Satire scheint ja ein interessantes Thema zu sein – nicht nur für die Leserinnen und Leser dieses Blogs, sondern auch für die Gerichte. Und auf die Gefahr hin, abermals Anlass zu einigen chauvinistischen Ausrutschern zu geben, geht es auch in diesem Beitrag unter anderem um deutsche Promis. Wie wäre es mit Oskar Lafontaine und Ernst August von Hannover als Reizwörtern?

Finanzminister auf Probe

Nachdem Lafontaine im März 1999, nach kaum fünf Monaten als deutscher Finanzminister, von dieser Position zurückgetreten war, warb der Autovermieter Sixt mit Porträtaufnahmen von 16 Mitgliedern der Bundesregierung einschließlich Lafontaine, dessen Bild allerdings durchgestrichen (aber weiter erkennbar) war. Darunter "Sixt verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit". Lafontaine fand das nicht so lustig, er klagte eine fiktive Lizenzgebühr von 250.000 D-Mark ein, sein Bild sei zu Werbezwecken "zwangskommerzialisiert" worden. In den unteren Instanzen war er immerhin mit 100.000 D-Mark erfolgreich, nicht aber beim Bundesgerichtshof (BGH).

Klar, wird das Bildnis einer Person (selbst einer "Person der Zeitgeschichte") zu Werbezwecken verwendet, um den Werbewert des Promis auszunützen und auf das beworbene Produkt überzuleiten, so ist das einerseits ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild und kostet andererseits Geld – eine "fiktive Lizenzgebühr". Hier lag der Fall aber anders. Natürlich ging es um Werbung, aber nicht um den Werbewert Lafontaines; der BGH wertete dies als "eine auf ein aktuelles Ereignis bezogene politische Meinungsäußerung in Form der Satire". Der Vergleich des Klägers mit einem Mitarbeiter, der schon in der Probezeit scheitert, war eine ironische Auseinandersetzung mit dem schnellen Rücktritt als Finanzminister – und die stand hier im Vordergrund, nicht die Ausnutzung des Werbewerts des Abgebildeten.

Prügelt ein Prinz auch Zigaretten?

Ähnlich scheiterte vor dem BGH Ernst August von Hannover, der ebenfalls seine Bildrechte verletzt sah, und zwar durch den Hersteller der Zigarette Lucky Strike. Der wütende Ernst August hatte einem Kameramann mit seinem Schirm das Nasenbein gebrochen, was nicht der einzige bekannt gewordene Ausraster des "Prügelprinzen" war. Darauf nahm die Zigarettenwerbung Bezug, die eine zerdepschte Lucky-Strike-Packung unter der Überschrift "War das Ernst? Oder August?" abbildete. Vielleicht wollte der Prinz die 32.000 D-Mark, die er für Schmerzensgeld und eine neue Kamera zahlen musste, wieder hereinbringen, und in den unteren Instanzen war er tatsächlich mit 60.000 Euro erfolgreich (dazwischen lag der Währungswechsel).

Beim BGH allerdings biss auch er auf Granit. Dass mit dem Namen des Klägers werbliche Aufmerksamkeit erregt werden sollte, führte hier nicht zu einem grundsätzlichen Überwiegen dessen allgemeinen Persönlichkeitsrechts. "Die mit der Namensnennung verbundene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kann hinzunehmen sein, wenn sich die Werbeanzeige einerseits in satirisch-spöttischer Form mit einem in der Öffentlichkeit diskutierten Ereignis auseinandersetzt, an dem der Genannte beteiligt war, und wenn andererseits der Image- oder Werbewert des Genannten durch die Verwendung seines Namens nicht ausgenutzt und nicht der Eindruck erweckt wird, als identifiziere er sich mit dem beworbenen Produkt oder empfehle es." Da in dieser "satirisch-spöttischen Anspielung" auch keine Herabsetzung zu sehen war, lag für den BGH kein Rechtseingriff vor.

Der nackte Kanzler

Wenn's satirisch gemeint ist, aber unter die sprichwörtliche Gürtellinie geht, kann man auch leicht danebenhauen, was dem "Profil" 1996 widerfuhr. Trotz einer erfolgreichen Wahl hatte Kanzler Franz Vranitzky im Koalitionspoker mit ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel nicht das Optimum für seine Partei herausgeholt, was das "Profil" zum Titel "Des Kaisers neue Kleider – Wie Wolfgang Schüssel Franz Vranitzky Hemd und Hosen auszog" veranlasste, illustriert mit einer Fotomontage, die einen gänzlich nackten Mann zeigte, die Hände vor dem Geschlecht, mit dem Kopf des Kanzlers. Das Wort "Fotomontage" war vertikal in kleiner Schrift in den roten Rand hineingedruckt. Vranitzky sah sich – durch das Foto, nicht den Text – in seiner Würde verletzt. Man konnte in der Tat glauben, es handle sich hier um ein Original-Nacktfoto des Kanzlers. Und ja, ein Politiker muss sich in der öffentlichen Diskussion mehr gefallen lassen als eine Privatperson, aber es gibt Grenzen.

Das "skandalöse" Titelblatt.
Foto: profil (Fotomontage)

§ 78 Urheberrechtsgesetz schützt das Recht am eigenen Bild, genauer: vor einer objektiven Interessenverletzung des Abgebildeten (es geht also um mehr als ein bloßes subjektives Beleidigtsein). Der OGH: "§ 78 UrhG soll nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers jedermann gegen den Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit, namentlich (u. a.) dagegen schützen, dass sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt. Auch allgemein bekannte Personen, wie der Kläger, haben Anspruch darauf, dass die Allgemeinheit auf ihre Persönlichkeit Rücksicht nimmt. Deshalb ist die Privat- und Intimsphäre einer solchen Person geschützt und die Verbreitung von Bildern unzulässig, die entstellend wirken oder die – allenfalls erst im Zusammenhang mit der Bildunterschrift oder dem Begleittext – den Abgebildeten der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben." Dasselbe Sujet als Karikatur wäre wohl problemlos gewesen. Aber ein (vermeintliches) Nacktfoto, in allen Trafiken des Landes ausliegend, musste sich auch ein Spitzenpolitiker nicht gefallen lassen. (Thomas Höhne, 21.1.2021)