Als Erstes stolpert man über den Bärenkopf. Gleich beim Eingang zum Firmensitz von Joh. Springer’s Erben in Wien-Josefstadt liegt das Fell eines wirklich großen russischen Bären, fotografieren lässt sich Waffenhändler Christian Johann Springer nicht damit. Er sei so schon immer der Böse, meint der Unternehmer, weil: "Die Jagd ist ein schwieriges, endloses Thema."

STANDARD: Wie viele Ski-Doos haben Sie schon verkauft?

Springer: Bisher eins, da sind wir am Anfang.

STANDARD: Eigentlich verkaufen Sie nicht Schneefahrzeuge, sondern Waffen und Zubehör, Sie erzeugen Gewehre, und vor zehn Jahren haben Sie mit Auktionen begonnen. Da bieten Sie eine breitere Produktpalette an, vom Vierradfahrzeug eben bis zum Ski-Doo. Läuft das gut?

"Ich handle ja nicht mit Militärwaffen für Verbrecherbrigaden, da würde ich Vorwürfe verstehen": Büchsenmacher Christian J. Springer.
Foto: Regine Hendrich

Springer: Dass wir die Digitalisierung speziell für unsere Auktionen genützt haben, hilft uns in der Lockdown-Zeit sehr. Da probieren wir jetzt auch andere Produkte aus, die Jäger und Sportschützen interessieren könnten. Fahrzeuge, Ski-Doos: Wir schauen, wie schnell man da Retailumsätze generieren kann.

STANDARD: 2019 haben Sie 5,8 Millionen Euro umgesetzt, wie verteilt sich das?

Springer: 60 Prozent machen wir im Retail, 30 mit den Auktionen und zehn Prozent mit der Herstellung unserer Flinten und Büchsen.

STANDARD: Ihr Unternehmen hatte die Waffenproduktion 1956 eingestellt, seit 2010 erzeugen Sie wieder Büchsen. Nachdem 2018 die Privatstiftung von C-Quadrat-Gründer und ÖVP-Spender Alexander Schütz mit 14 Prozent eingestiegen ist, wollen Sie mehr produzieren?

Springer: Von den Büchsen erzeugen wir zwölf Stück im Jahr, eine kostet 38.000 Euro. Die Idee beim Einstieg von Herrn Schütz war, die "Springer-Flinte" wieder zu produzieren, mit der wir einst sehr erfolgreich waren. Damit beginnen wir jetzt. Für diese Flinten gibt’s einen großen Markt, speziell im Osten. Zehn bis dreißig Stück im Jahr wollen wir verkaufen.

STANDARD: Ihr Unternehmen hat seit 1836 nur rund 10.600 Waffen produziert?

Springer: Ja, wir sind kein industrieller Massenbetrieb.

STANDARD: Der Waffenhandel boomt. In Österreich gibt es derzeit 1,15 Millionen Waffen, im Vorjahr wurden um zehn Prozent mehr gekauft als 2019, so viel wie nie zuvor. Weil mehr gejagt wird, wie manche sagen, oder sich die Österreicher unsicherer fühlen, wie andere glauben?

Springer: Wir spüren den Nachfrageanstieg nicht. Die Meldezahlen waren nach Waffengesetzänderungen gesunken, jetzt steigen sie wieder: weil es neue Sportarten gibt, die mit neuen Waffentypen ausgeübt werden dürfen, und weil das Sicherheitsbedürfnis steigt. Der Österreicher lebt sicherer, wenn er eine Waffe zu Hause hat, mit der er umgehen kann.

STANDARD: Wozu sollte man sich bewaffnen?

Springer: Manche Menschen fürchten sich eben. Die können sich gemäß unserem Recht mit einer Waffe ausrüsten, und dann ist es wichtig, dass sie damit umgehen können.

STANDARD: Sie dürfen Ihre drei Geschäfte trotz Lockdowns offenhalten. Weil die Jäger Munition brauchen? Manche ätzen, weil Ihr Miteigentümer Schütz ÖVP-Spender sei.

Springer: Wir haben unsere Geschäfte zugesperrt, es kommt ja keiner. Nur die Werkstätte ist geöffnet, für die, die Reparaturen brauchen. Unser Umsatz ist um 80 Prozent gesunken. Wir haben unsere rund 30 Leute in Kurzarbeit und nützen die Corona-Hilfen.

STANDARD: Sie haben 2019 einen Gewinn von 200.000 Euro gemacht. Wie werden Sie die Corona-Auswirkungen überstehen?

Springer: Wir waren bewusst sehr sparsam, haben wenig Fremdkapital und genug Liquidität. Wir haben noch eine Spur Luft, um diese Krise zu überstehen.

STANDARD: Stimmt es, dass Sie für die Erzeugung eines Gewehrs ein Jahr brauchen?

Springer: Nein, vier bis fünf Monate. Wir lassen uns Zeit, wir haben keinen Stress. Aber man kann auch viele Jahre dran arbeiten: In Ferlach hat ein Büchsenmacherkollege einmal acht Jahre an einem Gewehr getüftelt, er hat es mit aufwendigen Gravuren versehen.

