Rosalinde und Simon Köllner müssen 30 Tiere und 15 Personen durch den Lockdown bringen.

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Unter der grauen Hochnebeldecke, die sich hartnäckig über den Salzburger Flachgau gelegt hat, wirkt die Szenerie reichlich trostlos: Ein paar provisorisch geschotterte Wege bahnen sich zwischen den Schlammlacken und kleinen Schneehaufen, ein Hänger mit Strohballen ist notdürftig mit einer Plane abgedeckt, davor ein dampfender Haufen Stallmist, und neben dem großen Stallzelt stehen ein paar Wohnwagen, dahinter die Zugmaschinen. Von Glanz und Glitter der Zirkuswelt keine Spur.

Entfall aller Einnahmen

Trotz aller Tristesse: Für den deutschen Zirkus Simoneit Aron ist das Gelände im Gewerbegebiet der Flachgauer Gemeinde Nußdorf am Haunsberg Rettung in großer Not. Seit Anfang November steht der kleine Familienzirkus hier; der Grundbesitzer hat das Grundstück gratis zur Verfügung gestellt, die Gemeinde hilft mit Strom aus.

Anfang Jänner bekam der Zirkus Nachwuchs. Ein noch namenloses Eselfohlen wurde geboren.
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Der Zirkus der Familie Köllner ist bereits zum zweiten Mal gestrandet. Im Zuge des ersten Corona-Lockdowns und des damit verbundenen Veranstaltungsverbots blieb er im steirischen Deutschlandsberg hängen. Dann ein paar wenige Gastspiele, bis es im Herbst wieder so weit war: Lockdown. "Auftrittsverbot bedeutet aber auch Entfall unserer einzigen Einnahmequelle", sagt Zirkuschefin Rosalinde Köllner. In einem normalen Jahr kommt der Zirkus auf immerhin rund 600 Vorstellungen.

Tierarzt, Hufschmied, Versicherungen

Die Kosten laufen indes freilich weiter: Zwei Kamele, einige Lamas, Ponys, Esel und Ziegen – insgesamt rund 30 Tiere sind zu versorgen. In der kleinen Zirkusstadt leben derzeit 15 Menschen, auch die brauchen etwas zu essen. Und so bitter es für die freiheitsliebende Artistenzunft auch ist, man kann nur mithilfe von Spenden überleben: Sachspenden wie Heu oder Stroh von den Bauern aus der Umgebung, Geld für Kraftfutter, den Tierarzt, den Hufschmied, die Versicherungen und natürlich auch Nahrungsmittel für die Zirkusleute selbst.

Statt Gastspiele zu bewerben, muss der Zirkus Simoneit Aron derzeit auf seinen Plakaten um Spenden ersuchen.

Vor der kleinen Zirkussiedlung stehen zwei kleine Spendenboxen, das meiste kommt aber durch Aufrufe in lokalen Medien herein. Die für das Programm engagierten Artisten und Artistinnen – viele davon aus der Ukraine – hat man natürlich längst nach Hause geschickt, allerdings mussten, weil vertraglich vereinbart, die Reisekosten ersetzt werden. Das belastet das Budget zusätzlich.

Streichelzoo und Eselfohlen

Als kleines Dankeschön für die Unterstützung der lokalen Bevölkerung haben die Köllners am Rande des Zirkusgeländes ein kleines Freigehege mit einem Gratisstreichelzoo eingerichtet. Soweit es Wetter- und Covid-Bestimmungen erlauben, kann man hier jeden Freitag, Samstag und Sonntag die Zirkustiere hautnah erleben.

An ein Aufgeben denken Rosalinde und ihr Mann Simon Köllner nicht. Die Familie betreibt das Zirkusgeschäft in der achten Generation, da wirft niemand so leicht alles hin. Zuletzt gab es dann immerhin doch noch Grund zur Freude: Vergangene Woche bekam der Zirkus Zuwachs, eine kleine Eselstute wurde geboren. (Thomas Neuhold, 18.1.2021)