In Österreich werden auf Bundes-, Länder und Gemeindeebene viele Daten erhoben – nicht alle aber der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

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Nach hohen Infektionszahlen und einer beachtlichen Übersterblichkeit im Herbst waren auch in Österreich zuletzt – im internationalen Vergleich eher moderate – Lockdown-Maßnahmen in Kraft. Die Appelle an die Eigenverantwortung waren in dieser Zeit nicht so ausgeprägt, wie sie es wohl ab kommender Woche wieder sein werden, wenn Schulen, Handel und eine Reihe von Dienstleistungen wieder öffnen.

Um diese Eigenverantwortung wahrnehmen zu können, sind Informationen nötig. Denn einerseits muss eine Einschätzung möglich sein, welche Kontakte welche Risiken bergen. Andererseits wird sich für jeden Kontakt die Frage stellen, ob er diese Gefahr wert ist.

Impfgeschehen

Das Risiko, aufgrund erhöhter Kontakte für Todesfälle oder Krankenhausaufenthalte verantwortlich zu sein, wird beispielsweise mit einer stärkeren Durchimpfungsrate der Risikogruppen sinken. Italien zeigt die gelieferten Dosen und die geimpften Personen aufgeteilt nach Region, der Geschlechterzugehörigkeit und dem Grund, warum die Personen geimpft wurden. Auch in Norwegen sind detaillierte Informationen und Zeitreihen verfügbar – und die Anzahl der geimpften Personen pro Gemeinde.

Österreich veröffentlicht aktuell die Zahlen bestellter und ausgelieferter Dosen sowie registrierter Impfungen (mit einer Melderate von geschätzten 90 Prozent) auf Bundesländerebene und auch in einer Zeitreihe. Eine demografische Einordnung der Geimpften oder eine bessere räumliche Auflösung – etwa in Bezirke – ist aber noch ausständig.

Lokales Infektionsgeschehen

Auch das Risiko, sich selbst anzustecken, ist von vielen Faktoren abhängig – in erster Linie vom lokalen Infektionsgeschehen. Österreichs Gesundheitsministerium veröffentlicht Daten nur bis zur Ebene der Bezirke, einheitliche Gemeindedaten gibt es nicht. Einer der vielen Staaten, die Infektionszahlen auf Gemeindeebene veröffentlichen, ist Belgien, das Inzidenzen auch in Kommunen abbildet (siehe Abbildung unten). Für ein Vorbild braucht man aber nicht nach außen schauen – wie Vorarlberg veröffentlichen einzelne Bundesländer diese nämlich in variierender Granularität ebenfalls.

Eine weitere österreichische Eigenheit ist es, das Infektionsgeschehen in der Hauptstadt nur insgesamt darzustellen; Daten für die Wiener Gemeindebezirke sind zwar intern vorhanden, werden aber nicht offiziell herausgegeben. Anders in Deutschland: Berlin gibt die Zahlen pro Stadtbezirk ohne weiteres bekannt.

Cluster

Da sich das Virus anhand von Kontakten verbreitet, ist für eine Risikoeinschätzung auch relevant, in welchen Communitys es festgestellt wurde. Gesundheitsbehörden anderer Länder geben deswegen oft strukturierte Informationen zu Clustern heraus. In Österreich passiert das höchstens informell und in Anlassfällen – beispielsweise bei Chorproben, die zu Superspreader-Events wurden.

Ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) kündigte zwar im Mai an, dass Wien als einziges Bundesland an einer Plattform mit solchen Informationen arbeitet – öffentlich verfügbar ist eine derartige jedoch bis jetzt nicht.

Was außerdem auffällt: Andere Länder kommunizieren aktiv, wenn es Fälle in Alten- oder Pflegeheimen gibt. In Österreich führt das Gesundheitsministerium laut "Falter"-Recherchen zwar eine solche Statistik, aber auch sie wird geheimgehalten. Singapur und Neuseeland benennen jeden erkannten Cluster, in den USA (siehe Abbildung zu North Carolina) wird zumindest die Zahl der Schul- und Pflegeheimcluster veröffentlicht.

