"Ich kann nicht mehr schlafen. Ich bin erledigt." Seit 32 Jahren ist Mario Strobl in der Wiener Gastronomie tätig, aber die Belastungen der Corona-Pandemie bringen den Wirtshausbetreiber an seine Grenzen. Die Regierungshilfen seien "zu spät oder zu wenig". Beim Umsatzersatz für November und Dezember würden "einige Tausender" fehlen, auf die Zahlungen für Angestellte in Kurzarbeit wartet der Chef des Vorstadtwirts in Wien-Donaustadt noch immer. "Es ist fünf vor zwölf", beteuert Strobl.

"Fünf vor zwölf" nennt sich auch eine Initiative, mit der am Montag österreichweit Gastwirte, Restaurantbetreiber und Kaffeesieder auf die triste Situation nach monatelangem Lockdown hingewiesen haben. Während vereinzelt Fälle bekannt und geahndet werden, wo Gäste verbotenerweise bewirtet wurden, wollten die Teilnehmer am Aktionstag "Fünf vor zwölf" bewusst nicht provozieren. Es sollte ein Hilferuf sein, wie es hieß.

Gastwirte, Restaurantbetreiber und Kaffeesieder haben am Montag mit der Aktion "Fünf vor zwölf" österreichweit einen Hilferuf an die Politik gerichtet. Viele fürchten um ihre Zukunft.
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Eigentlich will Strobl, der Chef des Vorstadtwirts, sein eingespieltes Team für die Wiedereröffnung zusammenhalten. Doch ein Koch sei schon branchenfremd abgesprungen. Für andere Mitarbeiter stünden nun zur Überbrückung "Einvernehmliche" im Raum. Das Geschäft mit Essensabholungen sei "ein Tropfen auf dem heißen Stein". Zudem bleibe unklar, wann und unter welchen Bedingungen er wiedereröffnen kann. Strobls Hoffnung: "Möglichst bald." Seine Erwartung: "Erst nach Ostern."

"Eine Katastrophe"

"Eine Katastrophe", sagt Patricia Pugl, Betreiberin des Weinguts Pugl mit Buschenschank und Gästezimmern in der Südsteiermark. Auch sie wartet noch auf das Kurzarbeitsgeld, der Umsatzersatz sei ebenfalls zu niedrig ausgefallen. Pugl will ihre Mitarbeiter halten, "denn sie sind Gold wert". Mit Blick auf den im Frühjahr richtig anlaufenden Tourismus sagt sie: "Meine große Hoffnung ist, dass wir im April aufsperren können." Die derzeitigen Hilfen seien "definitiv zu wenig", aber bis dahin könne ihr Betrieb "mit einem riesengroßen Minus am Konto" durchhalten.

So pessimistisch ist Mario Pulker, Gastronomieobmann der Wirtschaftskammer, nicht. Er geht davon aus, dass die heimische Gastronomie Anfang März wieder aufsperren kann. Für Mitte Februar sei dazu ein Gespräch mit dem Bundeskanzler anberaumt. "Dann schauen wir, wie es aussieht", sagt Pulker mit Blick auf die Infektionszahlen.

Mindestens vier Monate müssen Gastronomen und Hoteliers geschlossen halten – mit Aussicht auf Verlängerung.
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Bis dahin gibt der oberste Vertreter der Gastronomen in der Wirtschaftskammer, der "lieber gestern als morgen" wieder aufsperren würde, Durchhalteparolen aus. Mit den aktuellen Hilfen, dem Fixkostenzuschuss zwei und dem neuen Umsatzersatz – er wird nun anders berechnet und beträgt Daumen mal Pi 30 Prozent –, sollten die meisten Gastronomen über die Runden kommen.

"Es wird auch Fälle geben, die es nicht schaffen. Das ist uns bewusst", sagt Pulker. Diese Betriebe seien aber schon vor Corona mit dem Rücken zur Wand gestanden.

Samstagabend war das Thema noch einmal Chefsache. Bundeskanzler Sebastian Kurz tauschte sich per Videocall vor der sonntägigen Verkündung der bis Ende Februar fortgesetzten Hotel- und Gastronomiesperre mit Branchenvertretern – rund 100 an der Zahl – aus. Mit dabei waren auch Finanzminister Gernot Blümel und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (alle ÖVP). Zum Teil sei die Diskussion emotional gewesen, manche wüssten nicht mehr, "was sie tun sollen", sagt ein Teilnehmer dem STANDARD.

Vorlaufzeit

Die Gastronomen Birgit und Heinz Reitbauer, die das Steirereck im Wiener Stadtpark und ein Restaurant am Pogusch betreiben, hätten ihre Lokale sehr gern aufgesperrt, man könne die Infektionszahlen aber nicht verleugnen. Insofern sei man von den verlängerten Lockdown-Maßnahmen auch nicht enttäuscht. Was vor allem Gastronomen bei den Politikern einmahnten, sei eine Vorlaufzeit von zumindest zwei Wochen, die sie bräuchten, bevor sie wieder aufsperren.

Auch Do-&-Co-Chef und Caterer Attila Doğudan hat am Call mit dem Kanzler teilgenommen. Er sei genau gar nicht enttäuscht gewesen über die Lockdown-Verlängerung, es gebe angesichts der Entwicklungen keine Alternative. Er selbst rechne "noch mit viel mehr", man werde die nächsten drei Monate in Bezug aufs Geschäft wohl "vergessen" können.

Was die Planungssicherheit betrifft, stellt ein Hotelier aus dem Westen der Regierung ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. "Mittlerweile sind wir schon siebenmal mit Öffnungsterminen vertröstet worden. Mehr muss man nicht sagen zur Planungssicherheit", sagt Gregor Hoch, der ein Hotel in Lech betreibt und in früheren Zeiten auch einmal an der Spitze der Österreichischen Hoteliervereinigung stand. Dabei gäbe es die Möglichkeit, den Öffnungstermin an beobachtbare Kriterien zu knüpfen wie beispielsweise die Sieben-Tage-Inzidenz. "Wenn man sagt, wir müssen auf 50 kommen, dann sperrt drei Tage später der Handel auf, eine Woche später die Gastronomie und zehn Tage später die Hotellerie, kann man sich daran orientieren. Aber das passiert ja leider nicht."

Appell an die Politik

Hoch appelliert an die Politik, sich Gedanken zu machen, wie die vielen Betriebe insbesondere in Westösterreich, die normalerweise im Winter das Geld verdienen, um den Sommer durchstehen zu können, in den nächsten Winter gerettet werden können. Idealerweise sollten die Hilfsinstrumente, die es bereits gibt, auch den Sommer über beibehalten werden. Sonst würden viele Betriebe den nächsten Winter wohl nicht erleben. (Günther Strobl, Alexander Hahn, Renate Graber, 19.1.2021)