Seit dem ersten Lockdown gilt in Österreich, dass Unternehmen auf Homeoffice umstellen sollen, wenn das möglich ist. Von müssen war bis jetzt nicht die Rede.

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Wien – Homeoffice. Das klingt für viele verführerisch nach "Home Sweet Home" oder "My home is my castle". Und dann auch noch dort arbeiten können, dürfen oder gar müssen, weil das gegen die Corona-Pandemie hilft! Einer, der das nicht mehr hören kann, ist ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian: "Irgendwann geht mir das jetzt auch schön langsam auf den Hammer. Weil da tun ja manche so, wie wenn Homeoffice heißt 'Hängematte'. Die müssen ja hackeln, müssen weiter arbeiten, für die Firma arbeiten. Wer glaubt, da kann man nebenbei Kinderbetreuung, Homeschooling machen, Homecooking, die leben am Mond, abseits jeder Realität", sagte der Gewerkschaftschef am Samstag.

Eltern daheim? Kinder daheim!

Anlass für Katzians kleine Wutrede in Sachen Homeoffice war die Forderung nach einer Pflicht zum Homeoffice, die Samstagvormittag im Kanzleramt ausgesprochen wurde. Und zwar von einem jener Experten, die die Regierung eingeladen hatte, um über die weitere Vorgangsweise im Zusammenhang mit dem am 24. Jänner eigentlich auslaufenden Lockdown zu reden. Der Vizerektor der Med-Uni Wien, Oswald Wagner, sagte da nämlich: "Es muss auch Homeoffice verpflichtend werden." Dort, wo es möglich sei, müsse die Arbeit ins Homeoffice verlagert werden, um Kontakte zu reduzieren. "Dass so viele Kinder in den Kindergärten und Schulen in Betreuung sind, hängt ja auch damit zusammen, dass die Eltern arbeiten gehen. Es ist ganz wichtig, dass Homeoffice eingeführt wird und auch verpflichtend gemacht wird. All diese Eltern können und sollten dann Kinder auch zuhause betreuen", betonte er.

Deutscher Bundespräsident: "Gehen Sie nicht ins Büro!"

In Deutschland war tags zuvor am Freitag sogar der Bundespräsident ausgerückt, um sich für Heimarbeit im Dienste der Pandemiebekämpfung starkzumachen. Frank-Walter Steinmeier hat in einem gemeinsamen Appell mit Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern eindringlich dazu aufgerufen, mehr als bisher von zu Hause zu arbeiten: "Wenn Sie die Möglichkeit haben und es bisher noch nicht tun: Arbeiten Sie im Homeoffice! Gehen Sie nicht ins Büro, wenn Sie nicht zwingend müssen. Jede Fahrt zur Arbeit in der S-Bahn oder im Bus, die vermieden werden kann, hilft."

Steinmeier appellierte auch an die Unternehmen: "Ermöglichen Sie das Arbeiten von zu Hause aus." Vieles ließe sich heute digital organisieren, auch wenn es nicht immer ideal sei: "Aber es schützt mit Sicherheit vor Ansteckungen."

Ist aber auch nicht ganz nebenwirkungsfrei oder das pure Idyll. Und so erinnerte der deutsche Bundespräsident auch daran: "Für Familien kann Homeoffice und Homeschooling eine große Belastung sein, und längst nicht jede und jeder hat die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten." Etwa die Menschen, die auch und gerade in der Pandemie den Gesundheitsbereich am Laufen halten, oder in der Industrie, in der Produktion, in der Logistik oder im Handel tätig seien. Auch sie würden durch die im Homeoffice Arbeitenden geschützt, indem die Infektionsdynamik gedrosselt werde durch weniger Kontakte.

Ein Alptraum für viele mit Kindern

Da ist also die zweite Seite von Homeoffice: Für viele klingt es – gerade in Kombination mit Kindern und Homeschooling – ganz und gar nicht nach Arbeit im trauten Heim, geschützt vor der gefährlichen Welt da draußen, sondern nach blankem Horror, totaler Überforderung und heillosem Chaos zu Hause. Das sprach auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) am Samstag nach dem Expertenruf nach Homeoffice-Pflicht an. Homeoffice zur Pflicht zu machen, damit diese Eltern dann auch gleichzeitig ihre Kinder zu Hause betreuen sollen, gehe an der Lebensrealität von Eltern komplett vorbei.

Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020, ab 16. März, gilt in Österreich, dass Unternehmen auf Homeoffice umstellen sollen, aber nicht müssen. Und eine aktuelle Umfrage, die "Profil" veröffentlicht hat, zeigt, dass das Arbeiten von zu Hause trotz Lockdowns freiwillig nur relativ wenig genutzt wird. Die große Mehrheit der Erwerbstätigen arbeitet nicht daheim.

Die Mehrheit arbeitet außer Haus

33 Prozent der 801 Befragten gaben in der Unique Research-Umfrage an, dass sie "gar nicht" von zu Hause aus arbeiten, weitere 29 Prozent sagen, sie hätten "keine Möglichkeit für Homeoffice". Nur ein Fünftel (genau 21 Prozent) arbeitet demnach "fast vollständig" von zu Hause, weitere 20 Prozent zumindest "teilweise".

Eine relative Mehrheit von 37 Prozent befand, dass die "Schulen trotz Lockdowns zum Regelunterricht zurückkehren sollten", weitere 33 Prozent befürworteten sofortige Schulöffnungen in Bundesländern mit niedriger Infektionsrate. Nur 24 Prozent waren der Meinung, dass die Schulen bis zum Ende des Lockdowns geschlossen bleiben sollten.

Homeoffice vor allem für Höherverdiener

Was in vielen Fällen schlicht auch den Betreuungsnotwendigkeiten geschuldet sein dürfte. Das zeigte auch eine Umfrage von Sora im Auftrag des Momentum-Instituts, die im Dezember 2020 präsentiert wurde. Demnach hat die Belastung für die Familien im Laufe des Corona-Jahrs bzw. im zweiten Lockdown zugenommen, wohingegen die Möglichkeit zum Homeoffice abgenommen hat. Hatten im ersten Lockdown noch 45 Prozent zu Hause gearbeitet, waren es im zweiten nur noch 28 Prozent – vor allem Höherverdiener konnten ihre Arbeit auch weiter von daheim aus erledigen.

Noch immer keine gesetzliche Homeoffice-Regelung

Rechtlich wiederum hängt das Thema "Homeoffice" auch nach fast einem Jahr Corona-Pandemie noch immer in der Luft. Die jüngst zurückgetretene Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hatte im September ein Homeoffice-Gesetz angekündigt – für März. Die Sozialpartner haben sich zwar auf die Eckpunkte geeinigt, aber steuerliche Erleichterungen sind noch offen. Dazu zählt zum Beispiel eine an die Pendlerpauschale angelehnte Steuerbegünstigung, weil höhere Kosten für Strom, Heizen oder Internet anfallen können.

Die arbeitsrechtliche Absicherung des Homeoffice sei noch mit Aschbacher vereinbart worden, sagten AK-Präsidentin Renate Anderl und ÖGB-Chef Katzian am Freitag. Diese Einigung werde auch vom neuen Arbeitsminister Martin Kocher mitgetragen. Nun liege der Entwurf im Finanzministerium, wo steuerliche Fragen geklärt werden müssen. Katzian rechnet mit einer Einigung in ein bis zwei Wochen – das hieße dann Anfang Februar und wäre elfeinhalb Monate nach Lockdown Nummer eins. (Lisa Nimmervoll, 16.1.2021)