STANDARD: Sie beschäftigen fünf Büchsenmacher, sind selbst auch einer. 2019 gab es in Österreich drei Büchsenmacher-Lehrlinge. Welcher junge Mensch sagt: Ich werde Büchsenmacher?

Springer: Eben. Es ist schwer, welche zu finden. Wobei Büchsenmacher interessante Typen sind: Feinmechaniker und Tüftler, die die Einzelteile zusammenbauen, und Künstler, die aufwendigste Gravuren herstellen.

STANDARD: Sie haben wirklich einmal ein Gewehr um 338.000 Euro verkauft?

Springer: Das war ein Unikat von einem britischen Hersteller, er hat nur zwei Stück davon gemacht und eines der Queen zum 60. Thronjubiläum geschenkt. Ich habe das zweite erworben und einem Sammler weiterverkauft.

STANDARD: Ihre Branche ist nicht die sympathischste, euphemistisch gesagt. Waffen bedeuten Verletzung und Tod. Wie halten Sie das aus?

"Der Österreicher lebt sicherer, wenn er eine Waffe zu Hause hat, mit der er umgehen kann", sagt Christian J. Springer.
Foto: Regine Hendrich

Springer: Ich kenne viele Leute, die Waffen ablehnen – das ist auch okay. Ich lehne ja auch vieles ab. Ich mache nichts Illegales, wir betreuen Kunden, Jäger und Sportschützen, die nichts Böses wollen. Ich handle ja nicht mit Militärwaffen für irgendwelche Verbrecherbrigaden. Da würde ich Vorwürfe verstehen. Wir haben viel Verantwortung, veranstalten Trainings und Schulungen, denn den Umgang mit der Waffe zu lernen ist extrem wichtig – weil es eben tödlich enden kann. Wer bei uns Revolver oder Pistole zur Selbstverteidigung kauft, bekommt immer Schießkurse angeboten. Weil der, der mit einer Waffe umgehen kann, verwendet sie viel seltener: Er weiß, was er mit einer Waffe anrichten kann.

STANDARD: Warum haben Sie Schütz als Partner geholt? Er kommt aus der Finanzbranche.

Springer: Unser verstaubtes, langsames Old-Economy-Unternehmen mit so viel Geschichte ist eigentlich der Gegenentwurf zu seinem Geschäft, aber genau deswegen wollte ich ihn als Partner: Ich wollte jemanden, der meinem Unternehmen eine neue Dynamik gibt.

STANDARD: In Mariazell hatten Sie ein Geschäft mit Dayli-Gründer Rudolf Haberleitner …

Springer: Kläglich gescheitert. Wir mussten zusperren, obwohl es dort genug Nachfrage nach Outdoor-Kleidung und Jagdbedarf gäbe.

STANDARD: Wie oft verkaufen Sie eigentlich die Haube für Falken um 239 Euro?

Springer: In Zeiten des arabischen Tourismus öfter als jetzt. Die Araber haben im Marriott ums Eck gewohnt und bei uns Falkenhäubchen und Falknerhandschuhe gekauft – bestickt mit der Flagge von Saudi-Arabien.

STANDARD: Großunternehmer kaufen neuerdings gern Jagdreviere. Geht’s da ums Jagen?

Springer: Ums Investment, das hängt mit dem Zinsniveau zusammen. Jagd ist ja Arbeit, da muss man stundenlang draußen hocken, bei jedem Wetter, um den gesetzlichen Abschussplan zu erfüllen. Das ist ja alles nicht lustig.

STANDARD: Wie wichtig ist die Jagd noch für die Geschäftsanbahnung?

Springer: Die Compliance erlaubt solche Einladungen gar nicht mehr. Das hat eine schöne Entwicklung genommen: Die Leute, die jagen gehen, machen das, weil sie jagen wollen.

STANDARD: Sie vermitteln auch Jagdausflüge?

Springer: Ich habe ein Netzwerk an Leuten, die große Jagden haben, und Kunden, die in Österreich etwa auf die Gamsjagd wollen, weil das ein wunderschönes Erlebnis ist. Die bringe ich zusammen, dafür nehm ich kein Geld.

STANDARD: Was ist schön daran, Gämsen zu erschießen?

Springer: Wenn man "schön" und "tot" in einen Satz bringt, ist es nie schön. Wir Jäger sagen auch "Ernte", und die setzt das Ableben eines Tiers voraus. Eine Gamsjagd in alpinem Gelände läuft hochtraditionell und professionell ab, das ist für die Kunden ein Erlebnis.

STANDARD: Hat Ihnen nie ein Tier leidgetan, das Sie geerntet haben? Denken Sie nie: "Dieses Tier soll weiterleben"?

Springer: Oft. Dann schieße ich nicht.

STANDARD: Wird eines Ihrer sechs Kinder das Unternehmen weiterführen?

Springer: Ich hoffe. Aber man muss der nächsten Generation Freiheiten einräumen in der Zeit der Start-ups, in der man Unternehmertum neu denkt. Die nächste Generation geht vielleicht mit grünen Flipflops hier herein – und im grünen Tweedjackerl. (Renate Graber, 16.1.2021)