Da saßen wir also eines Tages zusammen und sinnierten, was alles es heutzutage (fast) nicht mehr gibt an und in den Autos und ums Automobil herum. Guido "der Glu" Gluschitsch machte sich umgehend ans Werk und schuf eine ebenso lose wie famose Reihe von Einzelbesprechungen im Nullen-und-Einsen-Teil des Standard, online also, und wir rekapitulieren hier noch mal kurz im Gutenberg-Universum, was uns dunnemal auf die Schnelle aus den Ganglien purzelte – bevor der Beitrag ebenfalls in den vom großen Leibniz (Stichwort: Dualzahlen) erfundenen digitalen Standard-Kosmos transzendiert.

Alphabetisch sortiert wären das – Kapitel Accessoires: Hutablage, Klopapierrollenhalter, Wackeldackel, Wunderbaum. Aschenbecher. Autofriedhöfe. Kapitel Autospiegel – manuell verstellbare Außenspiegel, Rückspiegel mit Abblendwippe. Bart-Fahrzeugschlüssel. Bordwerkzeug. Bullenfänger. Cabrios mit Festdach, solche mit Textildach und Henkel ("Erdbeerkörbchen") – und Plastikheckscheiben bei Stoffverdecken. Fensterkurbeln. Halteschlaufen – und überhaupt Haltegriffe seitlich oben. Hebel-Handbremsen. Heckspoiler Marke "Bügelbrett". Hydropneumatik. Klappfenster. Kotfänger. Kühlerfiguren.

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Das ganze Ding pressen und einschmelzen ist in Zeiten des Multimaterialmixmobils längst nicht mehr, seit Dekaden wird aufwendig getrennt, sortiert, rezykliert, der Nachhaltigkeitsgedanke setzte sich durch.
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Kapitel Licht – Glühbirnen zum Wechseln, gelbe Scheinwerfer der Franzosen, Klappscheinwerfer, Zusatz-Nebelscheinwerfer. Kapitel Motoren: luftgekühlte Aggregate, Wankelmotoren, Zweitakter im Auto. Motorhaube nach vorn öffnend. Stichwort Orientierung: Straßenkarten und -atlanten, Stadtpläne. Pedale stehend. Radkappen. Regenrinnen. Kapitel Reifen – Reifendimensionen unter 14 Zoll, Reserveräder, Weißwandreifen. Revolverschaltung. Starterklappe/Choke. Stoßstangen. Trommelbremsen. Viscolüfter. Wischerblätter selber wechseln.

Erdbeeren gefällig?
Foto: Volkswagen

Aus diesem Sortiment, das sich beliebig erweitern ließe, greifen wir ein paar Meldungen heraus und beginnen gleich mit dem Kapitel Accessoires. Die Fahrerin/der Fahrer mit Hut hat sich zwar sprichwörtlich erhalten und rutscht einem gerne einmal raus, wenn man ein besonders wapploid manövriertes Fahrzeug voraus ortet. Aber Hutablage hinten, wann haben Sie so was zuletzt gesehen? Noch seltener sind die gehäkelten Klopapierrollenhalter (trotz Corona-Hamsterkäufen). Und der Wackeldackel hinter der Heckscheibe hatte zwar vor ein paar Jahren eine kurze Renaissance, so wie der Wackel-Elvis, den Audi in der Werbung für seine Stufenlos-Automatik bemühte, aber da ist auch schon wieder Gras drüber gewachsen, das wohl nie mehr gemäht werden wird. Dass der olfaktorische Ausnahmezustand mittels Wunderbaum seltener wird, ist eine Wohltat – die aber zum Teil kompensiert wird durch aktive Beduftung im Auto.

Schade übrigens auch um die hübschen Weißwandreifen von einst.
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Dessen letzte Ruhestätte, der Autofriedhof: du meine Güte. Das ganze Ding pressen und einschmelzen ist in Zeiten des Multimaterialmixmobils längst nicht mehr, seit Dekaden wird aufwendig getrennt, sortiert, rezykliert, der Nachhaltigkeitsgedanke setzte sich durch.

Ein Auto ist doch kein Ballon

Für Beeren aus biologischem Anbau waren die "Erdbeerkörbchen" nicht gedacht, sondern zum Stabilisieren gegen den Ballon-Effekt (und Überschlagsicherheit). Sie wissen, wo wir gelandet sind: beim Cabrio mit Henkel. Am bekanntesten sind die frühen offenen Golfs, jüngstes Beispiel: Chrysler PT Cruiser Cabrio (2004). Die Sache ist aufgrund enormer Steifigkeitsfortschritte bei Dachkonstruktionen nicht mehr nötig, auch sind diese Verdecke längst ganzjahrestauglich, wasserdicht, und weil eben nicht mehr "Fetzendach", kommen hinten keine biegsamen Plastiksichtfelder mehr rein, sondern normale Heckscheiben. Dass die Festdachcabriomode vorbei ist: welche Wohltat. Was waren da für Asphaltgeschwüre dabei, Peugeot 307 CC, Renault Wind, Mitsubishi Colt CZC, Nissan Micra CC etc.

