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Die Regierung von Viktor Orban gibt Migranten keine Chance auf Antragstellung eines Asylbescheids.

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Budapest/Luxemburg – Einen Monat nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen die pauschale Abschiebung von Asylsuchenden hält Ungarn immer noch an dieser Praxis fest. Seit dem Urteil habe die Grenzpolizei mehr als 3.000 Flüchtlinge und Migranten über die Grenze zu Serbien gezwungen, ohne dass diese die Möglichkeit gehabt hätten, einen Asylantrag zu stellen, sagte Andras Lederer vom ungarischen Helsinki-Komitee am Sonntag in Budapest.

Am 17. Dezember hatte der EuGH entschieden, dass Ungarn gegen europäisches Asylrecht verstößt. Die Abschiebung von irregulär eingereisten Migranten ohne Prüfung des Einzelfalls erachteten die Richter für rechtswidrig (Rechtssache C-808/18). Damit gaben sie einer Klage der EU-Kommission Recht. Diese hatte beanstandet, "dass Migranten ohne die entsprechenden Garantien und unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung rückgeführt werden".

Offener Rechtsbruch

Lederer hielt Ungarn nun "offenen Rechtsbruch" vor. "Dass die Dinge nach dem Urteil so weiterlaufen, ist einfach ungeheuerlich." Das Komitee dokumentierte über die Jahre zahlreiche mutmaßliche Verletzungen der Menschenrechte durch ungarische Behörden. Demnach sollen Migranten von ungarischen Grenzbeamten auch geschlagen und misshandelt worden sein.

Die Abschiebungen praktiziert Ungarn seit Herbst 2015. Damals ließ der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban an der Grenze zu Serbien einen Metallzaun errichten. Migranten und Asylsuchende versuchen seitdem, diesen Zaun zu überwinden. Asylanträge an den regulären Grenzübergängen zu stellen, ist für sie ausgeschlossen.

Zurückweisungen

Die Migranten wollen nahezu ausschließlich den Westen Europas erreichen. Werden sie auf ungarischem Staatsgebiet aufgegriffen, bringen sie die Polizisten meist ohne Aufnahme der Personalien zum Zaun an der Grenze. Dort müssen sie durch sogenannte Funktions-Tore nach Serbien.

Die Behörden des EU- und Schengen-Mitglieds stellen diese Abschiebungen als Zurückweisungen dar. Die Grenzbeamten "begleiteten" sogenannte illegale Migranten lediglich zu den Toren, damit sie Ungarn in Richtung Serbien verlassen könnten.

"Grenzschutzmaßnahmen"

Nach einer Anfrage des Online-Portals "euobserver.com" verwies die Regierung auf nationale Gesetze. "Ungarn hat eine besondere Rechtsordnung eingeführt, die unter anderen strenge Grenzschutzmaßnahmen vorsieht", schrieb eine Regierungssprecherin. Auf die konkreten Vorwürfe, dass Ungarn das Urteil des EuGH missachte, ging sie nicht ein.

Bereits im vergangenen Mai hatte der EuGH die sogenannten Transitzonen, die Ungarn an der Grenze zu Serbien eingerichtet hatte, für rechtswidrig erklärt. Ungarn hatte daraufhin die beiden Lager nahe den Grenzübergängen Röszke und Kelebia geschlossen. Dort hatte Ungarn eine kleine Zahl aus Serbien kommender Schutzsuchender monatelang auf die Erledigung ihrer Asylanträge warten lassen. (APA, 17.1.2021)