Er habe sogar Skistar Hermann Maier physiotherapeutisch behandelt, gaukelte ein 37-jähriger Angeklagter seinen Opfern vor. Die er teils in Wirtshäusern fand.

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Wien – Zwei Verhandlungen, ein Delikt: Am Landesgericht für Strafsachen Wien beschäftigen sich am Freitag Kenan Ibili und kurz darauf ein Stockwerk tiefer Philipp Krasa mit gewerbsmäßigen Betrügern. Im ersten Fall geht es um einen falschen Physiotherapeuten, auch das zweite Verfahren dreht sich um äußerst körpernahe Dienstleistungen – eine 35-Jährige hat als Prostituierte gearbeitet, während sie arbeitslos gemeldet war, und so das AMS um über 10.000 Euro geschädigt.

Im ersten Prozess heißt der geständige Delinquent Joachim F., ist 37 Jahre alt, Deutscher und hat in seiner Heimat bereits beachtliche 15 Vorstrafen gesammelt, wie Richter Ibili dem Angeklagten mit hochgezogener Augenbraue vorhält. Neun der Vorverurteilungen sind einschlägig, siebenmal war F. allein zwischen 2011 und 2013 wegen Betrugs in Deutschland vor Gericht und im Gefängnis.

Geständiger Angeklagter

Der Angeklagte könnte auch problemlos als Vertriebsconsulter oder Motivationscoach durchgehen, so jung, dynamisch und erfolgreich wirkt er. Sein Verteidiger Andreas Reichenbach kündigt an, dass F. sich vollumfassend geständig verantworten wird, was der Angeklagte auch macht.

Nach seiner jüngsten bedingten Haftentlassung im September 2016 kam er nach Österreich. "Ich habe aber leider meinen Personalausweis verloren, daher konnte ich keinen offiziellen Job anmelden", bedauert er. Warum er sich vier Jahre lang bei der Botschaft keinen neuen ausstellen ließ, verrät er nicht. Eine Rolle könnte spielen, dass er in Deutschland Bewährungsauflagen hatte. "Haben Sie die erfüllt?", fragt Richter Ibili. "Teilweise. Ich habe mich vor meiner Übersiedelung aber nicht bei meinem Bewährungshelfer abgemeldet", gesteht F. ein.

Drei Faktenkomplexe wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Der Kurioseste: Er soll in Lokalen Personen angesprochen, ihnen Massagen angeboten und teilweise Behandlungsblöcke verkauft haben, die er dann nicht durchführte.

Kundenakquise mit Hermann Maier

"Sind Sie Physiotherapeut?", fragt ihn der Richter. "Ich habe in Deutschland eine Ausbildung als Physiotherapeut und Sportmasseur begonnen", sagt der Angeklagte. "Aber nicht abgeschlossen?" – "Nein." – "Sie haben erzählt, dass Sie auch Hermann Maier massiert haben?" – "Das war überspitzt, um die Kunden zu überzeugen." – "Wo haben Sie die kennengelernt?" – "In Wirtshäusern." – "Das ist, ich sag jetzt einmal, doch ungewöhnlich. Wie hat sich das ergeben?" – "Im Gespräch. Man trinkt was, jeder hat so seine Wehwehchen. Ich habe ihnen gleich geholfen. Entweder etwas eingerenkt oder gesagt, woran es liegt."

In einer Bar habe er auch eine Ordinationshilfe kennengelernt, die in einem Institut arbeitete, das originellerweise in Rufweite des Landesgerichts liegt. "Das war mehr eine ganzheitliche Praxis, ich konnte dort auf eigene Rechnung arbeiten", erklärt der Angeklagte. Zwei Kundinnen, denen er Probemassagen anbot, loben seine Fähigkeiten durchaus: "Er kann's, muss ich dazu sagen", sagt eine Zeugin. F. wollte halt nicht.

Lebensmittel vom "Vater" versprochen

Zum Drüberstreuen versprach er manchen Opfern auch Wurst, Speck und Käse, von seinem angeblich in Tirol lebenden Vater produziert. "Das war eine Lüge. Ich hatte einen Lieferanten, aber der ist dann abgesprungen", entschuldigt er die Nichtlieferung nach dem Kassieren. 14 Personen haben sich insgesamt als Privatbeteiligte angeschlossen, ihr Schaden schwankt zwischen 75 und 3.000 Euro.

Verteidiger Reichenbach weist in seinen Schlussworten noch darauf hin, dass sein Mandant stets unter seinem richtigen Namen aktiv war und teilweise sogar Quittungen ausgestellt habe. "Dazwischen hat er auch ein gewisses Alkoholproblem gehabt, das wird auch eine Rolle gespielt haben, genau wie die neue Familiensituation." – F. ist nämlich seit acht Monaten Vater. Einige Entwicklungsschritte des Nachwuchses könnte er nun verpassen: Ibili verurteilt ihn rechtskräftig wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs zu zwei Jahren unbedingt.

Arbeitslos gemeldete "Schnuckiemaus"

Im Verhandlungssaal 204 fasst wenig später Verteidiger Wolfgang Haas das Leben seiner Mandantin Melanie R. wie folgt zusammen: "Schlechte Freunde, schlechte Drogen, schlechte Kindheit." Die 35-jährige gelernte Friseurin hat drei Vorstrafen, aus der jüngsten Haftstrafe – drei Jahre wegen Drogenhandels – wurde sie bedingt entlassen. Im März meldete sie sich beim Arbeitsmarktservice an, nebenbei inserierte sie im Internet beispielsweise als "Schnuckiemaus" und bot sexuelle Dienstleistungen an.

"Laut der Anklage wollten Sie 200 Euro pro Stunde?", fragt Richter Krasa. Angeklagte R. lacht auf: "Die hätte ich haben wollen. Im Endeffekt waren es zwischen 140 und 160 Euro." Trotz diverser Lockdowns sei sie in einem guten Monat aber auf 2.000 Euro im Monat gekommen – zusätzlich zu den 10.903,02 Euro, die ihr das AMS überwies. "Wie schaut die Zukunft finanziell aus?", interessiert den Richter noch. "Ich habe jetzt einen Steuerberater. Ich werde mir eine Steuernummer holen und ein Gewerbe anmelden", kündigt sie an. Offenbar als Friseurin und nicht als Domina.

Anonyme Anzeige war falsch

Auf die Spur kam man R. übrigens, nachdem sie anonym wegen eines Drogendelikts angezeigt worden war. Dieser Vorwurf stellte sich als falsch heraus, bei der Einvernahme rückte die Arbeitslose dann aber mit ihrer Nebenerwerbsbeschäftigung heraus. Bei der Bewährungshilfe ist man überzeugt, dass sie das Ruder diesmal wirklich herumreißen will, und spricht sich für eine milde Bestrafung aus.

Sie erhält rechtskräftig sechs Monate unbedingte Haft, ein Jahr an offener Vorstrafe wird aber nicht widerrufen. "Eine bedingte Strafe ist bei drei Vorstrafen nicht möglich, noch dazu haben Sie ja wenige Wochen nach der Entlassung aus dem Gefängnis angefangen", begründet der Richter seine Entscheidung. (Michael Möseneder, 15.1.2021)