Die USA lassen nicht locker. Sie wollen den Bau von Nord Stream 2 mit Sanktionen verhindern.

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Berlin – Die US-Regierung hat erstmals Sanktionen wegen der deutsch-russischen Ostseepipeline Nord Stream 2 verhängt. Die Maßnahmen sind am Dienstag verkündet worden und betreffen das am Pipelinebau beteiligte russische Verlegeschiff Fortuna und die russische Firma KVT-RUS. Der scheidende US-Außenminister Mike Pompeo drohte zugleich weitere Strafmaßnahmen an. Allerdings endet die Amtszeit der Regierung von Präsident Donald Trump am Mittwoch.

USA erhöhen den Druck

Die US-Botschaft in Berlin erklärte schon im Vorhinein, man sei "weiterhin entschlossen, alle notwendigen und angemessenen Schritte zu unternehmen, um die Nord-Stream-2-Pipeline zu stoppen, die wichtige nationale Interessen unserer europäischen Verbündeten und der Vereinigten Staaten bedroht".

Sprecher Joseph Giordono-Scholz betonte, dass man sich durch die Verhaftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in dieser Haltung bestärkt fühle. Sie sei "ein weiteres klares Zeichen dafür, dass sich das Verhalten Russlands nicht ändert, und wir hoffen weiterhin, dass Deutschland seine Position zu der Pipeline neu bewerten wird", sagte er.

Russland unbeeindruckt

Russland zeigte sich unbeeindruckt. Man beabsichtige, "die kontinuierliche Arbeit an der Fertigstellung dieses Projekts fortzuführen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Dieselbe Absicht verfolgt die Projektgesellschaft, die mögliche Auswirkungen von Sanktionen nicht kommentieren wollte.

Gegen die Erdgaspipeline selbst gibt es neue Widerstände. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) legte Einspruch gegen den Weiterbau beim deutschen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ein, teilte ein Nabu-Sprecher mit. Der Einspruch habe aufschiebende Wirkung, sodass zunächst nicht weitergebaut werden könne. Eigentlich herrscht aus Naturschutzgründen ein Baustopp zwischen Herbst und Sommer. Die Bauarbeiten könnten aber so umgesetzt werden, dass die Eingriffe begrenzt und der Vogelschutz gewahrt bliebe, hatte die Behörde entschieden.

Pipeline-Partner gewarnt

Das US-Außenministerium hat die am Bau beteiligten europäischen Unternehmen gewarnt, dass sie sich dem Risiko von Sanktionen aussetzten. Sie sollten sich zurückziehen, "bevor es zu spät ist", sagte ein US-Regierungsmitarbeiter. Insidern zufolge will sich die Zurich Insurance Group wegen der Gefahr von Strafen nicht mehr an Nord Stream 2 beteiligen. Sanktionsdrohungen der USA hatten die Arbeiten im vergangenen Jahr verzögert, eine Firma zog ihre Spezialschiffe ab. Jetzt sollte die russische Fortuna die Lücke füllen.

Die USA lehnen den Bau der rund 1.200 Kilometer langen Doppelröhre mit der Begründung ab, Europa werde dadurch noch abhängiger von russischem Erdgas. Die USA wollen allerdings auch selbst ihr Gas in Europa verkaufen. Deutschland hat wiederholt Drohungen der USA mit Sanktionen zurückgewiesen. Hinter dem Projekt steht der russische Staatskonzern Gazprom, der die Hälfte der Gesamtkosten von 9,5 Milliarden Euro stemmen soll. Die andere Hälfte finanzieren europäische Energieunternehmen wie Wintershall Dea, OMV sowie Uniper, Royal Dutch Shell und Engie.

Die Verlegearbeiten waren im Dezember 2019 ausgesetzt worden. Derzeit ist die Pipeline nach Angaben der Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG, an der neben dem russischen Energieriesen Gazprom auch die OMV, Uniper und Wintershall aus Deutschland, der französische Konzern Engie sowie der britisch-niederländische Konzern Shell als Finanzinvestoren beteiligt sind, zu 94 Prozent fertiggestellt. Demnach sind noch etwa 120 Kilometer Pipeline in dänischen und etwas über 30 Kilometer in deutschen Gewässern zu verlegen.

Norweger ziehen ab

Das norwegische Zertifizierungsunternehmen DNV GL bestätigte unterdessen seinen Rückzug aus dem Projekt wegen drohender US-Sanktionen. Man sei dabei, die Arbeiten zu beenden, hieß es auf Anfrage. "Nach dem derzeitigen Stand der Dinge kann DNV GL bei Fertigstellung der Pipeline kein Zertifikat ausstellen."

Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft kritisiert die US-Sanktionen. Das käme nicht unerwartet, es sei zu befürchten gewesen, dass die Regierung des scheidenden Präsidenten Donald Trump in ihren letzten Amtstagen versuchen werde, Tatsachen zu schaffen, erklärte der Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes. "Diese belasten neben vielen anderen Themen den Neustart in den transatlantischen Beziehungen."

Suche nach Lösungen

Dennoch sehe der Ausschuss weiter eine gute Möglichkeit, dass die Bundesregierung mit der Biden-Regierung eine Lösung finden werde, die die rasche Fertigstellung und den Betrieb der Ostseepipeline Nord Stream 2 ermöglicht. "Die EU ist erwachsen genug, ihre Energiepolitik selbst zu bestimmen und ein nach ihren Regeln genehmigtes Investitionsprojekt wie Nord Stream 2 vor äußerer Einflussnahme zu schützen", betonte Hermes.

Er begrüße, dass die EU-Kommission in dieser Woche ein Maßnahmenpaket vorlegen werde, mit dem sie europäische Unternehmen in Zukunft besser vor extraterritorialen Sanktionen schützen wolle. "24 von 27 EU-Ländern haben bereits klargestellt, dass sie US-Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung ablehnen." Ob damit börsennotierte Konzerne wie die OMV ausreichend geschützt werden können, bleibt abzuwarten. Bei den Iran-Geschäften hatten sich die USA mit ihren Sanktionen voll durchgesetzt. (Reuters, dpa, red, 19.1.2021)