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In den USA hat man schnell einen Job, ist ihn aber auch rasch wieder los. In der Krise sind die USA aber ein Stück von Hire-and-Fire abgewichen. 1400 Dollar sollen US-Bürger pro Kopf im Rahmen des neuen Hilfspakets bekommen.

Foto: AP / Wilfredo Lee

Man kann nicht behaupten, dass Joe Biden ins Gesparte fährt, tief in die Taschen greifen will er aber allemal. Am Donnerstag präsentierte der designierte US-Präsident seine Pläne für ein neues Corona-Konjunkturpaket, das 1,9 Billionen Dollar umfassen soll (rund 1,6 Billionen Euro). Die US-Wirtschaft ist schwer angeschlagen, die Arbeitslosenzahlen steigen wieder rasant, und ein Ende der Pandemie zeichnet sich noch nicht ab. Kommende Woche tritt Biden das Amt als Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten an, und er übernimmt einen wirtschaftlichen Scherbenhaufen.

Er hat ambitionierte Pläne: Mehr als 400 Milliarden Dollar sind für den direkten Kampf gegen die Corona-Krise geplant, die privaten Haushalte sollen mit insgesamt einer Billion Dollar unterstützt und den am stärksten leidenden Unternehmen und Kommunen mit etwa 440 Milliarden Dollar geholfen werden. Es soll Direktzahlungen an Bürger in der Höhe von 1400 Dollar pro Kopf geben. Die Arbeitslosenhilfen dürften ausgeweitet und abermals verlängert werden, bis September. Die Unterstützungszahlung möchte Biden von bislang 300 auf 400 Dollar pro Woche anheben.

Die USA fahren also wieder einmal schwere finanzielle Geschütze auf, um aus der Krise zu kommen. Sind sie damit erfolgreicher als Europa? Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostizierte im Herbst, dass US-Wirtschaft um 4,3 Prozent schrumpfen werde, jene der Eurozone hingegen um 8,3 Prozent. Die Unsicherheit hinter diesen Zahlen ist allerdings nicht zu unterschätzen.

Erstes Paket schnell beschlossen

Das erste Konjunkturpaket in den USA war schnell beschlossen und zeigte genauso schnell Wirkung. 2,2 Billionen Dollar war es schwer. Die Bürger erhielten einen 1200-Dollar-Konsumscheck, und das Arbeitslosengeld wurde temporär um 600 Dollar pro Woche erhöht. Das spiegelte sich unmittelbar in den Konsumausgaben wider, vor allem die ärmeren US-Bürger profitierten von der Maßnahme – und somit auch die Wirtschaft. In den USA hängt das BIP zu zwei Dritteln am Konsum. Rasant steigende Arbeitslosenzahlen und die Angst vor weiterer Unsicherheit wirken sich schlecht auf die Kauflaune aus.

Der EU-Corona-Hilfsfonds lief erst mit dem heurigen Jahr an. Gemessen an den amerikanischen Konjunkturpaketen wirkt der europäische Aufbaufonds mit seinen 750 Milliarden Euro eher zwergenhaft. Der Schein trügt aber, erklärt Stefan Schiman vom Wifo: "In Europa gibt es mehr sogenannte automatische Stabilisatoren, die immer greifen und auch Krisen zumindest teilweise abfedern", sagt der Ökonom und nennt höhere Unterstützungen für Arbeitslose, aber auch die höhere Steuerprogression als Beispiel. "In den USA müssen Unterstützungsmaßnahmen oft eigens beschlossen werden. Deshalb kann es so aussehen, als würden die USA in der Krise sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen als die Europäer. Die Maßnahmen in Europa und den USA sowie ihre Effekte sind aber vergleichbar." In Europa gibt es einen stärkeren Sozialstaat, Unternehmen kooperieren stärker mit Gewerkschaften, und Arbeitnehmer sind besser geschützt. Das hat alles seinen Preis, auch in Nicht-Krisen-Zeiten.

Hire-and-Fire

Ein traditionell wichtiger Unterschied zwischen Europa und den USA liegt in der Hire-and-Fire-Mentalität der Amerikaner. Es ist für Unternehmen einfach, Mitarbeiter loszuwerden. Die Arbeitslosigkeit schnellt in Krisenzeiten deshalb stärker empor als in Europa. Dafür stellen Betriebe auch rascher wieder ein, wenn es wirtschaftlich wieder bergauf geht – die US-Arbeitslosenzahlen aus dem Frühjahr zeigen das eindrucksvoll. Dennoch sind die USA in der Corona-Pandemie auch ein stückweit von Hire-and-Fire abgewichen und haben mit dem Paycheck Protection Program mit einem Volumen von 700 Milliarden Dollar auch auf eine Art Kurzarbeit gesetzt.

Die Anhebung des Arbeitslosengeldes brachte auch eine Kuriosität mit sich. Manche Amerikaner hatten in der Arbeitslosigkeit vorübergehend ein höheres Einkommen als mit Job, wie der Economist berichtete. Die 600 Dollar Arbeitslosenunterstützung wurden von Trump allerdings wieder halbiert, Biden möchte sie nun auf 400 Dollar steigern und langfristig den Mindestlohn auf 15 Dollar pro Stunde heben.

Der Weg zum zweiten US-Konjunkturpaket gestaltete sich schwieriger. Monatelang stritten Demokraten und Republikaner im Kongress, bis sie sich Ende Dezember auf ein weiteres Paket in der Höhe von 900 Milliarden Dollar verständigten. Bis zur letzten Minute gab es heftiges Gezerre um die Direkthilfen. Der scheidende Präsident Trump hätte eine Einmalzahlung von 2000 Dollar gewollt, das Paket sah aber nur 600 vor.

Unsicherheitsfaktor Mensch

Die konstante Ungewisse für Wirtschaft bleibt die Veränderung bei den Menschen. Den Umgang mit einer Krankheit wie Covid-19 kennen wir nicht. Das könnte zur Folge haben, dass sich bisherige Verhaltensweisen auch langfristig verändern. Möglicherweise werden bisherige Konsumausgaben überdacht, weil das Bedürfnis wächst, vorzusorgen und besser abgesichert zu sein. Somit würde auch die Sparquote steigen. Das würde die Erholung verlangsamen. Daher bleibt ungewiss, ob es zur V-förmigen Erholung der Wirtschaft kommt – von der man bisher ausging und auf die man hofft. (Andreas Danzer, Aloysius Widmann, 16.1.2021)