Das Wirtshaus geschlossen, die Restaurants verwaist und Menschen, die vermehrt im Homeoffice sitzen: In den vergangenen Monaten hieß es für viele wieder zurück an den Herd. Die Krise hat auch die Essensgewohnheiten auf den Kopf gestellt.

Über zehn Tonnen Fleisch und Geflügel gingen im ersten Halbjahr 2020 im Gastronomiefachhandel über den Ladentisch – 28 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Jahres davor. Mehr als viereinhalb Tonnen Schwein, gut zwei Tonnen Rind und Kalb und ebenso viel Huhn wurden außer Haus verzehrt. Der Rückgang in allen Segmenten: ein Viertel bis ein Drittel. Dafür wurde im Lebensmitteleinzelhandel mehr gekauft: 81.600 Tonnen Fleisch und Geflügel gingen von Jänner bis September 2020 über den Ladentisch – um sieben Prozent mehr als im Jahr davor.

Während es beim Schwein einen leichten Rückgang gab, griffen die Konsumenten vermehrt bei Geflügel und Faschiertem zu.

Heimische Ware bevorzugt

Wer zum Rinderfilet oder zum Schweinsbraten greift, weiß, woher das Fleisch kommt, trat doch im April des Vorjahres die EU-Primärzutatenverordnung in Kraft. Für Frischfleisch, Eier, Obst, Gemüse und Bioprodukte gilt seitdem die EU-weit verpflichtende Herkunftsangabe. Frischfleisch im Handel stammt ohnehin die allermeiste Zeit aus Österreich. Doch geht es um die Wurst, die Pizza oder die Hascheeknödel, kaufen die Verarbeiter gerne auch am Weltmarkt zu, dort, wo das Fleisch um ein paar Cent billiger ist.

Österreichs Konsumenten sind bei Lebensmitteln durchaus patriotisch. Gerne kaufen sie Fleisch aus Österreich. Die Initiatoren des Tierschutzvolksbegehrens wünschen sich höhere Standards bei der Nutztierhaltung.
Foto: imago images/Daniel Schvarcz

Ein Punkt, der den Landwirten, ihren Vertretern und so manchen NGOs schon lange ein Dorn im Auge ist. Auch die Initiatoren des Tierschutzvolksbegehrens wünschen sich mehr Transparenz. Ohne echte Transparenz gebe es keine bewusste Konsumentscheidung, so der Sprecher des Volksbegehrens, Sebastian Bohrn Mena. Heute, Montag, startet die Eintragungswoche, bis 25. Jänner kann unterschrieben werden.

Die Forderungen reichen von "tiergerechter und zukunftsfähiger Landwirtschaft" mit weniger Tiertransporten über ein Ende für Qualzucht und Amputationen bis zum Aus für das Töten der männlichen Küken. Zusammengefasst: mehr Tierwohl, nicht nur in der Landwirtschaft – aber dort ganz besonders. Fünf Millionen Schweine würden jährlich in Österreich geschlachtet, nicht einmal ein Drittel davon unter dem AMA-Gütesiegel, so Bohrn Mena: "Gehen wir doch den ersten Schritt und greifen zumindest deswegen auf Schweine aus heimischer Haltung zurück, weil die Transportwege kürzer sind und das zudem die bäuerlichen Strukturen unterstützen hilft."

Wenig Tierwohl im Regal

Greenpeace und die Tierschutzombudsstelle Wien (TOW) kritisierten im Herbst, dass 90 Prozent des Austro-Schweinefleisches kaum Tierschutz- und Umweltkriterien der beiden Organisationen erfüllt. Bei 26 gängigen Gütezeichen für Schweinefleisch im Supermarkt wurde damals überprüft, ob etwa Schweinen das Ringelschwänzchen abgeschnitten wird oder Vollspaltenböden verboten sind. Das Ergebnis: Konventionelles Schweinefleisch, auch jenes mit dem AMA-Gütesiegel, erfüllte keines der Kriterien. Wifo-Agrarexperte Franz Sinabell hält die Forderungen nach mehr Tierwohl zwar nicht für Sozialromantik, mahnt aber zu realistischer Betrachtung. Gut möglich, "dass wir uns in zwanzig Jahren gar nicht mehr vorstellen können, dass Ferkel kastriert oder männliche Küken getötet werden". Höhere Standards durch rechtliche Eingriffe zu erzwingen sei schwierig, dann würde eben mehr aus dem Ausland importiert.

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Bei der Wurst steht gleich gar nicht drauf, was drin ist.
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Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist derzeit ohnehin mit einer anderen Baustelle befasst: Die Lebensmittel-Herkunftskennzeichnung soll ausgebaut werden – ein Punkt im Regierungsprogramm, dem nun Leben eingehaucht werden soll. ÖVP und Grüne hatten sich auf eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Milch, Fleisch und Eiern in der öffentlichen und privaten Gemeinschaftsverpflegung (u. a. in Kantinen) und in verarbeiteten Lebensmitteln ab 2021 festgelegt.

Köstinger ist zumindest im Vordergrund dafür – im Hintergrund dürfte sich wieder ein Konflikt zwischen Türkis und Grün abspielen. Die Grünen wären wohl für mehr Tierwohl und Transparenz. Selbst der Bauernbund ist mittlerweile in vielen Dingen dafür. Bleiben noch die Lebensmittelindustrie und die Gastronomen. Da dürfte noch viel Überzeugungsarbeit nötig sein. (Regina Bruckner, 18.1.2021)