Ein israelischer Wissenschaftler präsentiert im November des Vorjahrs eine antike Goldmünze. Wertvoll ist sie auch heute noch.
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Erst das Rekordhoch, dann die Flaute. Dass nach Anfang August, als der Goldpreis in 2069 US-Dollar pro Feinunze gegipfelt war, eine längere Verschnaufpause folgte, kam für Ronald Stöferle nicht ganz überraschend. Der Fondsmanager und Analyst des Investmenthauses Incrementum verweist auf die zuvor starken Anstiege, dank deren Gold 2020 um etwa ein Viertel zulegen konnte. "Man darf nicht gierig werden", sagt Stöferle, "das ist eine sehr positive Entwicklung." Und diese sollte sich auch heuer fortsetzen.

Als Triebfeder wähnt er eine sich im Verborgenen bereits abzeichnende Inflation, die dem Goldpreis – das Edelmetall gilt als Schutz vor Geldentwertung – Aufwind verleihen sollte. Warum sollte es in der Corona-Krise zu Inflation kommen, wo doch schon bei der Finanzkrise 2008 fälschlicherweise davor gewarnt wurde? Stöferle vergleicht die Lage mit der Fabel des Hirtenjungen Äsop, der aus Langeweile falschen Alarm vor einem Wolf gegeben hatte. Als Äsop dann tatsächlich einem Wolf begegnete, fanden seine Hilferufe kein Gehör mehr.

"Ich glaube, dass die Inflation viele Leute auf dem falschen Fuß erwischen wird", sagt Stöferle. Was diesmal anders ist als bei der Finanzkrise? Er verweist auf das stark gestiegene Geldvolumen (Geldmenge M2), das in den USA 2020 um ein Viertel angestiegen sei. Zudem sei der fiskalische Stimulus ungleich stärker und komme bei den Haushalten an. Sobald die Pandemie wegen der Impfungen abklingt, "werden die Leute konsumieren", betont Stöferle. Dies erhöhe die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und die Wahrscheinlichkeit einer höheren Teuerung.

Pendel schwingt um

Zwar gebe es nach wie vor auch deflationären Druck, etwa wegen der Demografie oder der zu erwartenden Pleitewelle, allerdings erwartet der Goldexperte trotzdem, dass das Pendel in Richtung Inflation umschlagen wird. "Das soll aber keine Warnung vor einer Hyperinflation sein", beruhigt Stöferle. Sehr wohl glaubt er jedoch an ein Übertreffen der Inflationsziele von zwei Prozent in Europa und den USA, wo er dies bereits im Frühling für möglich hält.

Damit liegt er auf einer Linie mit der US-Großbank Goldman Sachs, die im Jahresverlauf einen Anstieg der US-Inflation auf drei Prozent erwartet – zumal die Notenbank Fed bereits im Vorjahr angekündigt hat, ein temporäres Überschießen des Inflationsziels tolerieren zu wollen. "Das kann zu Sorgen über die langfristige Inflationsentwicklung bei den Marktteilnehmern führen und zu mehr Zuflüssen in Gold, um sich dagegen abzusichern", erklären die Analysten des Hauses.

Einigkeit herrscht unter den Goldman-Sachs-Experten und Stöferle auch über die Kursaussichten, sie sehen heuer einen Anstieg auf 2300 Dollar, was vom derzeitigen Niveau ausgehend eine neuerliche Zunahme um fast ein Viertel bedeuten würde. "Das kann ich mir gut vorstellen", sagt Stöferle, "Gold befindet sich in einem etablierten Aufwärtstrend." Treiber bleiben seiner Erwartung nach weiterhin negative Realzinsen, also Zinsniveaus, die unter der Inflationsrate liegen. "Negative Realzinsen werden uns noch sehr lange begleiten", betont Stöferle. "Daher kommt es zu dieser Flucht in Gold und Sachwerte."

Notenbanken verkaufen

Zufall oder nicht, seit dem bisherigen Rekordhoch von Anfang August stehen die globalen Notenbanken laut einem Bericht des World Gold Council auf der Verkäuferseite, nachdem sie in den Jahren zuvor die Goldbestände aufgestockt hatten. Bei Notenbanken geht es um stattliche Summen, im November warfen sie netto 7,3 Tonnen Gold auf den Markt. Größter Verkäufer war die türkische Notenbank, die sich von 20,9 Tonnen trennte.

Die Verkäufe seien an lokale Banken erfolgt, damit diese die immense Nachfrage nach Gold – im Dezember lag die Inflation in der Türkei bei fast 15 Prozent – decken könnten, hieß es zur Begründung. Strategieschwenk stecke jedoch keiner dahinter. In den vergangenen Jahren erhöhte die Türkei ihre Goldreserven deutlich auf 561 Tonnen. Das entspricht etwa dem privaten Goldbesitz in Österreich, während die Bestände der Oesterreichischen Nationalbank seit dem Jahr 2007 konstant bei knapp 280 Tonnen liegen. (Alexander Hahn, 17.1.2021)