Die Plattform Youtube hat nun eine Parlamentsrede von Herbert Kickl, dem Klubobmann der FPÖ im Nationalrat, gelöscht, weil sie "gegen die im Falle medizinischer Falschinformationen geltenden Regeln" verstoße.

Die FPÖ ist de facto die einzige Impfgegner- und Corona-Leugner-Partei Österreichs. Kickl gibt zu diesen Themen haarsträubenden bis bösartigen Unsinn von sich. Und doch: Er ist immerhin Klubchef einer Parlamentspartei, und da dreht man ihm die im Hohen Haus gehaltene Rede so einfach ab? Die Rede war auf dem FPÖ-Kanal auf Youtube erschienen.

Youtube, ein Megakonzern (und Tochter des Gigakonzerns Google), darf entscheiden, was von einem gewählten Volksvertreter eine breitere Öffentlichkeit erreicht oder nicht? Und ausgerechnet Youtube, dessen Geschäftsmodell – wie bei allen anderen "Big Tech"-Konzernen und -Plattformen (Twitter, Facebook) – es auch ist, eine "Erregungsmaschine" zu sein? Die Algorithmen von Big Tech sind darauf angelegt, die Emotionen anzustacheln und so die User möglichst lange bei sich zu behalten.

Die Problematik wird gerade heiß diskutiert, denn in einer gewaltigen Kehrtwendung haben Twitter, Facebook und Youtube gerade den auslaufenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, gesperrt. Dies, obwohl er 88 Millionen Follower auf Twitter und 35 Millionen auf Facebook hatte – und sie ihm jahrelang, schon vor seiner Präsidentschaft, alles durchgehen ließen. Motiviert war der Entschluss übrigens auch durch eine Revolte der eigenen Mitarbeiter.

Kickl verbreitete in seiner Rede Unsinn, gepaart mit Unwahrheiten.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Youtube begründete seine Entscheidung, Kickl rauszukicken, übrigens mit einem Verstoß gegen die eigene "Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19". Diese Richtlinien untersagen die Verbreitung von Falschinformationen über Behandlung, Prävention, Diagnose und Übertragung von Covid-19.

"Lockdown-Fetischismus"

Kickl hat zweifellos polemischen Unsinn, gepaart mit Unwahrheiten, in seiner Rede (und nicht nur dort) in die Welt geschleudert. Er sprach von "Impfzwang im Klassenzimmer", "Lockdown-Fetischismus", "Unfreiheit und Totalitarismus". Dinge, die tausendfach und noch viel ärger von anderen "Querdenkern" verbreitet werden. Es ist nicht sicher, ob er dafür vor einem Gericht verurteilt würde (wegen Hetze oder Verleumdung). Die österreichische Judikatur erlaubt auch harte "kritische Werturteile", solange sie durch ein hinreichendes Tatsachensubstrat gedeckt und in Relation zu diesem nicht exzessiv sind und sich nicht in bloß formalen Ehrenbeleidigungen erschöpfen.

Andererseits: Zu viel ist zu viel. Zu diesem Schluss sind auch die Big-Tech-Konzerne gekommen, nachdem sie Trump gezählte 20.000 Lügen und ungezählte Beleidigungen in vier Präsidentenjahren hatten durchgehen lassen. Auslöser war laut Twitter die Gefahr, dass er neuerlich zu Gewalt aufrufen könnte, wie beim Sturm aufs Kapitol.

Doch es bleibt das Unbehagen in Bezug auf die Willkür von Big Tech, die einmal so und dann wieder so ausfallen kann (ganz abgesehen davon, dass nun die ebenfalls gesperrten rechten Plattformen in den Untergrund wandern). Auf den Punkt gebracht hat es Angela Merkel, die zur Twitter-Sperre von Trump bemerkenswerterweise sagt, die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut und Eingriffe könne es nur auf der Basis von Gesetzen geben, nicht auf Beschluss von Netzwerkbetreibern.

"Auf der Basis von Gesetzen". Das bedeutet wohl eine Riesenarbeit, die Macht von Big Tech in einer Regulierung einzufangen. (Hans Rauscher, 15.1.2021)