Durch Coronavirus und Brexit kommt es zu langen Wartezeiten.

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Jene Käufer in der EU, die kurz vor Weihnachten in London ein Kunstwerk ersteigerten und bereits erhalten haben, gehören derzeit zu den Glücklichen. Aus Sorge vor dem mutierten Coronavirus hatte Frankreich die Grenzen zu Großbritannien vorübergehend geschlossen und stürzte das Transportwesen am Ärmelkanal temporär in ein Chaos.

Es kam zu teils massivem Verzug beim Versand, der noch immer nachwirkt und der sich aufgrund des zum Jahreswechsel vollzogenen Brexits noch verschärfte. Denn die seit 1. Jänner gültige Zollgrenze ist mit Anmeldungen für die Ausfuhr und die Einfuhr, entsprechendem administrativem sowie finanziellem Aufwand für die Erstellung der Warenbegleitpapiere verbunden. Die Stehzeiten der Transportmittel nicht zu vergessen.

Einfuhrumsatzsteuer

"In Anbetracht der dürftigen personellen Ausstattung der Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs und des noch in der Entwicklung stehenden elektronischen Zollanmeldungssystems" sei in der Anfangszeit "mit empfindlichen Verzögerungen" bei der Abfertigung zu rechnen, warnt die WKO.

Dabei ist es unerheblich, dass für Kunst keine Zölle, jedoch in den EU-27 Einfuhrumsatzsteuer anfällt. Auch für solche Kunstwerke, die vor Jahresbeginn erworben wurden und sich noch auf dem Transportweg befinden; ebenso für jene von Einbringern, die unverkauft geblieben sind. Die für Kunst in Österreich und damit auch bei der Einfuhr aus Drittländern anfallende Umsatzsteuer beläuft sich für Kunst regulär auf 13 Prozent, wurde jedoch aufgrund der pandemiebedingten Wirtschaftsflaute bis Jahresende auf fünf Prozent reduziert. Bei Antiquitäten fallen hingegen 20 Prozent Einfuhrumsatzsteuer an.

Nachteile für den britischen Handel

Von Anlaufschwierigkeiten wissen auch Kunstspediteure wie Gander & White aus London zu erzählen. Konkret würden bei Luftfracht fallweise zusätzlich an Zielorten von Zollbeamten "ohne Erfahrung im Umgang mit Kunstgegenständen" Transportkisten teils geöffnet, wie The Art Newspaper aktuell berichtet. Ein Problem, da die Objekte bei unsachgemäßer Handhabung beschädigt werden könnten.

So erleichtert man über das Brexit-Abkommen auch sein mag, wenn es den Handel mit Kunst betrifft, drohen dem Marktplatz London durchaus Nachteile im Wettbewerb. Potenzielle Verkäufer von Werken, die sich in der EU tendenziell starker Nachfrage erfreuen, könnten künftig auch dortigen Auktionshäusern den Vorzug geben. Kenner attestieren Paris die besten Chancen, London in absehbarer Zeit als Zentrum des europäischen Kunstmarktes abzulösen.

Folgerechtsbestimmungen bleiben (vorerst?)

Um dem entgegenzuwirken, sieht das Abkommen die Option einer vorübergehenden Einfuhr vor, womit etwaige Steuern erst beim Verkauf anfallen. Zu der 2001 auf EU-Ebene verabschiedeten Folgerechtsbestimmung vermeldet die britische Verwertungsgesellschaft (Design and Artists Copyright Society) eine Aufrechterhaltung.

Demnach fällt zu Lebzeiten der Künstler und bis zu 70 Jahre nach deren Tod weiterhin bei jedem Verkauf eines Kunstwerks eine Gebühr von mindestens vier Prozent des Nettoverkaufspreises (ab 2500 Euro) an, jedoch maximal 12.500 Euro je Kunstwerk und Besitzerwechsel. Noch 2017 hatte der Interessenverband British Art Market Federation für eine Brexit-Adaption plädiert, wonach dies nur noch für Werke lebender Künstler Anwendung finden sollte. Eine Forderung, die bestehenden Urheberrechtsbestimmungen widerspricht und Resteuropa im Segment der Moderne einen massiven Wettbewerbsnachteil beschert hätte. (Olga Kronsteiner, 16.1.2021)