Vergleicht man die Clusteranalysen, fällt auf: Der Clustertyp "Haushalt" wird in anderen Ländern meist nicht verwendet. In Österreich ist die Aussagekraft dieser Kategorie sehr beschränkt, da sie nur verwendet wird, wenn die einbringende Quelle nicht bekannt ist.

Analysen nach der Art von Arbeitsplätzen, an denen sich Cluster gebildet haben, gibt es in Österreich ebenfalls nicht. Auch hier dient der US-Staat North Carolina als Beispiel.

Contact-Tracing

Ob und wie weit das Virus unter Kontrolle ist, könnte man auch anhand von Behördendaten einschätzen – wenn man sie bekommt. Die Corona-Kommission veröffentlicht lediglich die Aufklärungsquote der Bundesländer – also den Anteil der Fälle, bei denen die Behörden den Infektionsweg eruieren konnten. Selbst diese Zahlen wurden zwischen November und Jänner geheim gehalten.

Andere Länder stellen hingegen sogar darüber hinausgehende Informationen zur Verfügung: nicht nur die Aufklärungsquoten, sondern auch Aufklärungsdauern und die Dauer der Kontaktnachverfolgung ist für eine Einschätzung relevant. So ermöglicht eine Aufklärung innerhalb eines Tages, dass die Behörden die Kontakte schneller nachverfolgen und absondern können, als mögliche Träger die Infektion weitergeben können.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte schon vor dem Sommer die Regel aufgestellt, dass innerhalb von 24 Stunden nach Anruf eine Testung durchgeführt, nach 48 Stunden ein Testergebnis kommuniziert und nach 72 Stunden die Kontakte nachverfolgt werden müssen. Kann die Gesundheitsbehörde das für jeden Fall so umsetzen, könnte die Pandemie stark eingebremst werden. Ob diese Ziele aktuell erreicht werden – oder jemals erreicht wurden –, wird womöglich im Hintergrund dokumentiert, nicht aber an die Bevölkerung kommuniziert.

Lokale Zielvorgaben

Ein System, das Fallzahlen an Maßnahmen knüpft, wäre auch für die Wahrnehmung eines gewissen Maßes an Eigenverantwortung hilfreich. Es ist leichter, sich an Verbote zu halten, wenn absehbar ist, dass sie in wenigen Wochen fallen – wenn die Fallzahlen sich wie erwartet entwickeln. Dafür sind jedoch konkrete Zielvorgaben nötig.

Der US-Staat Kalifornien hat ein solches System. Die Skala reicht von Gelb (maximal ein Fall pro 100.000 Einwohner pro Tag oder eine Testpositivrate unter zwei Prozent) bis Blau (weniger als 15 Prozent der Intensivbetten verfügbar).

In Großbritannien wurde auch mit Lockdown-Ebenen (Tiers) gearbeitet, die mit fixen Maßnahmen verbunden sind – die Zuweisung der Regionen zu den Ebenen erfolgte aber auf politischer Ebene. Aufgrund der neuen Virusvariante stiegen die Infektionszahlen jedoch so stark an, dass das Modell durch einen nationalen Lockdown ersetzt wurde. Manche Pläne werden von der Realität überholt.

Für eine korrekte Risikoeinschätzung nötig wären außerdem mehr Details zu den Folgen einer Infektion. Üblicherweise wird nur über die Kapazitäten der Krankenhäuser und Todesfälle diskutiert – dabei haben auch Infektionen, die nicht tödlich ausgehen, oft Langzeitfolgen ("Long Covid").

Laut einer Umfrage der britischen Gesundheitsbehörden hatte einer von fünf Infizierten noch nach fünf Wochen Symptome, bei einer von zehn Personen hielten sie selbst nach zwölf Wochen an. Eine Infektion ist also nicht nur für die Gesellschaft problematisch – hat eine infizierte Person nicht das Glück eines asymptomatischen Verlaufs, verläuft eine solche zumindest meist höchst unangenehm. Solche Daten werden allerdings ins strukturierten Zeitreihen äußerst selten herausgegeben. (Markus Hametner, 6.2.2021)