Am Mittwoch ist es so weit: Joe Biden wird als 46. US-Präsident vereidigt. Die Zeremonie beginnt um 11.30 Uhr (17.30 Uhr MEZ) und ist an genau jenem Ort geplant, der noch vor ein paar Tagen Schauplatz erschreckender Szenen war. Radikale Trump-Anhänger stürmten das US-Kapitol, um die Zertifizierung der Wahlergebnisse – und damit des Wahlsieges von Joe Biden – zu verhindern. Das Chaos war groß, fünf Menschen starben. Die Randalierer erreichten dennoch nur eine Verzögerung des Prozesses um einige Stunden. Biden wird wie geplant an diesem Mittwoch angelobt, DER STANDARD tickert live.

Bei der Angelobungszeremonie spricht Pastor Leo J. O'Donovan ein Gebet, Feuerwehrfrau Andrea Hall zitiert das Treuegelöbnis gegenüber der Nation und der Flagge ("pledge of allegiance"), Lady Gaga singt die Nationalhymne, die Poetin Amanda Gorman trägt ein Gedicht vor. Danach legen Kamala Harris und Joe Biden den Amtseid ab. Die Vizepräsidentin wird von Höchstrichterin Sonia Sotomayor, der Präsident von Höchstrichter John Roberts angelobt. Um 12 Uhr treten Harris und Biden offiziell ihr Amt an. Nach der Angelobung hält der neue US-Präsident seine "inaugural address".

Verlegung an einen anderen Ort diskutiert

Wegen der Sicherheitsbedenken gab es diesmal mehrfach Bestrebungen, die Zeremonie ins Innere des Kapitols oder an einen anderen sicheren Ort zu verlegen. Biden und dessen Team lehnten das bisher ab. Dabei handelt es sich bei der Angelobung auf den Stufen des Kapitols nicht einmal um eine besonders alte Tradition. Lange Zeit fand sie meist an der Ostseite des Gebäudes oder in einer der beiden Parlamentskammern statt, Franklin D. Roosevelt wurde gar einmal im Weißen Haus, Ronald Reagan einmal in der Rotunde des Kapitols angelobt. Regelmäßig an ihrem heutigen Ort gibt es die Zeremonie erst seit 1989.

Während der Angelobung versammeln sich normalerweise Hunderttausende auf der National Mall zwischen Washington Monument und Kapitol. Diesmal wurden die Menschen aufgefordert, zu Hause zu bleiben – schon vor dem Sturm auf das Kapitol wegen der Corona-Pandemie. Danach wurden wegen der Sicherheitsbedenken noch meterhohe Absperrungen errichtet. Stellvertretend für die Menschen, die nicht zur Angelobung kommen können, wehen bei der National Mall rund 200.000 Flaggen.

Auf der National Mall werden diesmal statt Zuschauerinnen und Zuschauern rund 200.000 Flaggen zu sehen sein – sie ersetzen das Publikum, das der Angelobung wegen der Corona-Pandemie von zu Hause aus beiwohnen soll.
Foto: APA/ AFP/ ERIC BARADAT

Nach der Angelobungszeremonie findet die "pass in review" an der Ostseite des Kapitols statt: Vertreter aller Teilstreitkräfte präsentieren sich dem neuen Oberbefehlshaber und seiner Stellvertreterin. Sie ist ein Symbol für die friedliche Machtübergabe.

Kranzniederlegung

Am Nachmittag (Ortszeit) besucht Biden mit seiner Ehefrau Jill Biden das Grab des unbekannten Soldaten am Nationalfriedhof von Arlington. Er legt dort mit den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama einen Kranz nieder. Danach wird Biden von einer Militäreskorte zum Weißen Haus gebracht.

Wieso dauert es mehrere Monate, bis der neue US-Präsident angelobt wird? Und was wird heute anders laufen als bisher?
DER STANDARD

Die sonst üblichen "inaugural balls" und Feierlichkeiten sind aufgrund der Pandemie abgesagt bzw. ins Fernsehen verlegt: ab 20.30 Uhr Ortszeit (2.30 Uhr MEZ) findet die von Tom Hanks moderierte Sondersendung "Celebrating America" statt. Musik wird es unter anderem von Bon Jovi, Justin Timberlake, Demi Lovato, den Foo Fighters, John Legend und Bruce Springsteen geben. Auch die Schauspielerinnen Eva Longoria und Kerry Washington werden auftreten.

Mit dem Amtsantritt Bidens wird Donald Trump, ob er will oder nicht, offiziell aus dem Amt scheiden. Er wird bereits Mittwochfrüh aus dem Weißen Haus in Richtung Florida aufbrechen, seine Ankunft mit der Air Force One wird um 11 Uhr Ortszeit (17 Uhr MEZ) erwartet. Er wird nicht an der Angelobung seines gewählten Nachfolgers teilnehmen – und ist damit der erste amtierende und noch lebende US-Präsident seit 150 Jahren, der mit dieser Tradition bricht. (Manuel Escher, Noura Maan, Michael Matzenberger, 20.1.2021)