt, aber die Umbenennung amerikanischer Sportmannschaften (Washington Redskins, Cleveland Indians) zeigt, wie umstritten der Terminus inzwischen ist.

Zu Recht? Ich denke, es gäbe dringlichere Probleme, das erlittene Unrecht zu kompensieren, aber diese Diskussion will ich hier nicht führen. Mit Sicherheit ist "Häuptling" verniedlichend und "Rothaut" rassistisch. Letzteres stammt übrigens nicht von einer prononciert bronzierten Hautfarbe, sondern von einer damals trendigen Kriegsbemalung mit rotem Lehm.

Eigene Conquista

Das Schreiben eines Romans ist eine eigene Conquista. Man ahnt und hofft, dass ein Stoff Schätze birgt, begibt sich in unbekanntes Terrain, und weiß nicht, ob man aus der Geschichte je wieder heil herauskommt. Die Desoto-Expedition ist gut dokumentiert.

Unter den Teilnehmern gab es eine einzige Frau, und die hatte sich in Männerkleidern dazugeschwindelt. Kurz nach der Landung in Florida wurde ein Spanier entdeckt, der seit über zehn Jahre bei Indigenen gelebt hatte. Er war bei einer vorangegangenen Expedition in Gefangenschaft geraten.

Einer der entdeckten Stämme wurde von Frauen regiert, ein anderer lebte mit seinen mumifizierten Toten, ein dritter betrieb Schädeldeformationen. Solche Details faszinieren mich und bieten Stoff für eine abenteuerliche Geschichte.

Um ins 16. Jahrhundert einzutauchen, habe ich Bücherberge durchpflügt, mir viele Historienschinken reingezogen und Recherchereisen unternommen, was in Vorcoronazeiten gerade noch möglich gewesen ist.

Leben im 16. Jahrhundert

Kann man sich aus heutiger Perspektive das Leben im 16. Jahrhundert vorstellen? Man lebte im julianischen Kalender, es gab keine einheitliche Zeit, selbst der Jahreswechsel wurde an unterschiedlichen Tagen begangen – in Spanien am ersten Weihnachtstag, in Deutschland zu Ostern, in Polen am ersten Januar.

Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gensfleisch hatte die Kommunikation revolutioniert, dann erlebte ein Mönch mit Beichtzwang bei der Notdurft sein "Turmerlebnis", das der katholischen Welt gewaltig auf den Kopf fallen sollte.

Alle Bilder entstanden auf den Recherchereisen Franzobels.
Foto: Franzobel

Er soll sich am Kirchenportal von Wittenberg vergangen haben … Tatsächlich hat Martin Luther, oder Luder, wie er eigentlich hieß, seine Thesen gar nicht an das Kirchentor geschlagen, was bei der damaligen Alphabetisierungsrate auch unsinnig gewesen wäre, sondern sie dem Erzbischof von Mainz geschickt.

Kopernikus hat die Erde zu einem Trabanten degradiert. In der Medizin kritisierte ein adipöser Schweizer namens Theophrast Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus, die vorherrschende Viersäftelehre, und die Humanisten rückten den Menschen sowie die Antike in das Zentrum ihres Denkens. Spanische Inquisition, Türkenkriege, Pest und seit der Entdeckung Amerikas auch Syphilis.

Grausamkeiten

Ein Jahrhundert voller Grausamkeit. Wir sprechen zwar oft vom dunklen Mittelalter, tatsächlich aber war die beginnende Neuzeit viel brutaler. Diebe wurden gehängt, Kindsmörderinnen ertränkt oder lebendig begraben, Mörder gerädert, Verräter gevierteilt, vermeintliche Hexen verbrannt.

Da darf man sich nicht wundern, dass auch die spanischen Eroberer mit den Einheimischen nicht gerade zimperlich umgegangen sind. Offiziell sollten die "Wilden" christianisiert und zivilisiert werden, ging es um die Errettung ihrer Seelen. Praktisch wurden sie versklavt, vergewaltigt, schlechter als Tiere behandelt. Ihr kulturelles, medizinisches, naturreligiöses Wissen ging verloren. Einzig das Barbecue wurde übernommen – als Foltermethode.

Desoto hatte Pizarro nach Peru begleitet, dem Inkakönig Atahualpa Schach und Spanisch beigebracht, mit seiner Schwester ein Kind gezeugt. Er galt als humaner als die anderen Raubeine. Trotzdem beging bereits bei seiner Ankunft auf Kuba ein Indianerdorf aus Angst vor der Versklavung kollektiven Selbstmord.

Vielen anderen Eingeborenen waren die Hände abgehackt worden – Strafmaßnahmen der Spanier. Wie alle Konquistadoren hatte auch Desoto Kampfhunde, Kanarische Doggen, die man auf Indigene hetzte. Die Hunde waren auf das Zerfleischen von Menschen abgerichtet, besaßen eigene Sklaven und wurden gelegentlich sogar in den Adelsstand erhoben.

