Die Wiener Philharmoniker durften Corona-bedingt bereits einige Varianten des "Geisterkonzerts" erleben: Nach dem ersten Lockdown durchbrach man die Stille im Musikverein vor nur 100 Zeugen. Bei den Salzburger Festspielen, als alles sommerlich schien, musizierten sie vor im Schachbrettmuster postierten Zuschauern. Das Neujahrskonzert wiederum ging (telegen) ohne Publikum vonstatten. Nur auf der – mit strengen Sicherheitskonzepten durchgezogenen – Japantournee gab es volle Häuser, wobei jeder im Zuschauerraum natürlich Maske trug.

Am Sonntag galt es nun – beim Einstandskonzert von Philippe Jordan als philharmonischem Abonnementdirigenten –, ein Lebenszeichen zu setzen. Allerdings waren – wieder eine neue Konzertvariante – nur getestete Medienvertreter zugelassen. Eine gewisse Leere also.

Hochexpressives Dokument

Dass die Akustik des Goldenen Saals ohne Publikum ihre Eigenheiten aufweist, erwies sich diesmal nicht generell als Nachteil. Während die Regierung (gegen 11.00 Uhr) die neuesten Veränderungen des Lockdowns bekanntgab, erklang Schönbergs Verklärte Nacht, op. 4 (Fassung für Streichorchester). Es ist auch ein hochexpressives Dokument des spätromantischen Kampfes, aus Wagners harmonisch-motivischen Errungenschaften noch Individuelles zu generieren.

Jordan animiert denn auch zu "brennendem" Musizieren; die einzelnen Motivstränge und deren Wucherungen und Verarbeitungen leuchteten klar und doch bisweilen reizvoll überspannt hervor.

Strauss’ Alpensinfonie, op. 64, kostete Jordan später aus, ohne Extreme zu scheuen. Die Tendenz des Werkes Richtung Opulenz und Bombast wurde nie versteckt ... Immer wieder aber zelebriert das sehr fokussierte Orchester die Verwandlung des Überbordenden in intime Kammermusik. Sowohl im Mikro- wie im Makrokosmos der Strukturen war die engagierte Musizierhaltung zu spüren.

Sie wird demnächst bei der Salzburger Mozartwoche zu erleben sein. Natürlich aber nur per Radio und Stream. (Ljubiša Tošić,18.1.,2021)