Auch Minister Rudolf Anschober hat seine grüne Stoffmaske mittlerweile gegen eine FFP2-Maske getauscht.

Foto: Matthias Cremer

Es ist mittlerweile zu einer Art Tradition geworden: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) trat am Freitag erneut vor die Medien und gab – wie immer – zu Beginn einen Überblick über die aktuelle Situation. "Wir haben weltweit eine massive Ausbreitung zu verzeichnen", sagte Anschober. Und: "Wir steuern auf die Grenze von zwei Millionen Todesopfern zu." Ja, es sei eine "dramatische Situation".

In Österreich sehe man zwar, dass "die Lockdown-Maßnahmen wirken", allerdings langsamer als gehofft. "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen." Es sei zu einer Stabilisierung der Zahl der Todesopfer gekommen, in den vergangenen 24 Stunden seien jedoch trotzdem 66 Personen mit Covid-19 verstorben. "Es nimmt auch die Zahl der Hospitalisierungsfälle langsam ab", sagte Anschober. 2.242 Personen werden derzeit im Krankenhaus behandelt. "Es wird in den kommenden Wochen nicht leichter werden", sagte er.

Virusvariante in Österreich

Die Wochen bis Ostern würden die "schwierigste Phase der Pandemie" werden: die Zeit, bis die Impfung in die Breite geht, bis die Temperaturen wieder wärmer werden, bis das Sozialleben wieder nach draußen verlegt werden könne. Derzeit herrsche eine "alarmierte Stimmung" innerhalb der EU bezüglich der neuen Virusmutation. Die schrittweise Ausbreitung von B.1.1.7 werde in ganz Europa aber "sehr, sehr ernst genommen". "In manchen Regionen haben wir bereits eine große Ausbreitung", erklärte Anschober: Großbritannien, Irland Slowakei, Schweiz seien nur einige Beispiele. "Wir müssen davon ausgehen, dass Österreich da keine Insel der Seligen ist", sagte Anschober.

In Österreich gebe es rund 100 Verdachtsfälle in Bezug auf die neue Virusmutation. Die Sequenzierungsergebnisse sollen kommende Woche vorliegen. "Ich wäre aber überrascht, wenn viele negativ ausgehen würden", sagte Anschober. Man müsse davon ausgehen, dass Österreich von der Mutation nicht unwesentlich betroffen sei.

Mehr als Cluster

Auch Virologe Andreas Bergthaler geht davon aus, dass es in Österreich nicht nur einzelne Cluster, sondern bereits eine breite Ausbreitung gebe. "Obwohl wir noch immer nicht wissen, wie viele Verdachtsfälle wir genau haben, können wir nicht ausschließen, dass es sich schon breitflächiger in Österreich befindet", sagte der Experte. Wenn man davon ausgehe, dass die Variante um 50 Prozent ansteckender ist, und das hochrechne, dann habe man nach einem Monat eine Verachtfachung der Fälle.

"Wir müssen Österreich ausleuchten, was das Vorkommen der Variante betrifft", betonte Anschober. Schrittweise sollen alle positiven Ergebnisse auf Mutationen untersucht werden, dafür brauche man die Labore. Zudem sei ein Messsystem in Verbindung mit den österreichischen Kläranlagen geplant. So solle herausgefunden werden, welche Virusmutationen in Österreich auftreten, erklärte Bergthaler. Aus dem zugeleiteten Abwasser würde die virale RNA abgeleitet und bestätigt. Seit dem Sommer sequenziere man dieses.

Impfung wirkt auch gegen Mutanten

Impfstoffexpertin Christina Nicolodi beteuerte, dass neue Varianten eines Virus nichts Ungewöhnliches seien. Auch das Virus, der hier in Österreich grassiere, sei eine Variante des Virus, das in Wuhan auftauchte. Mutationen entstünden entweder als "Kopierfehler", wenn sich das Virus reproduziert, oder als neue Kombination zwischen zwei Varianten. Was sich durch die Mutation geändert habe? Die Übertragung sei höher, ebenso die Viruslast in den Menschen.

Das Positive: Bis dato gebe es keine Daten, die auf einen schwereren Krankheitsverlauf hindeuten würden. Trotzdem könnten die Krankenhauskapazitäten schnell an ihre Grenzen kommen, wenn deutlich mehr Leute infiziert sind und somit mehr Leute einen schweren Verlauf vorweisen. Der Biontech/Pfizer-Impfstoff, mit dem derzeit in Österreich geimpft wird, wirke auch neutralisierend auf die britische und die südafrikanische Variante.

Konsequenzen am Wochenende

Welche Maßnahmen sind die Konsequenz daraus? "Alle Maßnahmen, die gegen das Stammvirus schützen, nützen und schützen auch gegen B.1.1.7", sagte Anschober. Diese Maßnahmen würden in allen europäischen Staaten nun nachjustiert – Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen und Co etwa. Wie es nach dem 24. Jänner weitergeht? "Wir sind mitten in der Analyse, in der Enderarbeitung für die Zeit nach dem derzeitigen Lockdown und werden das sehr zeitnah präsentieren können." (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 15.1.2021)