Hebel-Handbremsen werden auch immer seltener.
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Wenn wir zu den Kühlerfiguren springen, die es auch (schon fast) nicht mehr gibt, so ist damit ein bedauerlicher Kulturverlust adressiert. Was war da in der frühen Zeit des Automobils noch an Kunst und Kunsthandwerk zugange; heute zählt nur noch Kostendruck, das sanfte Diktat der Aerodynamik und der Fußgängerschutz. Wer doch noch Figur zeigt, ist meist im Hoch- und Höchstpreis-Segment beheimatet. Die feenhafte Spirit of Ecstasy bei Rolls-Royce ist eine der letzten Nischen von Kunst und Ästhetik auf der Motorhaube, selbst der Stern obenauf verblasst immer mehr bei Mercedes. Das Flying B von Bentley, Rembrandt Bugattis tanzender Elefant auf dem Royale, der Adler von Chevrolet, der geflügelte Pfeil von Horch, der Leaper von Jaguar, der Schwan von Packard, und, und, und: Wo sind sie geblieben? Immerhin hat sich zum Thema eine veritable Sammlerszene etabliert, und wer Lust auf gute Figur hat, kann ja eine Oldtimermesse oder -veranstaltung besuchen. Sobald es so was wieder gibt.

Was war da in der frühen Zeit des Automobils noch an Kunst und Kunsthandwerk zugange.
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Mist, mir geht gleich der Platz aus. Was wollte ich noch kurz anreißen? Es werde Licht! Wann haben Sie zuletzt ein Birndl gewechselt bei Ihrem Auto? So was gibt es lange schon nur mehr als komplettes (und entsprechend teureres) Modul, im LED-Zeitalter erst recht. Verglüht sind aber auch ewig schon Extravaganzen wie die gelben Lichter der Franzosen – Argument: besser für die Augen –, mit der sie sich gegen die weiße Übermacht gestemmt hatten. Klappscheinwerfer, einst bei Coupés und Sportwagen sehr beliebt: ebenfalls weg. Mazdas erster MX-5 hatte noch welche, BMWs gefloppter 8er auch (beide ab 1989), Porsche 914 (1969), 924 (1976), 928 (1977) und diverse Corvetten seien stellvertretend für eine Armada von Fahrzeugen mit dem kessen Augenaufschlag angeführt. Die viele potenziell anfällige Mechanik, wiederum Aerodynamik und die Möglichkeiten, die LED eröffnen, waren der lichten Klappe Tod.

Moment, Tachos waren mal mechanisch? (Anm. v. poll)
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Die Navigationssysteme haben das Manövrieren in unbekannter Umgebung revolutioniert, gar keine Frage. Was war das früher für ein Gefummel mit Straßenkarten und Autoatlanten, ablenkend auch, und am Beifahrersitz befanden sich ohnehin in der Wahrnehmung der Person am Steuer meist pure Stümper(-innen). Doch das menschliche Gehirn ist gnadenlos, Kognitionsforscher stellen fest, dass sich in rapidem Maße Synapsenschaltungen in jenen Arealen rückbilden, die seit Urzeiten für Orientierung zuständig waren. Immer mehr Menschen wissen kaum noch die Himmelsrichtungen korrekt anzugeben. Was haben wir damals beim Heer geschimpft, als wir beim Orientierungsmarsch, nur mit Bussole und Marschzahl bewaffnet, uns auch entlang der Höhenlinien auf den Karten zum Ziel vorkämpfen mussten, aber es ging, ganz ohne GPS. Sag das heute einmal der Jugend, sie solle ohne Smartphone-Ortung oder Navi wohinfinden. Wenn möglich, bitte wenden ...

Was war das früher für ein Gefummel mit Straßenkarten und Autoatlanten.
Foto: Stockinger

Und huch, was nehme ich zuletzt noch? Das Reifenkapitel. An Kleinzöller, 14 und drunter, die wie verloren im Radkasten standen, erinnert man sich kaum noch, obwohl die Japaner etwa sich lange Zeit ließen, bis sie nachzogen. Inzwischen sind wir bei Mühlrädern 20 Zoll aufwärts angelangt, wohin mag das noch führen? Reserveräder gibt es auch keine mehr, laut Statistik liegt die Wahrscheinlichkeit für einen "Patschen" irgendwo bei 1:10.000 – aber hey, was, wenn du gerade die/der Zehntausendste bist? Das ganze Tirefit-Zeugs, na ja, besser, das braucht man nie, und mittlerweile verschwinden sogar die Asphaltschneider-Notreifen aus den Autos, weil die Reserveradmulde unter der Kofferraumabdeckung zunehmend für Elektrifizierungskomponenten genutzt wird. Lediglich bei Geländewagen ist der Reserve-Pneu noch en vogue. Schade übrigens auch um die hübschen Weißwandreifen von einst. Doch wie heißt es so schön? Das einzig Konstante im Leben ist der Wandel. (Andreas Stockinger, 12.2.2021)