Tauben fühlen sich auf Dächern und Balkonen wohl.

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"Hilfe, ich werde Mama", verkündete STANDARD-Redakteurin Muzayen Al-Youssef vergangene Woche in einem Text im ALBUM über ihr Leben im Gemeindebau. Die lieben Kleinen haben den Balkon vereinnahmt – mit ihren gefiederten Eltern. Denn es handelt sich um sehr vermehrungsfreudige Tauben, die ihren Gemeindebau seit Jahren heimsuchen.

Was tun gegen die Tiere? Sinnvoll wäre es, in gute Taubenabwehr zu investieren. Manchmal werden dafür Netze über den Innenhof gespannt, mitunter auch nur einzelne Loggien oder Balkone damit eingekleidet. Manche setzen auf Stacheln bei Fenstern. Immer wieder landen auf den Balkonen Plastikraben aus dem Baumarkt, die den Tauben Angst einjagen sollen.

Der Erfolg bleibt oft aus

Ideen gibt es also viele. Doch nicht immer bleiben die Tauben wirklich weg. Und wenn Netze oder Stacheln nicht professionell gewartet werden, besteht die Gefahr, dass sich die Tiere verletzen.

Dauerhafte Lösungen sind nicht billig. Darum wird oft darüber gestritten, wer dafür nun zuständig ist. Außerdem gilt: Für Veränderungen an der Fassade braucht man die Zustimmung des Vermieters oder – bei einer Eigentümergemeinschaft – sämtlicher Miteigentümer. "In einer großen Wohnhausanlage ist das so gut wie unmöglich", erklärt der Rechtsanwalt Nikolaus Vasak.

Immer wieder beschäftigen sich auch die Gerichte mit den Tieren, voriges Jahr sogar der Oberste Gerichtshof (OGH): Eine Mieterin klagte ihren Vermieter auf das Anbringen eines Taubenschutzes auf ihrer Loggia – und blitzte damit vor Gericht ab. Der OGH bestätigte das Urteil: Eine Erhaltungspflicht treffe den Vermieter nur, wenn es um "ernste Schäden" oder eine vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gesundheitsgefährdung gehe. Beides sei nicht der Fall.

Historischer Kompromiss

"Das sind keine guten Nachrichten für Mieter", sagt der auf Immobilienrecht spezialisierte Rechtsanwalt Walter Reichholf. Die OGH-Entscheidung betrifft aber nur Wohnungen, die in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) fallen. Das sind beispielsweise Altbauwohnungen oder Gemeindewohnungen. Hier ist die Erhaltungspflicht des Vermieters eingeschränkt. "Das klingt paradox, ist aber ein historischer Kompromiss", erklärt Reichholf. Denn mit den ersten Mietrechtsgesetzen vor 100 Jahren kamen Mietendeckelungen. Sie wurden Vermietern so versüßt.

Anders sieht die Sache für Wohnungen aus, die nicht in den Vollanwendungsbereich des MRG fallen. Das sind ab Mitte 1953 ohne Wohnbauförderung errichtete Wohnungen. Hier fehlt zwar die Judikatur zu Problemtauben. Reichholf könnte sich aber durchaus vorstellen, dass der Vermieter zur Taubenabwehr verpflichtet werden kann. "Der Vermieter hat dem Mieter den bedungenen Gebrauch zu verschaffen – und ihm diesen auch zu erhalten", argumentiert er. "Wenn die Gebrauchsmöglichkeit des Balkons beeinträchtigt wird, ist dafür Abhilfe zu schaffen."

Miete reduzieren

Generell gilt: Wer seinen Balkon nicht nutzen kann, weil sich dort Tauben breitgemacht haben, kann es mit einer Mietzinsminderung probieren. Das klingt vielversprechend, aber Reichholf schränkt ein: "Man hat nicht viel davon, weil die Judikatur in dem Bereich sehr geizig ist." Den Mietzins dürfe man nur um einige wenige Prozent senken, wenn der Balkon unbenutzbar ist, weil dieser nicht als vollwertige Wohnfläche gezählt wird. Den Vermieter wird man mit den paar Euro weniger nicht aus der Reserve locken.

Häufig liegt die Ursache für eine große Taubenpopulation aber auch bei Nachbarn, die die Tiere füttern. Auch damit hat sich der OGH bereits beschäftigt. Eine Mieterin fütterte jahrelang Tauben im Innenhof. Sie hörte damit auch nicht auf, als sie dazu aufgefordert wurde. Die Kündigung ihres Mietvertrages hat der OGH bestätigt.

Auch das ist im eingangs erwähnten Gemeindebau denkbar – in großen Häuern ist die Suche nach einem Schuldigen aber mitunter schwierig. Einstweilen genießen die lieben Kleinen also weiterhin ungestört den Ausblick vom Balkon. (Franziska Zoidl, 14.2.2021)