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Es war ein Moment unverstellter Ehrlichkeit, als der Bundeskanzler Sonntagmittag sagte: "Glauben Sie mir, es wird unser schönster Tag sein, wenn wir alles wieder aufsperren können." Man glaubt es ihm aufs Wort und kann ihm nur zustimmen. Bis dahin werden aber noch einige harte Monate vergehen. Auch daraus machte Sebastian Kurz kein Hehl, "auch wenn wir es alle satthaben". Das kann wohl ebenfalls jeder nachvollziehen.

Niemand will mehr, alle ächzen. Trotzdem verkündete Kurz die Verlängerung des Lockdowns auf 100 Tage. Was danach passiert, steht in den Sternen beziehungsweise in den Prognosen und Berechnungen der Experten. Es bleibt also alles geschlossen, die Maßnahmen werden zum Teil verschärft. Der Regierungschef fürchtet wohl zu Recht, dass viele pandemiemüde Menschen diesem Schritt nicht mehr folgen wollen, auch wenn er angesichts der Entwicklung der Neuinfektionen und der Virusmutationen alternativlos ist – und wahrscheinlich nicht der letzte Lockdown bleibt.

"Wir haben noch zwei bis drei harte Monate vor uns": Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündet die Verlängerung des Lockdowns.
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Gegenüber den gefühlt eintausend Regierungspressekonferenzen seit Beginn der Pandemie lassen sich zwei bemerkenswerte Unterschiede ausmachen. Zunächst einmal zeigt die Regierung nach fast einem Jahr Corona-Krise erstmals wieder ihre Bereitschaft, eng mit den Ländern, mit den Sozialpartnern und sogar der Opposition zu kooperieren. Das zeigte nicht nur die Anwesenheit des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer, noch stärker konnte man es an der Einbindung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig erkennen. Die Regierung wird gut daran tun, diesen Kurs beizubehalten. Ohne aktive Mithilfe der Länder wird weder die geplante Test- noch die Impfstrategie von Erfolg gekrönt sein. Wirtschaft und Gewerkschaft muss sie sowieso ins Boot holen – Arbeitnehmer und Unternehmer brauchen gezielte und schnelle Hilfe, um die kommenden Monate ökonomisch durchzustehen.

Der deutsche Kurs

Zum Zweiten scheint die Regierung endlich einzusehen, dass die Menschen mehr Klarheit brauchen – und sei es anhand einer Zahl, an der sie sich orientieren können. Erstmals nannte Kurz eine Inzidenz von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner als die Richtschnur künftigen Handelns. Auch hier schwenkt er – wenngleich sichtbar zögernd – auf den Kurs von Angela Merkel ein, die für Deutschland längst vorgegeben hat: Das ist das Ziel, das wir erreichen müssen. Danach können wir die Covid-Schutzmaßnahmen lockern.

Vernünftig ist dieser Weg allemal, denn die Zahl ist für alle nachvollziehbar und gibt den Menschen (hoffentlich) den nötigen Ansporn, um den längeren Lockdown und darüber hinaus durchzuhalten. Ob das gelingt, wird auch davon abhängen, wie streng die Maßnahmen kontrolliert und sanktioniert werden – und als wie gerecht sie im Detail empfunden werden. Weitere Diskussionen nach dem Motto "Skifahren ja, Schule nein" sind Gift für die Motivation aller.

Gleichzeitig sagt die Inzidenz aber noch etwas anderes aus: Steigt der Wert wieder, wird es zu neuen Verschärfungen kommen müssen. Alles andere wäre fatal, auch angesichts der Schnelligkeit, mit der sich die Corona-Mutationen um den Erdball verbreiten. Die Lock-auf-Lock-zu-Politik der Regierung wird bleiben. Zumindest so lange, bis eine kritische Mehrheit an Bürgern geimpft und damit geschützt ist. Besser, wir stellen uns gleich darauf ein. (Petra Stuiber, 17.1.2021)