Liberaler Integrationspolitiker mit Weitblick.
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Verschwitzt, den Kohlestaub im Gesicht, aber höchst zufrieden. So zeigte sich Armin Laschet im Jahr 2018 beim letzten Besuch der Zeche Prosper Haniel in Bottrop, bevor diese geschlossen wurde. Man muss nicht annehmen, dass der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen unter Tage, im Kohlebergwerk, noch mal selbst anlegte. Aber der Staub im Gesicht, der gehört zu einer gewissen Bergmanns-Romantik dazu.

Laschets Vater war, bevor er zum Lehrer umschulte, Steiger und arbeitete 1000 Meter unter der Erde. Seine Bergmanns-Marke hatte Laschet am Parteitag als Glücksbringer dabei. Sie sollte nicht nur Glück bringen, sondern auch zeigen: Ich habe meine Wurzeln nicht vergessen, ich bin bodenständig und weiß, wo ich herkomme.

Der Machtmenschliche

Laschet stammt auch Aachen aus einer katholisch geprägten Familie. Seine Mutter war Hausfrau, er hat noch drei jüngere Brüder. Noch immer ist der Glaube für Laschet sehr wichtig. Gleichzeitig ist er das, was man eine rheinische Frohnatur nennt. Karneval ist für ihn keine Pflicht, sondern Freude. Er lacht gern, er kann gut mit den Menschen und raucht Zigarillos. "Ich bin vielleicht nicht der Kandidat der perfekten Inszenierung. Aber ich bin Armin Laschet – darauf können Sie sich verlassen", sagte er in seiner Bewerbungsrede.
Am Parteitag war er – der alphabetischen Ordnung wegen – der erste, der seine Rede hielt. Er sprach viel von Vertrauen und vom Zusammenhalt. "Es geht um die wichtigste Frage: Wem vertrauen?", sagte er und trat an dieser Stelle neben das Rednerpult. Leise und nachdenklich wirkte er dabei.

Vielleicht war dies einer jener Momente, in dem so mancher dachte, "der Armin" habe vielleicht doch nicht den nötigen Biss, diesen unbedingten Willen zur Macht. Das nämlich wird dem 59-Jährigen oft nachgesagt. Eine neue Biografie über ihn heißt "Der Machtmenschliche". Das passt zu Laschet, Friedrich Merz würde man hingegen so nie betiteln.

Der ewige Zweite

Zunächst studierte Laschet Jus in Bonn und München, er war danach für den Bayerischen Rundfunk tätig und von 1991 bis 1994 Chefredakteur der KirchenZeitung Aachen. In die CDU trat er mit 18 ein, es folgte der Aufstieg in der Politik: Ratsherr für die CDU in den Aachener Stadtrat, Bundestagsabgeordneter, Europa-Abgeordneter. 2005 wurde er unter dem damaligen nordrein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) der erste Landesminister für Integration in Deutschland. Sein Spitzname "Türken-Armin" stammt aus dieser Zeit. Laschet war schon damals der Meinung, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei und wurde in der CDU dafür kritisiert. Er aber erklärte 2006, wenn mehrere hunderttausend Menschen jedes Jahr in ein Land zögen, "ist das natürlich ein Einwanderungsland". Alles andere sei eine "Lebenslüge". Auch später, während der Flüchtlingskrise, hat Laschet den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel unterstützt.

Der Sieg über Norbert Röttgen war möglicherweise noch einmal ein kleiner Triumph für den dreifachen Vater. 2010 nämlich wollten beide CDU-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen werden. Bei einer Mitgliederbefragung setzte sich Röttgen durch, Laschet wurde Vize und galt lange Zeit als der "ewige Zweite". Erst als Röttgen 2012 die Landtagswahl verlor, übernahm Laschet den CDU-Vorsitz im Land und wurde auch Vize-Chef der Bundes-CDU unter Parteichefin Merkel.

Armin Laschet im Austausch mit Angela Merkel im August 2020.
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Der Mann der Mitte

2017 gelang dem dreifachen Vater, was ihm viele nicht zugetraut hatten: Er gewann die Wahl in Nordrhein-Westfalen, die rot-grüne Landesregierung von Hannelore Kraft (SPD) wurde abgelöst. Seither regiert Laschet mit der FDP das mit 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands. Dass er so weich nicht ist, wie ihm manche nachsagen, sieht man in der Sicherheitspolitik. Laschets Innenminister Herbert Reul (CDU) gilt als Hardliner, er kämpft gegen Clan-Kriminalität.

Ausgleichen hingegen will Laschet zwischen Ökologie und Ökonomie sein. Obwohl er sicher mit den Grünen koalieren könnte, warnt er vor zu rigorosen Maßnahmen: "Wir brauchen auch Industriearbeitsplätze in der Stahl-, Chemie- und Automobilbranche. Nur mit Abschalten oder der Verschärfung von Klimazielen wird man der Lebenswirklichkeit nicht gerecht." Er selbst nennt "Maß und Mitte" sein Credo, grenzt sich aber scharf von der AfD ab: "Nie dürfen Extremisten Einfluss auf die Bildung von Regierungen haben, nicht in den Ländern, nicht in der Bundesregierung."

cdutv

Der Kanzlerkandidat

Im Rennen um den CDU-Vorsitz lag er nie an der ersten Stelle, was auch mit seiner Corona-Politik zu tun hatte. Zunächst gehörte Laschet zur Lockerungs-Fraktion, dann musste er sich wegen seines Plädoyers für offene Möbelhäuser viel Kritik anhören, auch für die Corona-Ausbrüche in den Schlachthöfen von Tönnies.

Als Laschet seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz bekannt gab, stand natürlich auch gleich die Frage im Raum: Kann und will er auch Kanzlerkandidat der Union sein? Er hat die Frage recht deutlich beantwortet: "Ein Ministerpräsident, der ein 18-Millionen-Land erfolgreich regiert, kann auch Bundeskanzler." Seine Biografen zitieren Laschets Pfarrer, mit dem er sich über dieses Thema auch schon ausgetauscht hat. Der soll auf Laschets Frage, ob er ihm die Kanzlerkandidatur zutraue, geantwortet haben: Einer, der so leidenschaftlich Politik mache, werde ja wohl nicht vor der "letzten großen Herausforderung" stehenbleiben. (Birgit Baumann, 16.1.2021)