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Italiens Regierung ist an mehreren Fronten im Krisenmodus: Premier Conte muss das Parlament um Vertrauen bitten.

Foto: AP / Alessandra Tarantino

Eine erste Klippe musste Italiens Regierungschef Giuseppe Conte im politischen Sturm Roms schon umschiffen: Vor der entscheidenden Vertrauensabstimmung im Senat am Dienstag musste am Montagabend zunächst die Abgeordnetenkammer dem Regierungschef das Vertrauen aussprechen. Wie am Abend bekannt wurde haben das 321 Stimmen getan, 259 Abgeordnete sprachen sich gegen Conte aus, 27 enthielten sich der Stimme.

Allerdings bestand ohnehin in der großen Parlamentskammer für den Regierungschef kaum Absturzgefahr: Die verbliebenen Regierungsparteien – die postideologische Fünf-Sterne-Bewegung, der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) und die kleine Linkspartei LEU – kommen zumindest auf dem Papier auch nach dem Ausscheiden von Matteo Renzis Kleingruppierung Italia Viva aus der Koalition auf eine komfortable Mehrheit – ganz im Unterschied zum Senat.

Rechenspielchen und Prognosen

Seit Tagen sind deshalb alle Augen auf die kleine Parlamentskammer gerichtet, Parteivertreter und Medien überschlagen sich in Rechenspielchen und Prognosen über den Ausgang der Schicksalsabstimmung. Fest steht: Um sicher weiterregieren zu können, müsste die Regierung im Senat die absolute Mehrheit der Stimmen erzielen. Diese liegt bei 161 Stimmen.

Nach dem Ausscheiden der 18 Senatoren von Renzis Partei Italia Viva verfügt Contes Koalition nur noch über 148 "eigene" Stimmen. Es müssten heute also mindestens 13 Stimmen von Senatoren dazukommen, die bisher entweder der Opposition oder dem "gruppo misto", der gemischten Fraktion, angehörten.

Regierungschef Conte und die Chefs der verbliebenen Koalitionspartner haben in den vergangenen Tagen intensiv um mögliche Überläufer geworben. Geködert und gelockt wurden die umworbenen Kandidaten unter anderem mit Regierungsposten, Kommissionsvorsitzen und sicheren Listenplätzen bei kommenden Wahlen. Allein trotz intensiver Bemühungen schien die magische Grenze von 161 Stimmen bis zuletzt nicht erreicht worden zu sein.

Kein zwangsläufiger Sturz

Sollte Conte die absolute Mehrheit verfehlen, würde dies nicht zwangsläufig seinen Sturz bedeuten: Laut italienischer Verfassung reicht bei Vertrauensabstimmungen auch die einfache Mehrheit. Weil der abtrünnige Renzi angekündigt hat, dass sich seine Senatoren am Dienstagabend der Stimme enthalten würden, liegt die Zahl bei höchstens 152 Stimmen – und diese Zahl sollte für die Regierungskoalition, glauben die parlamentarischen Rechenkünstler, im Bereich des Möglichen liegen.

Sollte Conte dagegen nicht einmal die einfache Mehrheit schaffen, bliebe ihm nichts anderes übrig, als Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt anzubieten.

Instabilität droht

Aber auch wenn er mit einer knappen Mehrheit weiterregieren könnte, könnte sich das rasch als Pyrrhussieg herausstellen: Die Regierung wäre instabiler als zuvor; es müssten in Zukunft nur drei oder vier der Neuzugänge ausscheren, und schon stünde die Regierung wieder am gleichen Punkt wie heute.

Außerdem gibt es Abstimmungen über bestimmte Sachgeschäfte, in denen eine absolute Mehrheit erforderlich ist, etwa wenn – wie beim bereits angekündigten nächsten Corona-Hilfspaket der Regierung – eine Neuverschuldung bewilligt werden muss.

Er wäre, sagte Conte am Montag im Abgeordnetenhaus, lieber vor das Parlament getreten, um zu den neuen Corona-Hilfen, der Verwendung der EU-Gelder aus dem Recovery Fund oder zur Impfstrategie Stellung zu beziehen. Stattdessen müsse er über die Gründe einer Regierungskrise Auskunft geben, "die den Bürgerinnen und Bürgern nicht einleuchten – und mir ehrlich gesagt auch nicht".

Jetzt sei es aber Zeit, "ein neues Kapitel aufzuschlagen" – und zwar mit "Willigen" im Parlament, die Conte einlud, einer europafreundlichen Reformallianz beizutreten, die sich von der nationalistischen Rechten abgrenze.

Eine neuerliche Partnerschaft mit Renzi – der von 2014 bis 2016 selbst Ministerpräsident war und letztlich über sich selbst stolperte – schloss Conte aus: "Mitten in der Pandemie eine Regierungskrise loszutreten, das kann nicht wieder gutgemacht werden." (Dominik Straub aus Rom, 18.1.2021)