Humor gegen das Grauen

Was Menschen ihren Artgenossen antun, ist oft derart skandalös, dass der Atem stockt. Der Roman hätte also leicht ein Stimmungskiller werden können, der einem bereits auf den ersten zwanzig Seiten den Magen umdreht. Das wollte ich aber nicht. Die Geschichte bietet genug Groteskes und Staunenswertes, um das einzig probate Mittel gegen das Grauen zu befeuern, den Humor.

Franzobel in Kolumbien.
Foto: Franzobel

Es gibt genug Details, um den damaligen Menschen näherzukommen. Karl der Fünfte etwa, Herrscher über ein Reich, in dem die Sonne niemals unterging, was sich mit der Spanne von Wien bis Lima nicht ganz ausgeht, hatte einen dermaßen veritablen Unterbiss, dass er beim Reden kaum artikulieren konnte, er nur von seinen engsten Beratern verstanden wurde.

Die Goldlieferungen aus Westindien, wie man Amerika damals nannte, bewirkten eine enorme Inflation, und im Dollar-Zeichen verweisen die beiden Striche auf das Überschreiten der Grenzen der damals bekannten Welt – sie stehen für die Herkulessäulen bei Gibraltar und Ceuta. Unter Karl V. ging es weiter, "plus ultra" war sein Leitspruch.

Freiheit und Verantwortung

Üblicherweise wird bei historischen Romanen der Erzähler in die entsprechende Zeit gesetzt. Für mich ist es schlüssiger, ihn im 21. Jahrhundert zu verorten, dafür aber mit inneren Monologen in Personen zu schlüpfen. Das ist unüblich und mag irritieren, aber für mich fühlt sich das richtig an. Wenn die Sprache vertraut ist, wird es dem Leser leichter gemacht, sich in andere Zeiten zu versetzen.

Ich hatte den Anspruch, die Geschichte wahrhaftig zu erzählen, was nicht immer möglich war. Von vielen Abenteurern ist kaum mehr als der Name überliefert. Das bietet Freiheiten, bedeutet aber auch eine Verantwortung, weil ich beinahe esoterisch den Menschen hinter den Namen gerecht werden will.

Es geht nicht alleine um die historische Wahrheit, die ohnehin stets ein Konstrukt ist, sondern um die Erkenntnis für uns Heutige. Stichwort Kolonialismus und kulturelle Aneignung. Ein Blick auf so eine Geschichte zeigt nicht nur die Errungenschaften der letzten 500 Jahre, sondern auch ein von Geltungsdrang und Gier gesteuertes Verhalten, von dem wir uns trotz Humanismus und Aufklärung nur wenig emanzipiert haben.

Spurensuche

Das Leben der damaligen indigenen Bevölkerung ist kaum dokumentiert. Um zumindest ein Gefühl dafür zu bekommen, unternahm ich im Norden Kolumbiens eine viertägige Wanderung zur Ciudad Perdida, der verlorenen Stadt.

In den USA fand ich kaum Spuren, die über traurige touristenfreundliche Folklore hinausgingen, dafür habe ich Museen von Lateinamerika bis Neuseeland abgegrast. In der spanischen Extremadura, der Heimat fast aller Konquistadoren, gibt es alte Paläste, Kirchen und Festungen zu sehen.

Ich war auf Kuba, im Süden der USA und in Algerien, wohin eine von nordafrikanischen Piraten verschleppte Romanfigur gerät. Als Reisephobiker hatte ich oft ein mulmiges Gefühl, trotzdem wurde ich meist beglückt und inspiriert, nahm dieses Buch allmählich Gestalt an. In Tampa Bay hat mich ein Hai gestreift, in Bogota war ich in einer verruchten Gegend bei einem Hahnenkampf, in der Ciudad Perdida haben mir Indigene ihre mit Muschelstaub bestrichene Kalabasse erklärt, eine Mischung aus Tagebuch, Seele und Identitätsnachweis.

Man zeigte mir in Algier die Höhle, in der Miguel de Cervantes gefangen gehalten worden war, in den Everglades Alligatoren, und mitten auf Kuba war es unmöglich, Benzin aufzutreiben. In den Favelas von São Paulo fühlte ich mich sicherer als inmitten von Texas-Longhorn-Fans in Austin. Gegrillte Meerschweinchen, getrocknete Ameisen, Spuckebier … diese Reisen boten viele Kuriosa.

In Coronazeiten erscheinen sie wie aus einer längst vergangenen Epoche. Die meisten erzählten Begebenheiten sind wahr, manches ist geflunkert, aber oft ist die Wahrheit auch dann wahr, wenn sie als solche nicht erkannt wird.

Ich bin Ferdinand Desoto fast fünfhundert Jahre später hinterhergereist und im Gegensatz zu ihm zurückgekommen. Wie er habe ich nichts erobert und niemanden bekehrt, die erbeuteten Schätze stehen jetzt in einem Buch. Mögen sie ein paar erfreuen. (Franzobel, 16.1.2021)